Es kommt nicht alle Tage vor, dass das Verwaltungsgericht Sigmaringen polizeirechtlich anordnet, wie die 40 Sitzplätze im Sitzungssaal besetzt werden. Das Interesse von Medien und Öffentlichkeit sei groß, wenn diese Klage aufgerufen wird: Albrecht von Brandenstein-Zeppelin und Sohn gegen das Land Baden-Württemberg. Im Kern geht es um die Wiederherstellung der einst selbständigen „Zeppelin-Stiftung“, bevor sie 1947 aufgelöst wurde.

Brandenstein-Zeppelin beklagt „Missbrauch der Stiftung„

War die Rechtsverordnung, mit dem das Stiftungsvermögen damals an die Stadt Friedrichshafen fiel, auch rechtmäßig? Brandenstein-Zeppelin, Urenkel des Stiftungsgründers, sagt Nein. Mehr noch: Mit der mehrere hundert Seiten langen Klage wollen die Nachfahren „dem anhaltenden Missbrauch der Stiftungs durch die Stadt Einhalt gebieten“, teilt der Kläger mit. Sein Urgroßvater habe seinerzeit mit der Anfallsklausel verfügt, dass das Stiftungsvermögen ausschließlich für mildtätige Zwecke eingesetzt werden dürfe. Die Stadt gebe die Erträge aber zu 95 Prozent für Gemeinnütziges aus.

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Welches Recht haben Kläger?

Vor Gericht vertritt das RP die Klage gegen das Land; die Stadt ist beigeladen. Die Tübinger Behörde hatte 2016 nicht nur die Anträge von Brandenstein-Zeppelin und seinem Sohn Frederic abgelehnt, die 1947 aufgehobene Stiftung wieder einzusetzen und damit dem Einfluss der Stadt zu entziehen. Das RP spricht ihnen ab, die Klage führen zu dürfen. Im deutschen Verwaltungsgerichtsprozess sei nur klagebefugt ist, „wer möglicherweise in eigenen Rechten verletzt ist“, so eine RP-Sprecherin. Welche das seien, hätten die Kläger nicht überzeugend dargelegt.

Klage könnte Musterprozess werden

Vorerst nur diese Frage soll in der Verhandlung am Mittwoch geklärt werden. Denn Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin, selbst Jurist, hat eine andere Rechtsauffassung. Die Auflösung und Enteignung sei der schärfste Eingriff, den der Staat in eine Stiftung vornehmen kann, sagt er. „Deshalb ist unsere Klage ein Musterprozess, der erstmals diese Frage vor Gericht bringt.“

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Er hofft auf ein Klagerecht in extremen Ausnahmesituationen (actio pro socio), wie es in Deutschland noch nie bei Gericht geführt wurde. Er und sein Sohn Frederic hätten zudem ein Notklagerecht, da sie als direkte Nachfahren des Stiftungsgründers heute im Aufsichtsrat der Stiftung sitzen würden. Beide werden bei der Verhandlung persönlich anwesend sein und gehen „zuversichtlich“ in den Prozess, teilt Brandenstein-Zeppelin weiter mit.

Um inhaltlichen Zwist geht es noch nicht

Inhaltlich wird der Rechtsstreit also noch gar nicht ausgefochten. Der Kläger geht davon aus, dass allein die Klärung der Klagebefugnis ein jahrelanger Prozess wird. Egal, wie das Sigmaringer Gericht entscheide: „Die unterlegene Partei wird mit Sicherheit in die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof nach Mannheim gehen.“ Erst wenn diese Frage in letzter Instanz bejaht würde, müsste sich das Verwaltungsgericht Sigmaringen damit befassen, ob die Klage begründet ist.

Einschätzung zweier Professoren

Für zwei Stiftungs-Experten hingegen ist der Ausgang der „Causa Zeppelin-Stiftung“ alles andere als offen: „Bis zur Wiedererrichtung der Stiftung in alter Form wird vermutlich noch ein langer Weg über Behörden und wahrscheinlich auch Gerichte zu beschreiten sein.“ Dieses Urteil fällen zwei Professoren der Bucerius-Law-School in Hamburg, eine private Stiftungshochschule für Rechtswissenschaften. Jörn Axel Kämmerer und Birgit Weitemeyer beleuchten dieses „stiftungsrechtliche Drama“ in einem 38 Seiten umfassenden Beitrag, der im Herbst publiziert wird (siehe Kasten). Die Wiedereinsetzung der damals aufgelösten Stiftung sei allein deshalb zu ermöglichen, „weil sie, vom Grundgesetz geschützt, unter diesem noch Bestand hat“. Oder wie die beiden Rechtsprofessoren schreiben: „Die Zeppelin-Stiftung hat sich, so könnte man es formulieren, über 72 Jahre in einem Dornröschenschlaf befunden.“

„Stiftung wurde nie aufgehoben“

Sie argumentieren, dass die Rechtsanordnung von 1947 aus mehreren Gründen rechtswidrig gewesen sei. Die Stiftung sei deshalb rechtlich niemals aufgehoben worden. Ihre Rechtspersönlichkeit bestehe heute fort und könne auch durch Zeitablauf nicht erlöschen. Und mangels wirksamer Aufhebungsentscheidung trat die Anfallsklausel als gesetzliche Rechtsfolge nicht ein. Ergo sei die Stiftung „nach wie vor Inhaberin sämtlicher damaliger Vermögenswerte einschließlich der hiermit verbundenen Beteiligungen an den Stiftungsunternehmen“ – und nicht die Stadt Friedrichshafen.

Auch auf die Frage, wer dann heute berufen ist, die Rechte der Stiftung durchzusetzen, haben die Autoren eine Antwort. Wenn die Stiftungsbehörde, also das RP Tübingen, ein Einschreiten pflichtwidrig ablehne, sei ein Notklagerecht von Stiftungsinteressierten anzuerkennen. Als solcher könnte Brandenstein-Zeppelin gelten. „Erste Entscheidungen dazu liegen bereits vor“, verweisen Kämmerer und Weitemeyer auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin.