Motor aus, Amboss raus: Wenn Hufschmied Fabian Kaiser auf den Hof kommt, verwandelt sich sein Kastenwagen ruckzuck in eine mobile Schmiedewerkstatt. Heckklappe hoch, Strom gelegt, Gas aufgedreht – seine mobile Schmiede wirkt wie ein Schweizer Taschenmesser, wenn er den Amboss und die Schleifmaschine herauszieht. Jetzt noch Wasser in den Eimer und los geht‘s.

Auf den Reiterhöfen in der Region ist der Mann aus dem Deggenhausertal ein willkommener Besucher. Die Pferde, vorher angemeldet, stehen schon aufgehalftert und angebunden bereit. Warmblüter und Quarterhorses, Islandpferde und Haflinger, selbst kleine Ponys. Die Besitzer der Tiere stehen dabei. Meist sind es „Einsteller“, die auf großen Reiterhöfen ein oder mehrere Pferde untergebracht haben. Oder „Kleinhalter“, die zwei bis vier Tiere auf eigenem oder gepachtetem Grund halten.

Klappe auf, Amboss raus: Fabian Kaiser ist mit seiner rollenden Schmiedewerkstatt das ganze Jahr unterwegs.
Klappe auf, Amboss raus: Fabian Kaiser ist mit seiner rollenden Schmiedewerkstatt das ganze Jahr unterwegs. | Bild: Thomas Kapitel

Fabian Kaiser kennt die meisten Pferde

Erste Station: Reinachmühle bei Friedrichshafen-Ailingen. Vier Islandpferde. Fabian Kaiser und sein Lehrling René Weißenrieder ziehen sich die dicke, lederne Beschlagschürze über. Huf für Huf wird zwischen die Knie geklemmt, alle alten Eisen mit der Zange abgenommen. Dann werden die verhärteten Ränder mit der Schneidezange abgezwackt und mit dem Hufmesser ausgeschnitten, die Huf-Innenseiten sauber ausgeschabt.

Fabian Kaiser begutachtet die alten Eisen; oft kann man sie ein zweites Mal verwenden. Sonst greift der Schmied ins Regal hinter der Schiebetür: Rund 45 verschiedene Sorten Eisen in allen Größen hat er dabei, dazu Hufnägel in 15 Längen und Stärken. Die meisten Pferde kennt der Schmied. Neue Kandidaten lässt er „vorlaufen“, um zu sehen, wie sie auftreten. Manche Fehlstellung kann der Hufschmied ausgleichen, wie ein Orthopädie-Schuhmacher.

Ein Satz neue Eisen: Rund 45 verschiedene Sorten und Größen hat Fabian Kaiser immer dabei.
Ein Satz neue Eisen: Rund 45 verschiedene Sorten und Größen hat Fabian Kaiser immer dabei. | Bild: Thomas Kapitel

500 Grad heiß auf den Huf

Die Eisen werden angepasst; spätestens hier müssen der Schmied und sein Helfer zu zweit ran. Dann ab ins Heiße: Die Eisen kommen in den Schmiedeofen. Der ist in der mobilen Version nicht größer als ein Schuhkarton, erhitzt das Metall aber ruckzuck auf 1150 Grad. Rotglühend holt der Schmied sie mit der Zange heraus, bringt sie mit geübten Hammerschlägen auf dem Amboss in Form. Das „Aufbrennen“ ist der spektakulärste Akt: Das bis zu 500 Grad heiße Eisen wird auf den Huf gesetzt. Es qualmt sofort gewaltig und riecht extrem nach verbrannten Haaren. Der eingebrannte Rand zeigt dem Schmied genau, wie das Eisen sitzen würde. Die Eisen werden noch etwas nachgehämmert und fliegen zischend in den Wassereimer zum Abkühlen.

Rollende Werkstatt, ausklappbarer Amboss: Fabian Kaiser schmiedet das Eisen, solange es heiß ist.
Rollende Werkstatt, ausklappbarer Amboss: Fabian Kaiser schmiedet das Eisen, solange es heiß ist. | Bild: Thomas Kapitel
Glühend aus dem 1150 Grad heißen mobilen Schmiedeofen: Das Eisen ist bereit für den Schmiedehammer.
Glühend aus dem 1150 Grad heißen mobilen Schmiedeofen: Das Eisen ist bereit für den Schmiedehammer. | Bild: Thomas Kapitel

Das eigentliche Nageln übernimmt wieder der Chef alleine, den Huf zwischen den Knien, die Hufnägel im Mund. Jeweils drei auf jeder Seite. Die Spitzen kommen an der Seite wieder heraus und werden an den Huf geklopft. René Weißenrieder wird sie in einem weiteren Arbeitsgang mit den Spitzen im Huf vernieten: „Das ist dann wie der Schuhbändel, das hält das Eisen am Huf.“

Zum Abschluss die „Garnitur“: Jeder Huf wird auf den Hufbock gestellt, Eisen und Huf mit der Feile entgratet und geglättet. Fertig. Alleine schafft ein Hufschmied fünf bis sechs Vollbeschläge am Tag, zu zweit zehn bis 15. Und gleich den nächsten Termin vereinbaren, der meist in sechs bis acht Wochen ansteht. Fabian Kaisers Fahrersitz ist sein Büro, hier kann man auch per Scheckkarte und Lesegerät bezahlen.

500 Grad heiß auf den Huf: Beim Aufbrennen spüren die Pferde nichts.
500 Grad heiß auf den Huf: Beim Aufbrennen spüren die Pferde nichts. | Bild: Thomas Kapitel

In der „Hufklinik Bodensee“ werden geplagte Tiere behandelt

Auf seinen eigenen Pferdehof in Wahlweiler auf dem Höchsten betreibt Fabian Kaiser zusammen mit dem Bermatinger Tierarzt Dr. Carsten Holtschmidt die „Hufklinik Bodensee“. Schwer von der Hufrehe und anderen Hufkrankheiten geplagte Tiere werden hier mit viel Geduld und möglichst ohne Medikamente behandelt. Zum Beispiel, indem Fabian Kaiser sie, wie in einem Schlingentisch, in eine Tuchkonstruktion hängt und den Huf so entlastet, dass er heilen kann und das Tier kaum Schmerzen hat.

Fabian Kaiser beim Beschlag: „Das Tier muss mir freiwillig den Huf geben. Wenn einer austritt, das geht gar nicht.“
Fabian Kaiser beim Beschlag: „Das Tier muss mir freiwillig den Huf geben. Wenn einer austritt, das geht gar nicht.“ | Bild: Thomas Kapitel
Einmal nachpolieren bitte: Lehrling René Weißenrieder gibt Island-Stute Hjördis den letzten Schliff.
Einmal nachpolieren bitte: Lehrling René Weißenrieder gibt Island-Stute Hjördis den letzten Schliff. | Bild: Thomas Kapitel

Von den „alten Rossleuten“ gelernt

Fabian Kaiser ist mit Pferden aufgewachsen. Schon als Bub saß er mit dem Vater am Stammtisch und lauschte „den erfahrenen, alten Rossleuten“, erinnert sich der heute 36-Jährige. Gelernt hatte er zunächst Großhandelskaufmann, dann Obstbau für den elterlichen Hof. Zu seinem jetzigen Beruf führte ihn dann eher der Zufall: „Unser Hufschmied klagte, dass ihm sein Helfer abhandengekommen sei. Das könne ja nicht so schwer sein, sagte ich, und er meinte, ich könne ja eine Weile bei ihm mitfahren.“ In zwei, drei Monaten habe er viel bei ihm gelernt, Dann ging es nach Oberfranken, dort war er mit einem Rennbahn-Schmied unterwegs. In der Lehrschmiede in Leipzig lernte er bis zum Abschluss als staatlich geprüfter Hufbeschlagschmied. Seit dreieinhalb Jahren ist er nun selbstständig unterwegs.

Ernährung ist entscheidend für gesunde Hufe

Zweite Station: Die „Schnyder Ranch“ bei Ravensburg. Drei der Pferdebesitzer führen nacheinander ihre Tiere ins Freie, wo Fabian Kaiser erstmal lange Gespräche über das Wohlbefinden der Pferde führt: Der Hufschmied ist Ansprechpartner und Fachmann für das gesamte Wohlergehen der Tiere. Fachkundig greift er in den Mähnenkamm, spürt nach Fetteinlagerungen und warnt vor Überfütterung. Denn fast immer habe der Gesundheitszustand der Tiere mit dem Stoffwechsel zu tun, sagt Fabian Kaiser. Warum ihn das betrifft: Zu viel oder falsche Ernährung ist auch Auslöser der gefürchteten, schmerzhaften Hufrehe. „Pferde sind ja heute keine Arbeitstiere mehr, sondern Familienmitglieder“, sagt Kaiser. „Mit Verhätscheln wird viel kaputtgemacht.“

Pferdeverstand: Fabian Kaiser berät die Besitzer zur gesunden Haltung und Ernährung ihrer wertvollen Tiere.
Pferdeverstand: Fabian Kaiser berät die Besitzer zur gesunden Haltung und Ernährung ihrer wertvollen Tiere. | Bild: Thomas Kapitel

Nach Huftritt wochenlang außer Gefecht

Weiter geht es nach Meckenbeuren-Brugg. Eine Württemberger-Stute, ein Freiberger-Wallach. Man staunt, wie brav und ruhig die großen Tiere die Prozedur über sich ergehen lassen. „Das ist Erziehungssache – und die liegt bei den Besitzern“, sagt Fabian Kaiser: „Das Tier muss mir den Huf geben. Wenn einer austritt, das geht gar nicht. Dann packen wir zusammen und sagen: Bekomm das bitte in den Griff bis zum nächsten Termin.“ Einmal hat es ihn böse erwischt: Eine junge Stute erwischte ihn mit dem aus dem Hinterhuf ragenden Nagel am Beinschutz, hob ihn hoch, warf ihn zu Boden. „Ich sah nur noch, wie sie stieg und konnte mich zur Seite drehen“, erinnert er sich. So erwischte ihn der Huftritt nicht im Gesicht, sondern in die Seite. Mehrere Monate war er außer Gefecht. Die verheilten Brüche spürt er heute noch.

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Mit Kraft und Technik

Was einen guten Hufschmied ausmacht? „Dass er gerne mit Leuten schafft. Und noch lieber mit Tieren“, sagt Fabian Kaiser. „Er braucht ein dickes Fell, viel handwerkliches Geschick und Zähigkeit. Wir stehen immer draußen, bei minus 15 Grad im Winter, bei 38 Grad im Sommer.“ Und Kraft natürlich, auch wenn heute vieles über Können und Technik laufe. Die gebückte Haltung mit angewinkelten Knien beim Beschlag etwa.

Alle Pferde groß und klein: Auch Ponys brauchen Hufpflege und Beschlag. Azubi René Weißenrieder muss dazu ganz tief runter.
Alle Pferde groß und klein: Auch Ponys brauchen Hufpflege und Beschlag. Azubi René Weißenrieder muss dazu ganz tief runter. | Bild: Thomas Kapitel

Das bestätigt auch Lehrling René Weißenrieder. Nach einer Mechaniker-Ausbildung hat der Gastwirt-Sohn aus dem Deggenhausertal seinen Traumberuf ergriffen: „Ich bin den ganzen Tag draußen und bei den Tieren, genau das mag ich“, sagt der 22-Jährige. „Ich hab in meinem Leben noch nie so viel schaffen müssen, war aber auch noch nie so zufrieden.“