Harald Lachmann

Es ist eine Sache für Logistik-Spezialisten: Der Transport der 1977 entführten Lufthansa-Maschine Landshut von Fortaleza in Brasilien nach Friedrichshafen. Die Boeing 737 wurde zerlegt und landet an diesem Samstagmorgen auf dem Bodensee-Airport. Verpackt ist sie im Bauch zweier russischer Frachtmaschinen: Der Rumpf landet in einer riesigen Antonow An-124; Tragflächen, Leitwerk und Triebwerke mit einer ebenfalls vierstrahligen Iljuschin IL-76. Übernommen hat den Transport eine in Sachsen beheimatete Firma – die Ruslan Salis GmbH mit Sitz am Flughafen Leipzig/Halle. Die Tochter der russischen Frachtfluggesellschaft Volga-Dnepr Airlines verfügt über die nötige Luftflotte. Dazu gehören allein zwölf An-124.

Für das Ver- und Entladen der „Landshut“ bietet die An-124 einen großen Vorteil: Sie kann von vorn wie von hinten beladen werden. Die Rumpfnase wird einfach nach oben geklappt. Auch die vier Bordkrane – jeder auf fünf Tonnen ausgelegt – verraten einiges über das potenzielle Transportgut im 1000 Kubikmeter großen Frachtraum. Gleich fünf kleinere Hubschrauber fänden darin Platz. Die An-124 – zu der es mit der An-225 ein noch etwas größeres Modell als Prototyp gibt – ist konkurrenzlos. In den vergangenen 15 Jahren landeten die Transporter auf 900 Flughäfen in 140 Ländern.

Auf der Seite von Flightradar24.com können Sie den Flug der Transportmaschine nach Friedrichshafen verfolgen.

Deutschland ist Dauerkunde bei Ruslan Salis. Die Bundeswehr, die solch große Transportmaschinen nicht besitzt, buchte dort für dieses Jahr 1080 Flugstunden für die An-124, um Material in weit entfernte Gebiete im Ausland zu bringen. Basis ist die Zusammenarbeit der Nato mit dem Unternehmen. Das Militärbündnis vereinbarte 2006 einen ersten Nutzungskontrakt für die russischen Riesenvögel und verlängerte diesen ständig – zuletzt de facto unbefristet. Zumindest deutet darauf die ausgeschriebene Bezeichnung der Abkürzung „Salis“ hin. Denn verbarg sich dahinter ursprünglich die Sprachformel „Strategic Airlift Interim Solution“, was auf eine Übergangslösung verwies, ist in dem Ende 2016 erneuerten Papier von „Strategic Airlift International Solution“ die Rede.

Indes war Ruslan Salis bis dahin noch eine russisch-ukrainische Firma. Seit 2017 gehen die beiden vormaligen Partner – die Volga-Dnepr Airlines im russischen Uljanowsk und der ukrainische Staatsbetrieb Antonov Design Bureau in Kiew – getrennte Wege. Damit schloss auch die Nato mit beiden Unternehmen getrennte Verträge ab. Die Leipziger Ruslan Salis GmbH ist dabei mit zwölf An-124 im Geschäft, die Ukrainer mit sieben Maschinen. Das dürfte sowohl der größeren Flotte der Russen geschuldet sein als auch deren günstigeren Preisen. Laut Insidern kalkulieren sie die Flugstunde mit 23 300 Euro – und damit gut ein Drittel günstiger als die Ukrainer. Vor allem russische An-124 waren es denn auch, die Ende 2016 militärisches Material an die kurdischen Peschmerga-Milizen im Nord-Irak lieferten.

Das russische Schwesterunternehmen Volga-Dnepr Technics GmbH, das ebenfalls am Flughafen Leipzig/Halle sitzt, betreibt hier zugleich einen der größten Wartungshangars Europas. Mit 8500 Quadratmetern Grundfläche kann er vier kleinere Airbus-320-Passagierjets aufnehmen, jedoch nur eine An-124-100. Nicht nur alle Antonows der russischen Unternehmensgruppe werden hier entsprechend der vorgeschriebenen Pflichtintervalle gecheckt, sondern auch Boeing-Maschinen. Errichtet wurde die 17,7 Millionen Euro teure Halle durch den Flughafen. „Und wir haben sie dann für 30 Jahre gepachtet, bis 2042“, unterstreicht Ildar Iliyasov, Geschäftsführer von Volga-Dnepr Technics, die Langfristigkeit dieses russischen Engagements. Damit entstanden in Sachsen 130 Arbeitsplätze.
 

Die Transportriesen

  • Antonow An-124-100: Der „Ruslan“ („Löwe“) ist das größte serienmäßig hergestellte Frachtflugzeug der Welt. Es misst 69 Meter in der Länge, bei einer Spannweite von 73 Metern. Es kann bis zu 120 Tonnen tragen. 56 Maschinen wurden von dem 1986 eingeführten Modell bis 2004 gebaut, meist im russischen Uljanowsk. Das Plus besteht in der Vielseitigkeit. Obwohl als Militärmaschine konzipiert, eignet sie sich für den Transport ziviler Güter, wie Yachten, Generatoren, Öl- und Gasausrüstungen. Jeder dritte Satellit der Welt wurde mit einer An-124-100 zum Startort gebrach. Das Fahrwerk ermöglicht Landungen auf Graspisten und auf Schnee.
    Auf dem Bild von 2007 hat die An-124 in Friedrichshafen die hintere Ladebucht geöffnet, um einen Satelliten in einem Container ...
    Auf dem Bild von 2007 hat die An-124 in Friedrichshafen die hintere Ladebucht geöffnet, um einen Satelliten in einem Container aufzunehmen. Bild: dpa
  • Iljuschin IL-76: Sie wurde in den 70er-Jahren fürs Militär entwickelt, ist mehr als 46 Meter lang, bei einer Spannweite von mehr als 50 Metern. Die maximale Nutzlast liegt – je nach Version – zwischen 40 und 60 Tonnen. Die Il-76 kann bis zu 750 km/h schnell fliegen. (lam/mic)
    Eine Transportmaschine vom Typ Iljuschin IL-76 landet auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Trollenhagen bei Neubrandenburg, um Material für ...
    Eine Transportmaschine vom Typ Iljuschin IL-76 landet auf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Trollenhagen bei Neubrandenburg, um Material für Afghanistan aufzunehmen. Bild: dpa | Bild: Stefan Sauer