„So etwas gab es bei uns noch nie“, sagt Ulrike Weiß. Die Gesamtkirchenpflegerin der katholischen Kirche Friedrichshafen bekam am Montagvormittag den Bescheid über 40 kranke Kinder im Kindergarten St. Columban – von insgesamt 67 Sprösslingen. „Zwei Drittel der Kinder hatten Fieber und blieben deswegen Zuhause. Im Verlauf des Tages mussten wir drei weitere Kinder nach Hause schicken, weil sie ebenfalls Fieber bekamen“, erzählt Weiß.

Für sie sei das ein ungewöhnlicher Fall gewesen, so die langjährige Kirchenpflegerin. Deswegen schaltete sie das Gesundheitsamt ein. „Wir durchleben gerade mit dem Coronavirus eine Situation, in der man als Kindergartenträger umsichtig sein muss. Woher wissen wir, ob es eine harmlose Erkältungswelle ist?“, sagt Weiß. Umso verständnisloser blicke sie auf die Reaktion des Gesundheitsamtes: Das Amt sehe aktuell keinen Anlass, die erkrankten Kinder auf das Coronavirus testen zu lassen.

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Arzt entscheidet über Corona-Tests bei betroffenen Kindern

Robert Schwarz, Pressesprecher des Landratsamt Bodenseekreises, nimmt dazu Stellung: „Unsere Information an die Kindergartenleitung: Die Differentialdiagnostik und die Entscheidung über einen eventuellen Corona-Test muss der Haus- oder Kinderarzt treffen.“ Ein Anlass, Corona-Tests durch das Gesundheitsamt anzuordnen, bestehe laut Schwarz aktuell nicht.

Das Amt geht ihm zufolge von verschiedenen Faktoren aus, die zu einer „allgemein wahrgenommenen Häufung von Atemwegssymptomen“ – vor allen bei Kindern – führen. Und die aktuelle Wetterlage mit immer wiederkehrenden Kälteeinbrüchen könne diese Beobachtungen verstärken. Eine weitere mögliche Ursache: „Es ist nicht auszuschließen, dass die mehrmonatige Kontaktreduzierung nun beim Treffen vieler Menschen zu einem gehäuften Infektionsgeschehen beiträgt.“

Gesundheitsamt empfiehlt Schließung der Einrichtung nicht

Pressesprecher Schwarz betont, dass die Menschen derzeit wegen der Corona-Pandemie bereits kleinen Symptomen einer Krankheit höhere Aufmerksamkeit schenken würden als in der Vergangenheit. Weil das Gesundheitsamt aktuell nicht von einer Corona-Erkrankung im Kindergarten ausgehe, habe es keine Schließung der Einrichtung empfohlen.

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Dennoch entschied sich Ulrike Weiß am Montag, den Kindergarten St. Columban für zwei Tage zu schließen. „Wir tragen am Ende die Verantwortung. Das war mir einfach eine Nummer zu groß.“ Am Donnerstag soll der Kindergarten an der Rotach planmäßig wieder öffnen. Weiß erklärt, dass sie sich damit an die momentan geltenden Regeln der katholischen Kirche als Träger des St.-Columban-Kindergartens halte. „Es ist nichts Neues, dass die Kinder eine 48-stündige symptomfreie Karenzzeit einhalten müssen, bevor sie den Kindergarten wieder besuchen. Das handhaben wir während der ganzen Corona-Krise bereits so.“

Erzieherinnen lassen sich freiwillig auf das Virus testen

Einige Erzieherinnen hätten sich am Montagnachmittag freiwillig beim Arzt auf das Corona-Virus testen lassen. Die Ergebnisse der Tests liegen noch nicht vor. Auch auf Rückmeldungen der Eltern, wie es den Kindern geht, wartet Ulrike Weiß. Das Gesundheitsamt bleibe, so Robert Schwarz, im Kontakt mit dem Kindergarten und bewerte die Situation anhand aktueller Informationen weiterhin jeweils neu.

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Blickt Gesamtkirchenpflegerin Weiß auf Häufungen von Krankheitsfällen in den vergangenen Jahren zurück, fällt ihr auf, dass es noch nie „so schlimm“ gewesen sei. „Grippewellen gibt es jedes Jahr, auch im Sommer. Das ist ganz normal, gerade bei Kindern“, erzählt sie. „Die Krankheitsfälle häufen sich aber eigentlich über mehrere Tage bis Wochen an – nicht an einem einzigen Tag auf einen Schlag.“ Beispielsweise sei der Kindergarten vor einigen Jahren wegen einer Ausbreitung des Norovirus kurzzeitig geschlossen worden. Weiß erinnert sich, dass diese Schließung allerdings in Kooperation mit dem Gesundheitsamt beschlossen wurde.

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Situation im Kindergarten St. Columban bisher ein Einzelfall

In den städtischen Kindergärten gibt es nach Auskunft der Stadtverwaltung derzeit keine auffälligen Krankheitsfälle. „Wir haben heute aufgrund der Meldung am Montag per Mail alle Leitungen der städtischen Kitas, die Träger der nicht-städtischen Kitas und die Schulleitungen gebeten, uns sofort zu informieren, sollte es zu gehäuften Krankmeldungen kommen“, erklärt Monika Blank, städtische Pressesprecherin, auf Nachfrage des SÜDKURIER. Sollte es in einem Kindergarten Auffälligkeiten ergeben, werde die Stadt gemeinsam mit dem Gesundheitsamt entscheiden, welche Maßnahmen sinnvoll sind. „Das kann je nach Lage von vorsorglicher Quarantäne einzelner Gruppen bis hin zur Schließung von Einrichtungen gehen“, sagt Blank.

Auch in den Häfler Kindergärten der evangelischen Kirche gibt es derzeit keine Häufung der Krankmeldungen. „Es hält sich alles im normalen Rahmen“, sagt Kirchenpfleger Robert Algner. Wie viele Kinder derzeit krank sind, könne er jedoch nicht sagen. Würde in den kommenden Tagen oder Wochen eine Vielzahl an Sprösslingen erkranken, sei man vorbereitet. „In einem solchen Fall kontaktieren wir als erstes das Gesundheitsamt„, so Algner. Als Kindergartenträger könne die Kirche Eltern in Krankheitsfällen Empfehlungen geben, jedoch keine Vorschriften machen. „Das ist Sache des Gesetzgebers.“