In seiner Sitzung am Montagnachmittag stimmten die Stadträte einstimmig dafür, das Krankenhaus 14 Nothelfer in Weingarten bis September 2021 aufzugeben. Über zweieinhalb Stunden lang debattierte der Gemeinderat über die nach Meinung vieler „bittere“ Entscheidung. Weil der Medizin Campus Bodensee (MCB), zu dem neben dem Klinikum Friedrichshafen auch die Klinik Tettnang und das Haus in Weingarten gehören, immer weiter in die roten Zahlen rutschen, war dieser Schritt notwendig geworden.
Allein für 2019 rechnet die Geschäftsführung mit einem Jahresfehlbetrag von 3,7 Millionen Euro am Weingartener Standort, 2018 waren es 3,8 Millionen Euro. Zu Beginn der Sitzung betonte Oberbürgermeister Andreas Brand, dass sich die Stadt Friedrichshafen der Verantwortung bewusst, die mit dieser Entscheidung einhergehe. „Doch wir müssen uns der Realität stellen“, sagte der OB. Noch einmal betonte er, dass die Entscheidung, 2013 das defizitäre Haus in Weingarten zu übernehmen, „mit dem Wissen von heute“ ein falsche Entscheidung gewesen sei. „Die Kehrtwende ist uns nicht gelungen“, konstatierte der OB.
In der Debatte musste sich Andreas Brand auch kritischen Fragen stellen, die vor allem vom Netzwerk kamen. Philipp Fuhrmann sprach von einem „riskanten Desaster“ und fragte, ob der ehemalige Klinikums-Chef Johannes Weindel ein „Bauernopfer“ sei.
Dem hielt OB Andreas Brand entgegen, dass alle Entscheidungen vor sechs Jahren gemeinsam mit Aufsichtsrat und Geschäftsführung getragen worden seien. „Wir wollten damals mit Wachstum an einem schwieriger gewordenen Krankenhaus-Markt punkten“, erläuterte der OB – Chancen und Risiken seien eingehend geprüft worden. Diese Wachstumsstrategie aber habe sich am Ende für den MCB als „nicht richtig“ erwiesen.
Jürgen Holeksa, Netzwerk-Fraktionschef, forderte den OB unmissverständlich dazu auf, Verantwortung zu übernehmen. „Wir sprechen hier von einem Debakel in zweistelliger Millionenhöhe“, sagte er in seiner Fraktionserklärung und fügte hinzu: „Ein Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrates ist überfällig und geboten.“ Er summierte die Investitionen in das Weingartener Krankenhaus auf etwa 30 Millionen Euro. „Damit haben wir in etwa so viel Geld der Zeppelin-Stiftung in den Sand gesetzt, wie das Sportbad gekostet hat – nur mit dem Unterschied, dass das Sportbad steht und das Krankenhaus in Weingarten schließen muß“, so Holeksa. Er betonte, das Klinikum Friedrichshafen hätte das Krankenhaus 14 Nothelfer niemals kaufen dürfen.
Wolfgang Sigg, Fraktionschef der SPD, und selbst Mitglied des Aufsichtsrats des Klinikums Friedrichshafen, verteidigte die damaligen Entscheidungen zur Schaffung des MCB. „Wir haben damals alles sorgfältig geprüft und wollten vor allem eine höhere Kapazität an Betten schaffen, um die Zukunft des Klinikums zu sichern“, sagte Sigg. „Zur damaligen Zeit haben wir alles richtig gemacht“, so Sigg und fügte noch hinzu: „Niemand kann uns vorwerfen, wir hätten es nicht versucht.“
Auch die anderen Fraktionen waren sich einig, dass die Entscheidung, das Weingartener Haus zu schließen, zwar bitter, aber nötig sei. „Wir haben uns diese Entscheidung sicher nicht leicht gemacht, aber es gibt keine tragbare Alternative“, sagte Norbert Fröhlich (CDU).
Maren Schwarz-Erfurth (Grüne) bedankte sich vor allem beim Personal des MCB, das „das Herz des Klinikums sei“. Auch sie betonte, dass die Schließung schmerzlich, aber alternativlos sei. „Wichtig ist es nun, den Prozess transparent zu gestalten und die Mitarbeiter auf dem Weg mitzunehmen“, sagte sie.
Dagmar Hoehne (Freie Wähler) stellte fest, dass nach nüchterner Betrachtung aller Fakten die Schließung „alternativlos und konsequent“ sei, so schmerzlich diese Entscheidung auch sei.
Markus Steybe von der FDP betonte, dass es nun einzig darum gehe, nach vorne zu schauen. Sylvia Hiß-Petrowitz (ÖdP) kritisierte die Bundespolitik. „Die hat die Krankenhäuser in Deutschland kaputt gespart. Und wir müssen diese Misere jetzt ausbaden“, sagte sie. Doch die Entscheidung berge auch Chancen, den Standort in Weingarten für andere Gesundheitseinrichtungen zu nutzen, etwa einer Tagespflege oder einem Geburtshaus.
Für Diskussionen sorgte auch die Schließung der Gynäkologie und Geburtshilfe in Weingarten schon ab Anfang 2020. Christine Heimpel (Grüne) bewertete diese Entscheidung als unbefriedigend. „Schon jetzt gibt es zu wenig Kreissäale in der Region“, sagte sie und bekam dafür Beifall aus dem Zuschauerraum.
Am Ende fiel die Entscheidung, das defizitäre Krankenhaus in Weingarten zu schließen, einstimmig. Die Mitarbeiter, die dort arbeiten, bekommen eine Jobgarantie innerhalb des MCB. Fraglich ist aber, wie viele das am Ende annehmen werden – die Gespräche dazu sind bereits angelaufen.
Landkreis soll zahlen
Nun wird der MCB also ohne Weingarten weiter machen. In Richtung des Landkreises fand OB Andreas Brand deutliche Worte. „Wir senden das Signal und die Bitte an den Bodenseekreis, sich künftig finanziell am MCB zu beteiligen.“ Der Bodenseekreis ist mit fünf Prozent am Krankenhaus Tettnang beteiligt, sieht derzeit aber keinen Handlungsbedarf. Der Kreis sei erst gefordert, wenn die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung durch andere Träger nicht sichergestellt sei, sagt Kreissprecher Robert Schwarz. Kühl fügt er hinzu: „Diese Forderung hat uns überrascht. Bis heute gab es dazu keinerlei Gespräche zwischen der Kreisverwaltung und der Stadt Friedrichshafen.“