Die Verschmutzung des Bodenseewassers durch Abwasser führte zu vielen Fällen von Brechdurchfall. Sieben Badegäste, die im Freizeitgelände Manzell im See schwimmen waren, haben mittlerweile Strafanzeige wegen Körperverletzung gestellt. Das bestätigte Tanja Kraemer, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Ravensburg, die seit Bekanntwerden des Abwasserproblems wegen Gewässerverunreinigung und fahrlässiger Körperverletzung ermittelt. „Zum Stand der Ermittlungen können wir derzeit nur sagen, dass sie andauern“, sagt Tanja Kraemer.
Familie fordert Schadenersatz
Die Pressesprecherin der Stadt, Monika Blank, bestätigt unterdessen, dass eine Familie eine Schadensersatzforderung angekündigt habe. „In dem Schreiben geht es um die erkrankten Großeltern, die die Betreuung des Enkels übernehmen sollten und aufgrund ihrer Erkrankung ausgefallen sind. Die Großeltern waren offenbar im Urlaub am See und haben dort gebadet“, so Monika Blank.
Insgesamt hat sich die Zahl der beim Gesundheitsamt gemeldeten Erkrankungen auf 227 erhöht, darunter fünf Norovirus-Fälle und eine Salmonellen-Infektion, teilt das Landratsamt mit. Grund für die Wasserverunreinigung war das Überlaufen eines Rückhaltebeckens (RÜB 4), das unter einem Parkplatz in der Nähe des Hotels Waldhorn liegt. Weil das Becken, das 365 Kubikmeter fassen kann, förmlich überquoll, gelangte tagelang unverdünntes Schmutzwasser über den Buchenbach in den Bodensee.
Auch chemische Verunreinigung
Proben ergaben eine deutliche Verunreinigung mit Kolibakterien und Enterokokken. Auch die Ergebnisse der chemischen Analyse liegen dem Landratsamt nun vor. „Untersucht wurden Ammoniumstickstoff, chemischer Sauerstoffbedarf, Phosphat, Nitrit, Nitrat und anorganischer Stickstoff. Die Ergebnisse zeigen deutlich erhöhte Werte zum Zeitpunkt, als Kanalisationswasser über den Buchenbach in den See geflossen ist“, teilt das Landratsamt mit.
Normalerweise wird das Abwasser aus Manzell, Schnetzenhausen und vom Klinikum durch die Kanalisation über das RÜB 4 ans Klärwerk weitergeleitet, wo es gereinigt wird. Gibt es jedoch besonders viel Regen, etwa bei einem Gewitter, sind die Regenüberlaufbecken, in diesem Fall das RÜB 4, dafür da, Regen und Abwasser in einer Art Zwischenspeicher zu sammeln, und anschließend wieder dosiert ans Klärwerk abzugeben, da sonst zu große Wassermassen dort ankämen. Bei Starkregen kann aber das Becken überlaufen, dann wird das mit Regen vermischte Abwasser über den Buchenbach in den Bodensee geleitet. „Normalerweise ist das Abwasser dann verdünnt“, erklärt Robert Schwarz, Pressesprecher des Landratsamtes.
Weil aber der Kanal verstopft war, der zwischen RÜB 4 und Klärwerk liegt, sammelte sich über Tage das Abwasser im Rückhaltebecken – und zwar unverdünnt. Und genau diese Fäkalien- und Schmutzwasserbrühe, die auch das Abwasser des Klinikums enthielt, schwappte schließlich über und floss über den Buchenbach ungehindert ab. Mit fatalen Folgen. Erst als die ersten Krankheitsfälle gemeldet wurden, fiel die Verstopfung des Kanals auf. Denn das RÜB 4 wurde zuletzt am 24. Juni kontrolliert.
Modernisierung zurückgestellt
Das RÜB 4 sollte schon 2016 mit Sensoren ausgestattet werden – das hatte das Landratsamt in der wasserrechtlichen Genehmigung als Auflage gestellt. Der Häfler Gemeinderat gab Ende 2015 rund eine halbe Million Euro frei, um genau diese Modernisierung zu ermöglichen. Nach Angaben der städtischen Pressestelle wurde das Bauprojekt im Juni 2016 deutschlandweit ausgeschrieben. Doch die Angebote, die im Rathaus ankamen, lagen weit über der Kostenberechnung. „Für den Bereich Elektrotechnik lag das günstigste lag 176 Prozent darüber, im Bereich Betonarbeiten und Maschinentechnik lag es 284 darüber“, erläutert Monika Blank, Pressesprecherin der Stadt. So entschied sich die Verwaltung dafür, das Projekt zunächst zurückzustellen und zwei andere Regenüberlaufbecken am Strandbad und an der Möwenstraße umzubauen. „Das war keine Sparmaßnahme„, schreibt Pressesprecherin Monika Blank und weist darauf hin, dass das RÜB 4, dem „derzeitigen Stand der Technik“ entspreche. In ganz Baden-Württemberg seien „erst 50 Prozent aller Regenüberlaufbecken mit moderner Messtechnik ausgestattet“, so Blank.
In Friedrichshafen gibt es zwölf solcher Becken, elf sind bereits mit elektronischer Messtechnik ausgestattet. „Leider ist die Verstopfung bei dem einzigen noch nicht mit Messtechnik ausgerüsteten Becken aufgetreten“, erklärt die Pressesprecherin. Nun sollen die Modernisierungsarbeiten im Herbst ausgeschrieben werden. „Ein Umbau des RÜB 4 könnte dann im Frühjahr 2020 erfolgen“, schreibt Monika Blank.
Der Vorstand der Häfler FDP bedauert in einer Pressemitteilung den Imageschaden für die Stadt. „Wir fragen uns“, so Christian Steffen-Stiehl, „wieso das Regenüberlaufbecken RÜB 4, in das auch die Abwässer des Klinikums gelangen, aus Vorsorgegründen nicht auf Platz eins der Investitionsliste blieb und schon 2016 mit Überwachungssensoren ausgerüstet wurde. Wir sehen es als dringend geboten an, dieses Gesundheitsrisiko für Badegäste zu beheben!“

Mindestens seit 2015 war den Behörden bewusst, dass ab und an auch Abfall aus der Kanalisation über den Buchenbach in den See gelangte. Ein Nutzer hatte sich bei „Sag‘s doch“ über Klopaperreste und Tampons beschwert, die im Wasser lagen. „Daher wurde unter anderem die Ausführungsplanung für die Modernisierung des Regenüberlaufbeckens begonnen und im Anschluss ausgeschrieben“, schreibt Monika Blank.
Neue Proben werden untersucht
Bis Freitag soll nun das Ergebnis neuer Wasserproben feststehen, die durch das Gesundheitsamt am Dienstag und Mittwoch entnommen wurden. „Sie wurden per Kurier zur Analyse ins Landesgesundheitsamt nach Stuttgart gebracht“, informiert Robert Schwarz vom Landratsamt. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse wollen Gesundheitsamt und Stadtverwaltung am Freitagnachmittag entscheiden, ob das Badeverbot zwischen Freizeitgelände und Hafen Fischbach aufgehoben werden kann. Eine gute Nachricht gibt es: Bei den neue Laborergebnissen der chemischen Untersuchung diverser Wasserproben lagen nach Angaben des Landratsamtes alle Werte im grünen Bereich.