Samstagabend. Ich will mit ein paar Freundinnen tanzen gehen. Wohin, Herr Günes?
Ja, das ist schwierig hier in Friedrichshafen. Für Leute ab 25 bis 50 Jahre gibt es kaum etwas. Da muss man schon Glück haben, dass gerade etwas los ist. Ich würde mal schauen, was die Caserne im Fallenbrunnen zu bieten hat.
War das Nachtleben vor ein paar Jahren noch anders?
Als ich hier vor vielen Jahren als DJ angefangen habe, war das anders. Die Auflagen waren nicht so hoch, die Anwohner noch entspannter. Heute herrscht da weniger Toleranz. Bis vor einigen Jahren gab es viel mehr Orte, an denen gefeiert wurde. Beispielsweise das Metro, das ZK, später Etage Eins. Das Metro gibt es heute noch, aber es ist vor allem für die jüngere Generation. Der Betreiber versucht, auch Ältere zu erreichen, aber das wird im Moment eher schlecht angenommen. Dabei gibt es dort eigentlich auch Ü-30-Parties.
Sind Großraumdiskos nicht total out?
Ja, klassische Diskotheken sterben aus. Das ist ein bundesweiter Trend. Die Menschen wollen nicht mehr den ganzen Abend mit einem Getränk in der Hand rumstehen. Sie wollen einen Drink, einen Cocktail in entspannter Atmosphäre haben, dazu vielleicht ein bisschen Fingerfood. Sie wollen quatschen, sich nach der Arbeit treffen. Dazu legt ein DJ Loungemusik auf. Am Wochenende wird getanzt.
An Bars fehlt es in Friedrichshafen aber auch.
Klar, und ich glaube das wird in der Innenstadt auch nichts mehr. Wo getrunken und gefeiert wird, wird es laut. Das Problem ist ja meistens nicht die Lautstärke in den Bars, sondern eben der Moment, wenn die Gäste die Bar verlassen. Zum Rauchen oder um weiter zu ziehen. Das nervt die Anwohner und die wehren sich immer lauter. Die Stadtverwaltung will die Beschwerden nicht und bremst deshalb auch aus, dass Neues in der Innenstadt entsteht.
Wie meinen Sie das?
In Friedrichshafen ist die Gastronomie in der Innenstadt in der Hand von wenigen Einzelnen. Angebliche Profis, die gleich mehrere Lokale besitzen und mit Gastro-Unternehmen agieren. Wer sonst kann sich Pachten von 6000 Euro monatlich leisten? Diese wenigen haben scheinbar einen guten Draht zur Stadtverwaltung, sie bekommen den Zuschlag, wie beispielsweise beim Bahnhof Fischbach.
Das heißt, junge Gastronomen haben kaum eine Chance?
Genau. Den Nachwuchsgastronomen wird das Leben schwer gemacht. Die Auflagen sind hoch, die Bürokratie ist groß und die Verwaltung unnachsichtig und wenig kompromissbereit. So beherrschen eben wenige Große die Szene – und das ist auf Dauer langweilig. Eine Kneipenszene wie Ravensburg sie beispielsweise hat, funktioniert aber anders. Sie ist individueller, vielschichtiger. In Friedrichshafen haben die kleinen Gastronomen und Neustarter keine Chance, sich zu etablieren. Dabei wären genau sie so dringend nötig, um Friedhofshafen zu begraben.
Fehlen dazu nicht auch Locations?
Wir haben eine wunderbare Uferpromenade mit vielen Eisdielen, die das halbe Jahr geschlossen haben. Es gäbe also Möglichkeiten. Außerdem wäre im Uferpark viel Platz für improvisierte Bars und Treffpunkte. Friedrichshafen hat den See, aber die Beach-Bar ist viel zu klein. Und es gibt nicht mal Sand. Waren Sie mal in der Ravensburger Beach-Bar? Die haben keinen See. Warum nutzen wir das Potential nicht? Friedrichshafen ist oft nicht sonderlich zeitgemäß und kreativ.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Nehmen wir den Schlemmermarkt am Samstag auf dem Adenauerplatz. Das Konzept ist völlig veraltet. Da stehen nach dem Markteinkauf ein paar ältere Semester und trinken Wein, dabei könnte man das Ganze viel stärker beleben. Trend sind heute Streetfood-Märkte. Da gibt es verschiedene Essensstände, auch Außergewöhnliches, Live-Musik und DJs und die Leute halten sich einige Stunden auf. Ich persönlich fahre etliche Kilometer, um sowas zu erleben. Beispielsweise gibt es in Schaffhausen oder Bregenz regelmäßig Streetfood-Märkte.
Aber in Friedrichshafen findet am zweiten Oktoberwochenende ja auch ein Streetfood-Markt statt.
Ja, endlich. Der kommt für eine Stadt wie Friedrichshafen einige Jahre zu spät. Und dann wird er auch noch auf einen Parkplatz am Stadtrand verbannt. Aber es ist ein guter Schritt, dass der Markt überhaupt stattfindet. Stellen Sie sich mal vor, wie so ein Marktevent am Samstag die Innenstadt beleben würde. Davon würden alle profitieren.
Was ist mit dem Fallenbrunnen? Kann er sich als Veranstaltungsort etablieren?
Das Kulturbüro und der Verein Kulturhaus Kaserne machen beide tolle Arbeit. Damit noch mehr Leute hingehen, müssten sich noch mehr Events etablieren. Der Fallenbrunnen hat nun mal Stadtrandlage. Da muss man schon sehr viel bieten und sehr stark auf sich aufmerksam machen, dass die Menschen rausfahren. Es ist viel geplant und alle geben sich große Mühe. Das wird hoffentlich klappen.
Was ist Ihre Vision für ein belebtes Friedrichshafen?
Samstagabend, wir gehen aus und haben die Auswahl. Zuerst gehen wir in eine Bar in der Innenstadt, Glasfront zum See, Blick auf das Wasser. Es gibt gute Drinks, Tapas. Danach geht es im Fallenbrunnen weiter und wir feiern bis morgens.
Zur Person
- Der Mensch: Vedat Günes ist 1976 in Igdir/Türkei geboren. Mit einem Jahr kam er nach Deutschland, wuchs in Rothenburg ob der Tauber auf und zog mit 26 Jahren des Jobs wegen an den Bodensee. Bereits mit 17 Jahren legte er in Clubs auf. Die Musik, die in den Clubs der US-Soldaten in Rothenburg gespielt wurde, prägte ihn.
- Der DJ: Seine Spezialität am Plattenteller: Black, R‘n‘B‘, Soul, Funk, Deep House, aber auch 80er/90er-Jahre-Musik. Bei Helene Fischer verweigert er sich. Meist legt er im Kulturhaus Caserne im Fallenbrunnen und im Schloss Montfort in Langenargen auf. Im Hauptberuf arbeitet er bei einem Häfler Großunternehmen. Mehr: http://www.facebook.http://com/djvguenes (sab)
Zur Serie
An der SÜDKURIER-Umfrage „Jetzt mitreden“ nahmen 329 Leser aus Friedrichshafen und Immenstaad teil, 159 SÜDKURIER-Abonnenten und 170 Nicht-Abonnenten. Wir in der Häfler Lokalredaktion waren gespannt auf die Ergebnisse. Viele Umfrageteilnehmer treibt das Thema #Friedhofshafen um. Gerade für jüngere Menschen müsse viel mehr Angebot her, hieß es immer wieder. Abends sei in der Zeppelinstadt „der Hund begraben“, es bedürfe mehr Mitspracherechte für die Unter-30-Jährigen, und es müsse insgesamt mehr Nachtleben in der Stadt geboten sein. In einer lockeren Serie befassen wir uns nun mit diesem Thema, das viele Menschen umtreibt. (mom)