Für die maritime Wirtschaft in Deutschland wird Friedrichshafen am Mittwoch und Donnerstag zum Nabel der Welt. Im Graf-Zeppelin-Haus veranstaltet das Bundeswirtschaftsministerium die 11. „Nationale Maritime Konferenz“ (NMK), die alle zwei Jahre stattfindet. Dass sie erstmals nicht in einem der fünf Bundesländer und Stadtstaaten an der Küste, sondern am Ufer des „schwäbischen Meers“ und damit in einem Binnenland gastiert, hat mit Unternehmen wie Rolls-Royce Power Systems (RRPS) zu tun.
Über 40 Prozent des Umsatzes, den deutsche Schiffsbauer und die Offshore-Windindustrie samt deren Zulieferer erwirtschaften, kommt von Firmen in Baden-Württemberg und Bayern. Von 10,6 Milliarden Euro Jahresumsatz in dieser Branche tragen die beiden südlichsten Bundesländer mit jeweils 2,2 Milliarden Euro zur Wertschöpfung bei. Und rund die Hälfte des Umsatzes, der für Baden-Württemberg zu Buche steht, fährt RRPS ein.
Schiffsmotoren gehören zum Kerngeschäft
Schiffsmotoren gehören zum Kerngeschäft des Unternehmens mit seinem Stammsitz in Friedrichshafen seit über 100 Jahren. Die MTU konstruiert und baut seit 1909 nicht nur Motoren für Luftschiffe, sondern auch „für Kraftfahrzeuge zu Lande und zu Wasser“. Die maritime Wirtschaft ist ein wichtiger Markt. Knapp 30 Prozent des RRPS-Umsatzes (2018: 3,97 Milliarden Euro) generiert das Unternehmen in diesem Geschäftsfeld. Und: So gut wie alle Schiffsmotoren der Kernmarke MTU werden in Friedrichshafen hergestellt.
Antrieb für Ozeanriesen und Megayachten
Auf dem Bodensee allerdings sind nur wenige davon im Einsatz. Die meisten MTU-Motoren sind zu groß für hiesige Schiffe. Mit Leistungen von rund 260 bis zu 10 000 kW eignen sie sich vor allem für alles, was Salzwasser unterm Kiel hat. Sie treiben Hochgeschwindigkeitsfähren wie die zwischen Sizilien und Malta an. Oder Schleppschiffe, die Ozeanriesen in Häfen bugsieren. Auch Behördenschiffe gehören dazu. Unter diesem Begriff versammelt MTU Motoren, die an staatliche Organisationen auch für militärische Zwecke ausgeliefert werden und beispielsweise in Schiffen zum Einsatz kommen, die Schmuggler jagen.

Nicht wenige Motoren von MTU kommen in luxuriösen, bis zu 180 Meter langen Megayachten zum Einsatz. In diesem Segment ist MTU nach eigenen Angaben sogar Marktführer auf allen Weltmeeren. Aber nicht nur MTU steht als Leuchtturm für die maritime Wirtschaft im Binnenland. „70 Prozent unserer Marine-Motoren werden mit ZF-Getrieben ausgeliefert“, sagt Pressesprecher Wolfgang Boller. Beide Häfler Unternehmen arbeiten bei der Entwicklung und dem Vertrieb zusammen.
NMK will maritime Energiewende vorantreiben
Die NMK in Friedrichshafen ist mit „global, smart, green“ überschrieben. In der Konferenz soll es zuallererst um die maritime Energiewende gehen, um die Seeschifffahrt sauberer zu machen. MTU will die mit gestalten. Die ersten mobilen Gasmotoren für den Schiffsbetrieb kommen 2020 in den Einsatz – im Nordsee-Wattenmeer und auf dem Bodensee in einer neuen Fähre der Stadtwerke Konstanz.
Sie stoßen keinen Ruß mehr aus, erzeugen etwa 90 Prozent weniger Stickoxidemissionen ohne Abgasnachbehandlung und zehn Prozent weniger Treibhausgas. Auch ein Hybridsystem für Yachten hat MTU entwickelt und wird das 2020 mit dem Yachtbauer sunseeker auf den Markt bringen. Parallel ist RRPS aber auch Partner des Bundeswirtschaftsministeriums im Projekt „Methquest“. Hier wird erforscht, wie mit Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen gasförmige oder flüssige Treibstoffe künstlich hergestellt werden können. „Wenn das mit vertretbarem Aufwand gelingt, wäre das ein großer Schritt in Richtung eines klimaneutralen Antriebs“, sagt MTU-Entwicklungsleiter Martin Teigeler.
Gastgeber für 800 Konferenzteilnehmer
Zwei Tage lang trifft sich die deutsche Schifffahrtsbranche in Friedrichshafen. Was bringt die „Nationale Maritime Konferenz“ (NMK) für die Zeppelinstadt?
- Erwartet werden am 22. und 23. Mai rund 800 Teilnehmer. Schirmherrin ist Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am ersten Veranstaltungstag auch anwesend sein wird. Ein längerer Aufenthalt danach sei aber nicht geplant, heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Neben Merkel werden Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne) und EU-Kommissar Günther Oettinger erwartet.
- Am Abend des ersten Konferenztages laden der Bodenseekreis sowie die Stadt Friedrichshafen die Konferenzteilnehmer und Repräsentanten der regionalen Wirtschaft, Politik und Verwaltung zu einem Empfang im Zeppelin-Hangar ein. Den organisiert die Wirtschaftsförderung des Landkreises. Im Unterschied zur Konferenz im Graf-Zeppelin-Haus können sich maritime Unternehmen, Verbände und Institutionen hier präsentieren. RRPS und ZF sind Hauptsponsoren.
- Zwar gelten für das Graf-Zeppelin-Haus als Tagungsort erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. Doch zu den Details gibt die Stadt keine Auskunft. Wesentliche Einschränkungen für die Öffentlichkeit gebe es nicht. Die Tiefgarage des GZH sei geöffnet. Nur die Vorverkaufskasse ist an den beiden Konferenztagen nur telefonisch erreichbar. (kck)