„Ich hatte den Finger am Abzug!“ Als die Schwurgerichtskammer am vierten und letzten Prozesstag einen weiteren Polizeibeamten vernimmt, werden die dramatischen Szenen noch einmal rekapituliert. Der Bundespolizist war in der Nacht vom 6. auf den 7. Dezember 2024 in Friedrichshafen zu einem Einsatz gerufen worden.
Vor Gericht musste die Frage geklärt werden, was sich in dieser Nacht zugetragen hat. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat ein inzwischen 37-Jähriger versucht, aus niedrigen Beweggründen einen Taxifahrer, den er nicht bezahlen wollte, mit einem Messer zu töten und anschließend Polizisten angegriffen. Die Anklage lautete auf versuchten Mord in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung.
Polizist: „Es bestand Lebensgefahr“
„Wir wussten, dass es einen Vorfall mit einem Messer gegeben haben soll“, sagte der Bundespolizist aus. Vor Ort habe ihnen der Taxifahrer signalisiert, dass er Hilfe brauche. Er habe panisch gewirkt. „Ich habe meine Dienstwaffe in die eine, die Taschenlampe in die andere Hand genommen“, so der Polizist. Er schilderte, wie der Einsatz ablief und der Angeklagte sich schließlich mit einem Messer auf einen Beamten zubewegt habe. „Für meinen Kollegen bestand Lebensgefahr“, erklärte er auf Nachfrage des Richters, wie er die Situation eingeschätzt habe.
Staatsanwalt Florian Brütsch hob in seinem Schlussplädoyer hervor, dass der Angeklagte den Taxifahrer mit einem Messer bedroht, ihn verfolgt und mehrere Stichverletzungen ausgeführt habe. Zudem soll er gedroht haben, ihn zu töten. Beim anschließenden Polizeieinsatz habe er sich mit einem Klappmesser auf den Beamten zubewegt und „mindestens zwei Stichbewegungen“ ausgeführt. Die Staatsanwaltschaft sah hier niedrige Beweggründe und wertete die Tat als versuchten Mord. Hinzu komme unter anderem der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie ein tätlicher Angriff auf diese. Angesichts des Blutalkoholwerts von zwei Promille sei von einer verminderten Schuldfähigkeit auszugehen. Brütsch forderte eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten.
Verteidiger Uwe Rung verwies hingegen auf unterschiedlich lautende Aussagen dazu, ob der Angeklagte Stichbewegungen ausgeführt habe und eine versuchte Tötungsabsicht vorlag. Beim Angeklagten, der sonst als freundlich beschrieben werde, sah er durch den Alkoholkonsum eine Wesensveränderung gegeben. Daher sei eine verminderte Schulfähigkeit anzunehmen. Bei der Bewertung des Strafmaßes kam er auf eine Freiheitsstrafe „jenseits der Bewährungslösung“. Er bitte das Gericht aber, dass sein Mandant „zeitnah in Therapie gehen kann“.
Hochdramatische Situationen
Die Kammer verurteilte den 37-Jährigen unter anderem wegen vorsätzlicher sowie versuchter gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu drei Jahren Haft. Der Vorsitzende Richter Veiko Böhm betonte dabei: „Damit keine Missverständnisse aufkommen: auch wenn wir in unserer Bewertung zu keinem versuchten Tötungsdelikt kommen, heißt das nicht, dass wir von einem harmlosen Geschehen ausgehen.“ Bei beiden Zwischenfällen hätten sich hochdramatische Situationen abgespielt.
„Wie in einem Horrorfilm folgten Sie dem Taxifahrer mit einem Messer und sagten ihm, dass Sie ihn abstechen werden“, so der Richter. Als erwiesen sah die Kammer an, dass der Angeklagte den Taxifahrer getreten und ihm mit dem Tod gedroht haben soll. Zudem soll er versucht haben, mit einem Messer auf seinen Kopf einzustechen. Der Taxifahrer, der diesen Attacken ausweichen konnte, stürzte dabei. Als er am Boden lag, „sah der Angeklagte von weiteren Stichversuchen ab, weshalb nicht von einem versuchten Tötungsdelikt ausgegangen wurde“, so die Urteilsbegründung.
Auch an der Dramatik der Situation, wie sie die Polizeibeamten geschildert haben, hege man keinen Zweifel. Dass er mit dem Messer Stichbewegungen in Richtung der Polizeibeamten ausführte und mit Tötungsvorsatz handelte, konnte die Kammer aber nicht mit Sicherheit feststellen, weshalb der Angeklagte letztlich nicht – wie von der Staatsanwaltschaft gefordert – wegen versuchten Mordes aus niedrigen Beweggründen verurteilt wurde. Veiko Böhm sagte dazu: Die Kammer könne nicht bewerten, ob der Angeklagte „hemmungslos Verletzungen oder gar den Tod in Kauf nehmen oder hingegen einschüchtern und die Flucht ergreifen wollte. Hier haben wir objektiv nichts in der Hand“.
Als Angeklagter sei der 37-Jährige freundlich aufgetreten, habe einen recht geordneten Lebenslauf und sei zuverlässig zur Arbeit gegangen. Diese würde aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in seinem Inneren eine tiefe Frustration stecke, die sich unter Alkoholeinfluss entlädt. „Das sollte Ihnen zu denken geben“, wandte er sich an den Angeklagten. In der Tatnacht sei die Hemmschwelle gefallen und er könne froh sein, dass die Beamten geistesgegenwärtig reagiert hätten.
„Dass es in jedem Fall eine heftige Nummer ist, sehen Sie am Strafmaß, das mit drei Jahren nur geringfügig von der Forderung der Staatsanwaltschaft abweicht“, sagte der Richter. Der Haftbefehl bleibe bestehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Während die Verteidigung bereits angekündigt hat, auf Rechtsmittel zu verzichten, kann die Staatsanwaltschaft noch Revision einlegen.