Sie haben vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen auf 148 Seiten begründet, dass Sie 70 Jahre nach Auflösung der ursprünglichen Zeppelin-Stiftung berechtigt sind, dagegen zu klagen. Warum?
Das Problem ist, dass es im deutschen Recht keine Klagebefugnis für Stiftungen gibt – außer für den Vorstand, wenn der Stiftung Unheil droht. In der Zeppelin-Stiftung gibt es diesen Vorstand aber seit langem nicht mehr, und der Stiftung ist Unheil widerfahren. Aber es gibt das sogenannte Richter-Recht actio pro socio, das auch Minderheitsgesellschaftern eine Klagebefugnis einräumt, wenn der Vorstand oder Mehrheitsgesellschafter der Firma existentiell schädigt. In der Schweiz, England oder Amerika gilt das auch für Stiftungen. Wenn es wie bei der Zeppelin-Stiftung keinen Vorstand mehr gibt und sie von einer Behörde aufgelöst wird, dann haben nach actio pro socio Stiftungsinteressierte ein Klagerecht, darunter die direkten Stifternachfahren. Denn ein Stifter, der seinen Erben Vermögen entzieht, vertraut darauf, dass der Staat mit dem Geld den Stifterwillen realisiert.
Sie haben mehrfach gesagt, dass Sie mit Ihrer Klage juristisches Neuland betreten. Warum?
In Deutschland war ein solches Verfahren actio pro socio noch nie bei Gericht. Es ist ein Klagerecht in extremen Ausnahmesituationen. Die Zeppelin Stiftung wurde 1947 durch ein nichtiges Gesetz aufgelöst und enteignet. Das ist der schärfste Eingriff, den der Staat in eine Stiftung vornehmen kann. Deshalb ist unsere Klage ein Musterprozess, der erstmals diese Frage vor Gericht bringt, und es ist sehr spannend, wie die Gerichte entscheiden werden.
Worin besteht die überregionale Bedeutung dieses Rechtsstreits?
Die Klagebefugnis hat nicht nur für unseren Fall Relevanz, sie betrifft letztlich alle 22 000 deutschen gemeinnützigen und rechtsfähigen Stiftungen. So wurden im Dritten Reich viele jüdische Stiftungen wegen Gemeingefährlichkeit aufgelöst. Mit unserem Prozess könnte es auch für die Nachfahren jener Stifter ein Recht auf Restitution geben. Eine Stiftung, die auf Ewigkeit gegründet ist, muss man auch nach 70 Jahren korrigieren können.
Zuletzt beim Neujahrsempfang hatte Oberbürgermeister Andreas Brand erklärt, er sei zuversichtlich, dass dieses Verfahren noch in diesem Jahr abgeschlossen werde. Was denken Sie?
Die Stadt macht es sich ein bisschen einfach. Die Strategie läuft darauf hinaus zu sagen, die Stifternachfahren seien nicht klagebefugt. Dann scheitert die Klage bereits an dieser Frage. Dann würde auch nicht geprüft, ob die Klage begründet ist. Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass die Gerichte mit Sicherheit in letzter Instanz diese actio pro socio für das Stiftungsrecht anerkennen werden und wir klagebefugt sind. Dann geht es erst in einem zweiten Verfahren darum, ob die Klage begründet ist. Ich bin Jurist und kann beurteilen, dass dieses Verfahren mindestens zehn Jahre geht, wenn man sich nicht gemeinsam an den Tisch setzt. Ich ziehe das bis zum Ende und bis zum Erfolg durch.
Warum haben die Behörden 1947 Ihrer Meinung nach das Stiftungsvermögen unrechtmäßig an die Stadt Friedrichshafen übereignet?
Die Rechtsanordnung, mit der die Stiftung aufgelöst wurde, war ein Unrechtsakt, denn sie wurde mit der Unmöglichkeit des Stiftungszwecks begründet. Aber der war nicht unmöglich, das hat man damals sehr oberflächlich beurteilt. Luftfahrtforschung war für zivile Zwecke sogar ausdrücklich erlaubt. Ein in sich widersprüchliches Gesetz ist nichtig, was heißt, dass die Stiftung noch besteht. Das muss aber durch das Gericht bestätigt werden.
Ihnen wird als Motiv für die Klage unterstellt, Sie wollten für ihre Familie die Kontrolle über die Stiftungsbetriebe ZF und Zeppelin zurück…
Diese Leute haben meine Intention nicht verstanden. Was ich will ist, dem historischen Stifterwillen meines Urgroßvaters, wie er sie in der Satzung niedergelegt hat, gerecht zu werden. Heute wäre das die gemeinnützige Förderung der Wissenschaft und Forschung in der Luft- und sicher auch Raumfahrt. Dieser Stiftungszweck ist unabänderlich und auch heute zum Nutzen der Stadt sehr gut zu verwirklichen. Warum beschäftigt sich eine Zeppelin-Universität nicht mit Luft- und Raumfahrt, wenn sie schon seinen Namen trägt? Hier könnte ein Kompetenzzentrum für Luft- und Raumfahrt entstehen. Die Stiftungsbetriebe sind kompetent geführt. Die Stifterfamilie hat kein Interesse, diese Strukturen zu ändern oder in die Betriebe hineinzuregieren. Das macht schon der Vorstand, und der versteht mehr davon als der Oberbürgermeister und die Stifterfamilie zusammen. Es geht darum, Impulse zu setzen, was man mit den Erträgen macht – im Dialog mit dem Vorstand.
Wollen Sie die Stadt arm machen?
Ich will der Stadt nicht schaden, sondern setze mich lediglich dafür ein, dass die Dinge geordnet werden. Wenn die restituierte Stiftung Luft und Raumfahrt fördern würde, wäre das Geld der Stiftung gut angelegt und würde nachhaltig dafür sorgen, dass in Friedrichshafen zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen. Aufgabe des Oberbürgermeisters ist es nicht, Stiftungsgelder in ein riesiges Sparschwein einer Ferdinand gGmbH zu stecken, sondern beispielsweise Baugrundstücke zu besorgen, damit sich Luft- und Raumfahrtindustrie ansiedeln kann.
Die Stadt braucht 70 bis 80 Millionen Euro jährlich, um ihren Verpflichtungen aus dem Stiftungshaushalt nachzukommen...
Andere Städte schaffen es ja, ohne eine Zeppelin Stiftung die Daseinsvorsorge für ihre Bürger zu finanzieren. Das schafft auch Friedrichshafen mit dem enormen Steueraufkommen eines Industriestandorts. Die Stiftungsgelder sind nicht erforderlich, um den städtischen Haushalt aufrecht zu halten. Im Gegenteil: Ich halte das für illegal.
Aber genauso wird es seit Jahrzehnten von der Stiftungsaufsicht, dem Regierungspräsidium, und damit dem Land gedeckt.
Ja, deswegen klage ich gegen das Land, weil die Stadt im Einvernehmen mit der Aufsichtsbehörde die Stiftung missbraucht.
Zur Person und Sache
- Albrecht Graf von Brandenstein-Zeppelin, Urenkel des Luftschiffpioniers Ferdinand Graf von Zeppelin, ist 68 Jahre alt und lebt mit seiner Frau auf Schloss Mittelbiberach. Er ist Anwalt und Unternehmer und hat sechs erwachsene Kinder.
- Im September 2015 beantragte er beim Regierungspräsidium Tübingen als Stiftungsaufsicht, die Ur-Stiftung seines Urgroßvaters von 1908 wiederherzustellen, weil deren Auflösung 1947 nicht rechtmäßig gewesen sei. Diesen Antrag lehnte das RP im Dezember 2016 ab.
- Im Januar 2017 reichte Brandenstein-Zeppelin beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage auf Wiederherstellung der "alten" Stiftung ein. Um die Klage begründen zu können, forderte er umfassende Akteneinsicht. Im Dezember 2018 setzte ihm das Verwaltungsgericht eine Frist bis Ende Januar, um zunächst seine Klagebefugnis zu begründen.