Der Lastwagen rauscht so dicht neben Luis entlang, dass dieser den motorwarmen Fahrtwind spürt und das Gummi riecht. „Wie nah fährt der an uns vorbei!“, ruft Luis. Ausweichen kann er nicht: Der Gehsteig ist schmal an dieser Stelle, hinter ihm steht eine Hecke. Luis hat heute seinen ersten Schultag, er wartet in Unterraderach an der Haltestelle auf den Schulbus. Neben ihm steht Andrina. Die Achtjährige fährt schon länger von hier mit dem Bus zur Schule. „Das ist nicht normal. Hier fahren viel zu viel Laster, es ist so laut und voll“, sagt sie.
Kinder haben Angst, dass ein Laster mal umkippt
Auch die neunjährige Maja stören die vielen Laster: „Wir können nicht mehr so gut über die Straße gehen.“ Ida hat immer Angst, ein Laster könnte umkippen. „Die sind so groß.“
Elf Grundschüler drängen sich an der Haltestelle, während in einem Strom Autos, Kleintransporter und Lastwagen über die Tannenburgstraße rollen. Alle Kinder haben ihre Eltern dabei. „Wir lassen unsere Kinder schon länger nicht mehr allein zur Bushaltestelle laufen“, sagt Andrinas Vater Jens Keinath.
Fußgängerüberwege schlecht einsehbar
Majas Mutter Melanie Vöhringer ergänzt: „Das ist lebensgefährlich, schon für Erwachsene!“ Das Überqueren eines schlecht einsehbaren Zebrastreifens habe sie auch ihrer großen Tochter verboten: „Da kann ein Lastwagen gar nicht sehen, ob da jemand langläuft, und bremsen kann er schon gar nicht mehr.“ Bei den anderen Übergängen warte sie zur Zeit oft lange. „Wenn da ein Laster draufsteht und der kommt nicht in den Kreisverkehr, kommen wir nicht über die Straße.“

Überholendes Auto fährt Mutter mit Kind fast über den Haufen
Die Eltern berichten von Szenen wie aus einem Verkehrs-Western: „Eine Mutter lief mit ihrer Tochter über den Zebrastreifen, da hat ein Auto am Kreisel das wartende Auto überholt und sie fast über den Haufen gefahren“, erzählt Keinath. Luis‘ Familie wohnt am Ortsausgang Richtung Schnetzenhausen. „Als die hier mal eine Geschwindigkeitskontrolle gemacht haben, lag der Rekord bei 94 Stundenkilometern – ortsauswärts“, sagt Vater Lukas Hildebrand. Andere berichten von Lastwagen, die über Bürgersteige fahren oder den Kreisverkehr einfach geradeaus queren, oder von Überholmanövern mitten im Kreisverkehr.
Straßen für dieses Verkehrsaufkommen nicht ausgelegt
„Die Straßen, die ganze Infrastruktur ist für so ein Verkehrsaufkommen nicht ausgelegt“, sagt ein Vater. Die Eltern wissen, dass es zurzeit wenige Alternativen für den Durchgangsverkehr gibt. Hildebrand sagt: „Man muss sich schon fragen, ob es sinnvoll ist, den ganzen Schwerlastverkehr von Rumänien nach Frankreich durch Unterraderach zu leiten.“ Vor allem aber wünscht er sich, wie auch die anderen Eltern, schnelle Erleichterungen.
Eltern wollen Haltestelle verschieben und Tempo 30 tagsüber
„Man könnte die Bushaltestelle ein paar Meter verlegen, da ist der Gehweg breiter, das würde schon etwas helfen“, schlägt Vöhringer vor. Hildebrand hat in Fischbach mobile Poller am Straßenrand gesehen. „Damit könnte man die Gehwege sichern“, empfiehlt er. Auf längere Sicht streben die Eltern höhere Randsteine der Gehwege an, eine Verlegung der Zebrastreifen und weiter Tempo 30 rund um die Uhr. „Nur nachts hilft uns das nicht, da sind unsere Kinder nicht auf der Straße“, sagt Keinath. Ein anderer Vater stimmt zu. „Das müsste aber auch kontrolliert werden, schon jetzt hält sich niemand dran.“
Auch Ortsvorsteher von Ailingen sieht Gesprächsbedarf
Die Unterraderacher haben sich mit ihren Anliegen an die Ortsverwaltung Ailingen und die Stadt gewandt. Der Ailinger Ortsvorsteher Georg Schellinger hat ein Gespräch zwischen Bürgern, Orts- und Stadtverwaltung vermittelt, er wartet auf Terminvorschläge. „Ich sehe bei der Verkehrssituation in Unterraderach Analyse- und Gesprächsbedarf. Dem möchte ich mich gerne annehmen“, schreibt er.
In einigen Punkten hat die Stadt bereits Maßnahmen geplant. „Frankfurter Hütchen“ – aufgeschraubte Fahrbahnbegrenzungen aus Beton oder Kunststoff – sollen die Verkehrswege trennen. In Folge der Verkehrsmediation Kluftern und des Runden Tischs zur Ortsumfahrung Schnetzenhausen sollen etwa eine Querungshilfe an der Jägerstraße und eine Einengung der Zufahrt zur Schmalholzstraße entstehen.
Stadt: Haltestelle kann nicht kurzfristig verlegt werden
Eine kurzfristige Verlegung der Bushaltestelle sei nicht möglich. „Die Stadt wird aber die Situation vor Ort während einer Verkehrsschau gemeinsam mit der Polizei begutachten. Ein Ergebnis wird voraussichtlich in vier Wochen vorliegen“, teilt die städtische Pressesprecherin Monika Blank mit. Tempo 30 ganztägig, wie von den Einwohnern gewünscht, werde es aber nicht geben.
Keine rechtliche Grundlage für Tempo 30
Laut Stadtverwaltung fehlen dafür die rechtlichen Grundlagen. Auf klassifizierten Straßen dürfen keine Tempo-30-Zonen eingerichtet werden, Geschwindigkeitsbegrenzungen sind nur aufgrund von Verkehrssicherheit oder zum Lärmschutz möglich.
Kreuzung Unterraderach
Seit die Bundesstraße 31 zwischen Fischbach und Immenstaad gesperrt ist, wird der Verkehr teils über Schnetzenhausen, Unterraderach und Markdorf umgeleitet. Täglich kommt es während der Stoßzeiten zu langen Staus. Die Sperrung der B 31 dauert noch bis 19. September, danach soll der Verkehr wieder fließen wie vorher.
Sorge bereitet den Anwohnern die Aussicht, nach Fertigstellung der B 31-neu dauerhaft starker Verkehrsbelastung ausgesetzt zu sein. Durch die Nähe zu den Anschlussstellen bei Schnetzenhausen und Spaltenstein rechnen Verkehrsexperten mit einem Mehr von 2000 bis 3000 Fahrzeugen am Tag.