Wer bereits an der Nordseeküste Urlaub gemacht hat, kennt Wattwanderungen. Ganz anders fällt die gleichnamige Wanderung in der Gemeinde Frickingen aus. Der Solartechniker und Unternehmer Gottfried Grundler bietet sie seit 24 Jahren regelmäßig an – kostenlos.

Gern klärt der Gemeinderat der Freien Wähler zu Tourbeginn über das Wortspiel und die Intention dahinter auf. Ursprünglich sei es bei der Tour um Solarstrom gegangen – Watt steht für elektrische Leistung, die „Arbeit“, die Strom in einer Sekunde schafft. Mittlerweile gibt Grundler auf dem rund eineinhalbstündigen Spaziergang auch einen Einblick in die vielseitigen Nachhaltigkeitsaktionen der Gemeinde und der Bürger-Arbeitsgemeinschaften.

Grundlers T-Shirt mit der Aufschrift „No planet B“ zeigt, dass es ihm darum geht, im Kleinen wie im Großen die Lebensräume und die biologische Vielfalt zu schützen und zu erhalten. Denn einen Ersatzplaneten gibt es nicht, sagt Grundler.

Manche kommen schon mit konkreten Fragen

Dieses Mal sind trotz Sommerhitze vier Teilnehmer mit dabei. Lehrer Jonas Tropf ist bereits zum zweiten Mal aus Konstanz angereist, um die Wattwanderung mitzulaufen. Diesmal hat er seine Mutter Ursula aus Sulz am Neckar mitgebracht. Die Uhldingerin Barbara König hat fachliche Fragen zu Photovoltaik-Anlagen und ist ebenfalls bei der Wattwanderung dabei. Grundlers Fraktionskollegin im Gemeinderat, Evelyne Keller, nimmt sich ebenfalls Zeit, um sich über die Aktivitäten rund um Nachhaltigkeit im Ort zu informieren.

Unterwegs auf dem „Holzweg“

Gemeinsam folgt die Gruppe bei der Wattwanderung dem „Holzweg“ der Gemeinde, die seit 40 Jahren öffentliche Gebäude konsequent mit Holz baut. Grundler zeigt als Beispiele die Festhalle aus dem Jahr 1984 und den Rathausbau, der 14 Jahre später entstand. Er erzählt, wie sich aus einer kaputten Heizung in der Schule die Idee entwickelte, private wie kommunale Gebäude per Holzkraftwerk mit Energie zu versorgen.

250 Bürger mieteten vor 24 Jahren Dächer für Solaranlagen an

Die Rede ist auch von 250 Frickinger Bürgern, die nach Erlass der ersten Fassung des Energie-Gesetzes vor 24 Jahren Dächer anmieteten, um darauf Solaranlagen zu bauen. Beim Weiterlaufen macht Grundler Halt an einem der von der Biodiversitäts-AG bepflanzten Kräuterkübel, an denen Vorbeikommende ernten dürfen. Er informiert über die Blühstreifen und das entsprechend angepasste Mähkonzept, den Fahrservice des Linzgau-Shuttles sowie die Zertifizierung des Kinderhauses als „Faire Kita“.

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Viele Fäden laufen bei Koordinatorin zusammen

Jonas Tropf zeigt sich angetan von dem Engagement der Bürger. Der Konstanzer will wissen, wie viele Bürger jeweils in den Arbeitsgruppen sind, was die Projekte der AGs gekostet haben und vor allem wie es möglich sei, dass alle zusammenarbeiten. Gottfried Grundler berichtet von der Koordinatorinnen-Stelle für kommunale Entwicklungspolitik, die im Frickinger Rathaus durch Engagement Global im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert wird. Zwei von dieser Koordinatorin initiierte Nachhaltigkeitswerkstätten später seien die Bürger begeistert ausgeschwärmt, um in ihren AGs Themen wie Dorfputzete, Biodiversität oder verbesserte Mobilität gleich umzusetzen.

Warum funktioniert das Miteinander?

Die Teilnehmer der Wattwanderung zeigen sich ehrlich beeindruckt. Es werde immer viel geredet, aber in Frickingen auch tatsächlich umgesetzt, loben sie. Da sei dann wohl Eigenleistung gefragt, sagt Ursula Tropf. „Durch das Miteinander-Tun kommt etwas in Bewegung“, erklärt Grundler. Dass so viel umgesetzt werde, zeige auch, dass Nachhaltigkeit Spaß mache, meint der Führer der Wattwanderung. Wichtig zum Gelingen ist auch der „gute Draht zum Bürgermeister“, wie Gottfried Grundler hervorhebt. Und nebenbei erwähnt Grundler noch, dass Jürgen Stukle der erste Bürgermeister im Kreis war, der ein E-Auto als Dienstfahrzeug hatte.

Jeder zweite Frickinger nutzt Solarstrom oder Solarwärme

Ein Haus mit Solaranlagen auf dem Dach: Bei der Wattwanderung gibt es viel Information rund um erneuerbare Energien.
Ein Haus mit Solaranlagen auf dem Dach: Bei der Wattwanderung gibt es viel Information rund um erneuerbare Energien. | Bild: Martina Wolters

Zwischendurch aufkommende Fragen wie die, warum E-Tankstellen nicht in normale Tankstellen integriert werden, werden ebenfalls beantwortet. „E-Tankstellen gehören mitten ins Dorf, damit die Leute zwischenzeitlich etwas erledigen können“, lautet die Antwort. Am Ende geht es noch um das Watt im weitesten Sinne. Die Mitwanderer hören auch, dass Frickingen „Solardorf“ genannt wird, weil jeder zweite Einwohner entweder Solarstrom oder Solarwärme nutzt. Neben Verbrauch und Amortisation geht es noch um die Entsorgung von Photovoltaik-Anlagen. “Das Entsorgen ist kostenfrei“, unterstreicht der Fachmann und verweist darauf, dass die enthaltenen Wertstoffe wieder recyclebar sind.