Claus-Michael Haydt, Geschäftsführer der Kulturhaus Caserne gGmbH und sein Stellvertreter Bernd Eiberger begrüßen mich zum Interview in Malerkleidung. Ihre Hosen sind weiß gesprenkelt, die beiden haben gerade gestrichen. Der Fallenbrunnen 17, er ist eine große Dauerbaustelle.
Herr Haydt, leben wir wirklich in „Friedhofshafen“?
Haydt: Aus meiner Sicht wirklich überhaupt nicht. Ich finde diese Diskussion echt erbärmlich und habe versucht in dem Aufleben-Forum mit zu diskutieren. Aber wenn man erklärt, was es in dieser Stadt gibt, dann ist es anscheinend immer das Falsche. Nicht bekannt genug, nicht attraktiv genug oder angeblich zu teuer. Wir haben diese Leute eingeladen, ihre Ideen bei uns einzubringen, sich zu engagieren, mitzuwirken. Das ist doch genau unser Prinzip des Kulturhauses Caserne. Außer der Initiatorin Alisa Lipp hat sich bis heute niemand von der Initiative gemeldet.

Das heißt, die Leute wollen lieber motzen und meckern statt tun?
Haydt: Genau so ist es. Wir haben seit dem Amtsantritt von Kulturbürgermeister Andreas Köster ein sehr gutes Miteinander in der städtischen Kulturpolitik. Es wurde innerhalb kurzer Zeit ein Kulturentwicklungskonzept erstellt und verabschiedet, bei dem sich alle Bürger beteiligen konnten. Beim Auftakt waren gerade mal 60 Leute vertreten. Jüngere Menschen waren total unterrepräsentiert.

Ein Kritikpunkt ist, dass es zu viel Kultur und zu wenig Mainstream in Friedrichshafen – und vor allem im Fallenbrunnen – gibt.
Eiberger: Ich kann das nicht mehr hören. Es gibt jede Menge Mainstream in Friedrichshafen. Das Bodensee-Center mit seinem Riesenkino, da gibt es Mainstream-Filme bis zum Abwinken. Auch der Bahnhof Fischbach hat zum Beispiel bundesweit bekannte Comedians im Programm. Außerdem gibt es ja noch die Veranstaltungen im Graf-Zeppelin-Haus.
Haydt: Im Metro gibt es doch Jugendkultur pur.
Eiberger: Genau, Abipartys, Erstsemesterpartys, Hip-Hop-Formate. Wir selbst haben die Depeche Mode Party, die Big Balkan Party und weitere Disco Formate sowie drei Elektro Festivals im Angebot – das ist jetzt doch alles nichts Abgehobenes. Man muss es eben nur ausprobieren.
Haydt: Man hat manchmal den Eindruck, dass es bei der Initiative Aufleben vor allem um eine Trink- und Esskultur geht. Oktoberfeste gibt es überall, aber dafür steht diese Stadt doch gar nicht.
Und für was steht Friedrichshafen kulturell?
Haydt: Friedrichshafen steht für eine verbombte, traumatisierte Stadt. Da kommt eine Lähmung her, eine Erstarrung, die man noch in ganz vielen Bereichen sieht. Diese Stadt hat in den 1920er-Jahren noch pulsiert, gelebt. Der Einbruch kam in diesem Bombenterror. Die Menschen waren in den Schützengräben und sind da mental nicht mehr herausgekommen. Das überträgt sich über Generationen. Und dann ist da noch Fluch und Segen der Zeppelin Stiftung.

Inwiefern ist die Zeppelin Stiftung ein Fluch für die hiesige Kulturszene?
Haydt: Die Stadt hat ganz viele Gelder von außen für eigene Angebote bereit gestellt. Aber die kulturellen Eigeninitiativen wurden dadurch teilweise vernachlässigt und zu wenig unterstützt. Allerdings muss ich sagen, dass sich das mit Bürgermeister Andreas Köster nun nach und nach wandelt, wir uns immer besser vernetzen und zusammenarbeiten.

Wie lautet nun die Rechnung der Kulturhaus Caserne gGmbH?
Haydt: Wir haben 2018 rund 196.000 Euro Zuschuss von der Zeppelin Stiftung bekommen. Davon fließen etwa 60.000 Euro wieder zurück zur Stadt als Mietkosten. Zur Gestaltung unserer Programms – also Künstlergagen – bleiben uns etwa 30.000 Euro im Jahr. Das ist natürlich, trotz Einnahmen durch die Bewirtung, bei 174 Veranstaltungen im Jahr total auf Kante genäht und eigentlich nicht leistbar. Es ist eigentlich nur durch persönliche Ausbeute – also unbezahlte Überstunden – möglich, das zu leisten.

Was braucht die Kulturhaus Caserne, um weiterzumachen?
Haydt: Wir brauchen diesen Landeszuschuss also unbedingt, um überhaupt den Status Quo halten zu können. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir das noch schaffen. Was wir aber noch mehr brauchen, ist der Zuspruch aus der Bevölkerung, Unterstützer, Menschen, die kommen, gestalten, helfen, sich beteiligen. Wir haben jetzt einen Förderverein gegründet, der jeden einlädt mitzumachen. Wir brauchen Leute, die mal an die Kasse gehen, Künstler betreuen, uns helfen, Veranstaltungen vorzubereiten, zu initiieren. Hier gibt es die Möglichkeit, Friedrichshafen zu beleben, das besser zu machen, was da ist.

Welche Visionen gibt es für den Fallenbrunnen 17?
Haydt: Der Überbegriff „Kreativquartier“ ist hier genau richtig. Ich habe das Bild der Hackeschen Höfe in Berlin im Kopf, da wird Kultur gelebt. Dieses Konzept kann hier einen Platz finden, da auf engem Bereich viel stattfinden kann. Ob das jetzt das Heizhaus ist, an dem im Sommer Veranstaltungen stattfinden könnten, oder eben Kneipen, Ausstellungen, Veranstaltungsräume im Fallenbrunnen 17, sodass die Menschen Kneipen-Hopping machen können. Beim FAB-Festival kommt das super an, da ist Großstadtfeeling in Friedrichshafen.
Das wäre ein Millionenprojekt.
Haydt: Ja, wenn man dieses Gebäude als Ganzes sanieren will, sprechen wir schnell von 20 Millionen Euro, denn es gibt einen ordentlichen Sanierungsstau. Man muss das in kleinen Schritten angehen, Akzente angehen. Wir sind da in einer Bewegung, arbeiten daran und überlegen, wo die Reise hingehen kann – und hoffen, dass die ersten Dinge bereits dieses Jahr in den Doppelhaushalt 2020/2021 eingestellt werden und wir bereits 2021 die ersten kleineren Dinge realisieren können.