Der Streit um die Zeppelin-Stiftung spitzt sich weiter zu. Kurz vor Jahresende hat Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin die Stadt verklagt. Er fordert vor dem Landgericht Ravensburg seinen Anteil an den Dividenden aus den Stiftungsbetrieben, die in den vergangenen drei Jahren ausgeschüttet wurden. Streitwert: 4 Millionen Euro. Seine Forderung gründet auf einen Vergleich, den vor fast 100 Jahren sein Großvater, Schwiegersohn des legendären Grafen Zeppelin, mit Hugo Eckener, Vorstand der Zeppelin-Stiftung, geschlossen hatte. „Alle anderen Ansprüche könnten verjährt sein“, erklärt der Urenkel des Luftschiffpioniers.
Stadt sagt: Graf hat keine Ansprüche
Der Kläger habe keine Ansprüche, argumentiert dagegen die Stadt Friedrichshafen. Sie beruft sich auf eine Verzichtserklärung, die auch Brandenstein-Zeppelin 1990 unterschrieben hat, als die Familie ihre ZF-Anteile verkaufte. In der heißt es tatsächlich, dass „alle Ansprüche und Rechte aus dem Schiedsvertrag vom 3. Dezember 1923 endgültig abgegolten, erledigt, erloschen“ sind.

Nur: Den Vertrag von 1990 hält der Kläger für nichtig, und zwar wegen Sittenwidrigkeit. Denn die Verzichtserklärung sei Teil eines Vertrags, mit dem seine Familie seinerzeit „zum Verkauf ihrer Anteile an den Betrieben der Zeppelin-Stiftung gedrängt“ worden sei, teilt er mit. „Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit ist haltlos und unbegründet“, nimmt das Rathaus Stellung.
„Ein großer Aktionär quetscht den kleinen hinaus“
Damit rückt eine Geschichte in den Mittelpunkt, über die schon viel spekuliert wurde. SÜDKURIER liegen nun Dokumente vor, die ein klareres Bild jenes Deals zeigen, mit der die Stadt vor exakt 30 Jahren nach Darstellung der Stifterfamilie ihren Einfluss auf die Zeppelin-Stiftung entzog. „Heute nennt man das squeeze-out“, sagt Albrecht von Brandenstein-Zeppelin: „Ein großer Aktionär quetscht den kleinen hinaus.“
Zwangslage ausgenutzt?
So war die jährliche Dividende von damals zirka 1,5 Prozent – heute sind es 18 Prozent – aus den ZF-Anteilen so gering, dass die Zeppelinfamilie daraus nicht einmal ihre Erbschaftssteuern finanzieren konnte, sagt der Zeppelin-Urenkel. Dazu kamen Schulden in Millionenhöhe, die entstanden, weil er Familienmitglieder ausbezahlte, deren Anteile er übernahm. Eine Zwangslage, so von Brandenstein-Zeppelin, die die Stadt ausgenutzt habe.
Hintergründe zum Aktiendeal 1990
Damals gehörten der Stifterfamilie 7,5 Prozent der ZF-Aktien. Deren Wert ließ er 1987 von der Deutschen Bank schätzen. Ergebnis: 230 Millionen D-Mark. Doch am Markt waren die Anteile wegen der Dividendenpolitik der Stadt nahezu unverkäuflich. Sie blieb als Mehrheitsaktionär von ZF einziger Kaufinteressent und konnte den Preis diktieren. „Das war Strategie“, so von Brandenstein-Zeppelin.
Stadt schiebt Deutsche Bank vor
Pikanterweise wickelte die Stadt den Aktiendeal 1990 über die Deutsche Bank ab und erklärt heute, an dem Kaufvertrag nicht beteiligt gewesen zu sein. Das trifft laut Brandenstein-Zeppelin nicht zu. „Der OB teilte damals mit, dass die Stadt entweder alle unsere Anteile oder gar keine kaufen werde und dass die ZF maximal 100 Millionen D-Mark zahle. Und wir mussten die Verzichtserklärung an die Stadt Friedrichshafen unterschreiben.“
„Wir wurden von der Stadt systematisch erpresst.“Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin
All das belegt ein langer Brief vom 3. April 1990. In dem hielt Albrecht von Brandenstein-Zeppelin dem damaligen Oberbürgermeister Bernd Wiedmann vor, die Stadt lasse Anstand und Fairness bei den Verkaufsverhandlung missen. Heute kommentiert der Zeppelin-Urenkel die Dinge von damals schärfer. „Der Denver-Clan ist harmlos dagegen. Wir wurden von der Stadt systematisch erpresst“, sagt Albrecht von Brandenstein-Zeppelin. Aus dem Brief geht auch hervor, dass die Stadt „den Verzicht der Gesamtfamilie auf die Stiftungsrechte an der Zeppelinstiftung verlangt“. „Ich hatte letztlich keine andere Wahl, als diesen Vertrag zu unterschreiben“, sagt er. Kaufpreis: 98,3 Millionen Euro, also weit unter Wert.
Rechtsanwalt sieht wucherisches Geschäft
Diese Umstände bewertet der Hamburger Rechtswissenschaftler Karsten Gaede, Professor an der Bucerius Law School, in einem von Brandenstein-Zeppelin beauftragten strafrechtlichen Gutachten als „Musterkonstellation eines wucherischen Geschäfts“, an dem Amtsträger der Stadt mitgewirkt hätten. Das wäre für die Beteiligten strafbar, wenn es nicht verjährt wäre.
Aus dem Vergleich von 1923 hätte der Stifterfamilie „ein hoher zweistelliger Millionenbetrag in Euro“ zugestanden, sagt von Brandenstein-Zeppelin. Tatsächlich floss nur ein Bruchteil, so der Graf. Vor 1990 habe seine Tante Elisabeth Veil eine Art Ehrensold bekommen. Danach sah die Stifterfamilie wegen des Verkaufs der ZF-Anteile und der Verzichtserklärung gar kein Geld mehr.
Doch diese Ansprüche entstünden jedes Jahr neu. Deshalb könne er die Dividenden und Spendenanteile zumindest aus den letzten drei Jahren einklagen. Vorausgesetzt, das Landgericht Ravensburg folgt seiner Argumentation der „wucherischen Erpressung“, wäre der Kaufvertrag von 1990 nichtig. Dann hätte der Urenkel des Stiftungsgründers außerdem womöglich einen Joker im Ärmel: das Klagerecht für die Zeppelin-Stiftung.