Mit Fahnen und Fanfaren wurde 1976 das Flugzeug begrüßt, das die beiden Goldmedaillengewinner von Montreal zurück nach Friedrichshafen brachte.

1976: Friedrichshafen bereitet den Olympiasiegern Jörg und Eckart Diesch einen rauschenden Empfang. Am Flughafen wurden sie mit Fahnen ...
1976: Friedrichshafen bereitet den Olympiasiegern Jörg und Eckart Diesch einen rauschenden Empfang. Am Flughafen wurden sie mit Fahnen und Fanfaren abgeholt. | Bild: privat

Vom Flugplatz bis zur Altstadt säumten Häfler die Straßen, dicht gedrängt füllten Bürger aller Altersklassen den Adenauerplatz. Geschäfte und Firmen blieben geschlossen.

Großer Bahnhof für Jörg und Eckart Diesch: Ganz Friedrichshafen war auf den Beinen, um seine Olympiasieger in Empfang zu nehmen.
Großer Bahnhof für Jörg und Eckart Diesch: Ganz Friedrichshafen war auf den Beinen, um seine Olympiasieger in Empfang zu nehmen. | Bild: privat

Monatelang wurde Eckart Diesch auf Händen getragen, war wichtig, wurde gehört, woraus sich für ihn auch Verantwortung ergab. „Wir wissen hier, was Sie in den Erwerb des Olympischen Goldes investiert haben: jahrelange, harte Arbeit, Opfer an Zeit und Mühen aller Art, Bereitschaft zu manchem Verzicht auf Vergnügen...“, sagte der damalige Oberbürgermeister Max Grünbeck in seiner Festansprache am 3. August 1976 an die erfolgreichen Segler gerichtet.

Die Deutsche Olympia-Mannschaft 1976 in Kingston, dem Segelrevier der Spiele von Montreal.
Die Deutsche Olympia-Mannschaft 1976 in Kingston, dem Segelrevier der Spiele von Montreal. | Bild: privat

44 Jahre später sitzt Eckart Diesch in Seemoos, genau an jenem Platz, an dem 1966 seine seglerische Karriere ihren Anfang nahm, und muss schmunzeln. „Nicht, dass wir es damals nicht ernst genommen hätten“, sagt er. Aber verglichen mit der heute üblichen Vorbereitungszeit, um gegen die Konkurrenz zu bestehen, sei der Olympiasieg bei ihm und seinem Bruder eher ein Zufallsprodukt gewesen.

Zwar waren die beiden bis dahin in allen möglichen Bootsklassen sehr aktiv gewesen, aber erst drei Jahre vor den Spielen, Eckart Diesch war damals 19 Jahre alt, bekamen sie als Nachwuchsmannschaft die Gelegenheit, eine olympische Jolle, einen Flying Dutchman (FD), beim Deutschen Seglerverband zu mieten. Spontan erfolgreich, beknieten sie ihren Vater, ihnen ein solches Boot zu kaufen.

In der Klasse des „Flying Dutchman“, dem „Fliegenden Holländer“, waren Jörg und Eckart Diesch dreimal für die ...
In der Klasse des „Flying Dutchman“, dem „Fliegenden Holländer“, waren Jörg und Eckart Diesch dreimal für die Olympischen Spiele qualifiziert. | Bild: privat

Im Frühjahr 1974 war es soweit. Die Eltern knüpften ihre Förderung jedoch an die Bedingung, das Studium nicht zu vernachlässigen. Eckart studierte Zahnmedizin, sein Bruder wollte Arzt werden. Nur ein Semester setzten sie aus. Aber im Gegensatz zu vielen Seglern der damaligen Zeit, die nur im Sommer trainieren gingen, reisten die beiden das ganze Jahr Wind und Wärme hinterher und verschafften sich so mit viel Spaß den entscheidenden Trainingsvorsprung.

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Sponsoren, wie heute üblich, gab es damals nicht. „Wir fuhren einen alten VW, ernährten uns von Konserven und Vater drückte uns ab und zu 300 Mark in die Hand“, erzählt Eckart Diesch. Zu ihrem Segelmacher sowie dem Boots- und Mastenbauer pflegten sie ein freundschaftliches Verhältnis und bekamen so manches umsonst. Getrieben von der Sucht nach Erfolg – über die Werte von Olympischen Spielen hatten sie in ihrem jugendlichen Alter noch gar nicht nachgedacht – flogen ihnen die Siege zu.

Den Seglern Eckart und Jörg Diesch wird 1976 die Goldmedaille verliehen.
Den Seglern Eckart und Jörg Diesch wird 1976 die Goldmedaille verliehen. | Bild: privat

„Wenn die Zeit der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele ein Opfer ist, sollte man es besser bleiben lassen“, ist Eckart Dieschs Überzeugung. Denn die Chance, seine Leidenschaft zu leben, die Welt zu bereisen, über Grenzen hinweg Freundschaften zu schließen, bei Erfolg nicht abzuheben und trotz Misserfolg weiterzumachen, das habe einen positiven Einfluss auf die Entwicklung eines Menschen. Deshalb sei der Weg nach Olympia immer bereichernd, „selbst wenn am Ende der Punkt nicht aufs i kommt“, wie er sagt.

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Wie 1980. Am letzten Tag der letzten Qualifikationsregatta am 15. Mai gingen Eckart Diesch und sein Bruder Jörg als Sieger und mit der Qualifikation für die Spiele in Moskau in der Tasche über die Ziellinie, als die Botschaft verkündet wurde. Deutschland hatte sich dem US-Boykott der Olympischen Spiele in Moskau angeschlossen. „Das war eine große Enttäuschung“, erinnert sich der Segler. „Wir hatten damals gute Chancen, unseren Erfolg von 1976 in Tallinn zu wiederholen.“ Das Trostpflaster, die offizielle Bekleidung, Sonnenhüte und eine kleine finanzielle Entschädigung, änderten daran erst einmal nichts.

Mit der Luxusyacht von Franz Burda segelte Eckart Diesch mit seinem Bruder zwei Jahre lang um die Welt.
Mit der Luxusyacht von Franz Burda segelte Eckart Diesch mit seinem Bruder zwei Jahre lang um die Welt. | Bild: privat

Als er mit seinem Bruder in diese zweite Kampagne gegangen war, hatten beide bereits promoviert und leisteten ihren Wehrdienst als Stabsärzte bei der Bundeswehr. Im Gegensatz zu früher eine komfortable Situation mit optimalen Trainingsbedingungen und einem netten Gehalt, wie sich Eckart Diesch erinnert.

World Cups und Weltumseglung

Trotz der herben Enttäuschung liefen die beiden nicht lange mit hängenden Köpfen durch die Welt. Denn plötzlich hatten sie den Sommer frei und bekamen die Gelegenheit, mit Franz Burda, Sohn des Gründers des Burda-Verlags, auf dessen großer Yacht einen World Cup bei Sardinien zu segeln. Es entwickelte sich eine enge Freundschaft, auf deren Basis Burda den beiden Diesch-Brüdern die Luxusyacht für eine zweijährige Weltumsegelung überließ.

Gleichzeitig heuerte sie der Kunststofffabrikant Willi Illbruck für den Admiral‘s Cup, die damals bedeutendste Hochsee-Regatta, auf seiner „Pinta“ an. So gingen Türen auf, die bei der Jagd nach Gold vor Tallinn wohl verschlossen geblieben wären.

Platz fünf bei Olympia 1984 in Los Angeles

Bei den Spielen vier Jahre später, 1984 in Los Angeles, war den beiden das Glück nicht mehr hold. Der Wind verhielt sich nicht wie geplant und sie belegten nur den fünften Platz. Hatte man ihnen acht Jahre zuvor noch ein eigenes Flugzeug geschickt, waren sie diesmal froh, dass sie von einer Freundin vom Flughafen abgeholt wurden.