Ein Arztbesuch kann gerade in Pandemiezeiten zur Geduldsprobe werden. Oftmals muss der Patient lang darauf warten, überhaupt einen Termin zu bekommen. Hat er einen, muss er meist einige Zeit im Wartezimmer ausharren. Hinzu kommt die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und bei vielen eine latente Angst, sich anzustecken. Doch was ist Patienten bei einem Arztbesuch in Zeiten der Corona-Pandemie besonders wichtig? Studierende der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg (DHBW) sind dieser Frage in einer jüngst abgeschlossenen „kleinen Corona-Studie“ nachgegangen.
Der in Frickingen wohnhafte Marktforscher Thomas Dobbelstein hat die Studierenden dabei als Professor betreut. Im Gespräch stellt er die wichtigsten Ergebnisse heraus und erzählt, welche ihn am meisten verblüfft haben.
Freundlichkeit und Kompetenz für Mehrheit unbedingt erforderlich
Auch wenn die Umfrage nicht repräsentativ ist, haben der Professor und die elf teilnehmenden Studentinnen doch rund 1000 Meinungen eingeholt. Die Resultate sind teils erstaunlich, wie Thomas Dobbelstein erklärt. Demnach gab die Mehrheit der Befragten an (74 Prozent), dass ihnen Freundlichkeit, Kompetenz und Fachwissen des Praxispersonals in der unsicheren Corona-Situation besonders wichtig sind. Zum Vergleich: Hygienevorkehrungen wie Sicherheitsbekleidung, aufgestellte Desinfektionsspender oder Sauberkeit stuften insgesamt 59 Prozent der Befragten als unbedingt erforderlich ein.
Andere Ergebnisse erwartet
Gleichauf lagen die Faktoren Erreichbarkeit, Wartezeit und Sprechstunden. Und das trotz derzeit längerer Wartezeiten unter unangenehmen Begleitumständen wie der Maskenpflicht. „Gerade in den Zeiten von Corona ist das, denke ich, ein interessantes Ergebnis“, meint Dobbelstein. Man habe eigentlich erwartet, dass der Wunsch nach Hygienemaßnahmen auf Platz Eins landen würde.
Was den studierten Wirtschaftswissenschaftler mit Schwerpunkt Markt- und Konsumpsychologie ebenfalls überrascht, sind geschlechterspezifische Ansprüche. „Das Phänomenale für alle erfragten Kriterien ist, dass Frauen deutlich anspruchsvoller sind“, unterstreicht Dobbelstein. Hygiene spielt demnach beim weiblichen Geschlecht eine signifikant wichtigere Rolle als bei den männlichen Studienteilnehmern. Wie die interviewten Privatversicherten legten sie ferner großen Wert auf Atmosphäre, Innen-und Außenarchitektur oder Lichtverhältnisse.
Ältere wünschen sich separaten Wartebereich für Infizierte
Eher erwartbar gestalten sich die Studienresultate rund um das Thema Digitalisierung. Das Nutzen von Q-R-Codes, elektronischen Kartenlesegeräten oder Tablets ist laut Dobbelstein für Personen ab 60 Jahren unwichtig. Diese Altersgruppe wünsche sich vor allem einen „separaten Wartebereich für Infizierte“. Je älter die Befragten, desto wichtiger sei ihnen dieses Anliegen. Für Dobbelstein ist das verständlich. Schließlich zählen die älteren Patienten zur sogenannten Risikogruppe.
Wunsch, persönlich aufgerufen zu werden, weit verbreitet
Ein bisschen verwundert hat ihn hingegen der weitverbreitete Patientenwunsch, persönlich aufgerufen zu werden. Demzufolge ziehen es „62 Prozent der Alten und 43 Prozent der ganz Jungen“ vor, von Arzt oder Sprechstundenhilfe im Wartebereich abgeholt zu werden.
Folgeprojekt an Partnerhochschule geplant
Dobbelsteins Wunsch, „dass sich Ärzte die Studienergebnisse zu Herzen nehmen“, scheint sich schon teilweise zu erfüllen. Immerhin ist bereits im Deutschen Ärzteblatt und bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung darüber berichtet worden.
Ein „Folgeprojekt auf wissenschaftlich höherem Niveau“ ist an der Partnerhochschule der DHBW im südafrikanischen Durban vorgesehen. Diesmal sollen insbesondere die Persönlichkeitseigenschaften im Fokus stehen, die während des Corona-Lockdowns zu Panikeinkäufen geführt haben könnten.