Der Abwasser-Skandal am Bodenseeufer führte zu Brechdurchfall, einer Salmonellen-Vergiftung und mehreren Norovirus-Infektionen. Aber wie konnte es zu der Verunreinigung kommen?
- Drei Tage lang lief Klinik-Abwasser in den Bodensee
- Die Zahl der gemeldeten Erkrankungen schoss innerhalb einer Woche auf 194
- Immer wieder droht Ekel-Alarm am Ufer
14-Jähriger infiziert sich mit Salmonellen
Die Mutter eines 14-jährigen Jungen, der sich mit Salmonellen ansteckte, meldete sich beim SÜDKURIER. „Mein Sohn war am Montag, 22. Juli 2019, in Fischbach baden. Am Mittwoch begann er zu fiebern, dann hatte er Brechdurchfall. Das Ganze war so schlimm, das uns der Arzt am Freitag ins Klinikum schickte – zunächst mit Verdacht auf Blinddarm-Entzündung“, erzählt Susanne Maasch.
Als sich diese Diagnose als falsch entpuppte, drängte sie darauf, weitere Untersuchungen durchzuführen. „Dabei kam dann heraus, dass er sich mit Salmonellen infiziert hatte“, erzählt sie. Ihr 14-jähriger Sohn wurde später zwar aus dem Krankenhaus entlassen, sei aber weiterhin krank und geschwächt gewesen, erzählte die besorgte Mutter. Sie war sich bereits zu diesem Zeitpunkt sich sicher, dass noch viel mehr Fälle in den kommenden Tagen bekannt werden würden.
Wegen der Verunreinigungen herrschte Badeverbot
„Sowohl Norovirus als auch Salmonellen sind typische Erreger im Zusammenhang mit fäkalen Verunreinigungen und sind daher ständig da“, erklärt Robert Schwarz. In Wasserproben waren stark erhöhte Werte von Kolibakterien nachgewiesen worden. Daher herrschte ein Badeverbot am Manzeller Freizeitgelände, im Frei- und Seebad Fischbach, in Seemoos sowie am gesamten Fischbacher Ufer.
Die Keime gelangten durch den Buchenbach ins Wasser, der direkt an der Badestelle am Manzeller Freizeitgelände in den Bodensee mündet. Hier floss über mehrere Tage eine braune, stinkende Brühe in den See, es handelte sich um Fäkalien und anderem Schmutzwasser aus der Kanalisation, an die auch das Klinikum angeschlossen ist.
Auf die Frage des SÜDKURIER, ob die Keime aus dem Krankenhaus-Abwasser stammen könnten, verwies das Landratsamt auf die Gesetzeslage. „Es ist völlig normale Praxis, dass Klinik-Bauchwasser über die örtliche Kanalisation abgeleitet wird“, so Robert Schwarz.
Rückhaltebecken hätte längst saniert werden sollen
In diesem Fall lief ein Rückhaltebecken (RÜB 4) über, das schon 2016 mit Sensoren hätte ausgestattet werden sollen. Doch die Stadt stellte den Umbau wegen schlechter Ausschreibungsergebnisse zurück, teilte die Pressestelle am Montag auf Nachfrage mit. Dabei ist die wasserrechtliche Genehmigung befristet und mit Auflagen verbunden. „Für das RÜB 4 wurde der Einbau einer Messtechnik gefordert“, so das zuständige Landratsamt.
Beschwerden gab es schon 2015
Schon im September 2015 meldete jemand auf der Seite „Sag‘s doch“, dass der See neben dem Fischbacher Strandbad durch Klopapier, Kleenex und Tampons verunreinigt sei. „Das Ganze ist natürlich unappetitlich aber hoffentlich nicht gesundheitsschädlich“, hieß es dort. Die Stadt antwortete darauf so: „Im genannten Bereich befindet sich ein Regenüberlaufbecken. Dieses hat am Abwasser, das aufgrund der extremen Regenfälle nicht zwischengespeichert werden konnte, in den See entlastet. Dafür wird derzeit eine Lösung erarbeitet.“
Fragen bleiben unbeantwortet
Die Pressestelle der Stadt antwortete nicht auf weitere Nachfragen zum Thema RÜB 4. So bleibt unklar, wann die Ausschreibung erfolgte, seit wann die Problematik einer Verunreinigung des Sees bekannt ist und warum bisher in der Sache nichts unternommen wurde. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg ermittelte wegen Gewässerverunreinigung und fahrlässiger Körperverletzung.
Infektionen über Wasser
Erreger können beim Baden in verunreinigten Gewässern oder bei Genuss von nicht aufbereitetem Wasser übertragen werden. Neben Salmonellen gehören auch andere Durchfall-Bakterien wie Campylobacter oder Kolibakterien zu den Erregern, die über Fäkalien ins Wasser geraten können. Die EU-Badegewässer-Richtlinie sieht vor, dass alle zwei Wochen Wasserproben genommen werden. Untersucht werden Kolibakterien und Enterokokken.
Das Infektionsschutzgesetz und die Trinkwasserverordnung sorgen dafür, dass bei der Wasseraufbereitung strenge Kontrollen die Qualität des Trinkwassers sichern. Das gilt auch für den Bodensee, der als Trinkwasserreservoir für fünf Millionen Menschen dient und dem regelmäßig höchste Qualität bescheinigt wird. Die nächste Entnahmestelle ist weit weg von dem betroffenen Uferabschnitt.