Friedrichshafen – Auch wenn man es in der Adventszeit nicht gleich bemerkt: Der Klimawandel verändert auch das Häfler Stadtklima. Deshalb hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am Montag beschlossen, eine umfassende Stadtklima-Analyse in Auftrag zu geben. 200000 Euro sind dafür im Doppelhaushalt 2018/19 vorgesehen, wobei das Bundesumweltministerium Fördermittel in Höhe von 50 Prozent dieses Betrages dazugibt. Doch worum genau geht es?
Viele Straßen und Plätze in Friedrichshafen sind stark versiegelt, sprich entweder asphaltiert oder gepflastert. Beispiele sind der Adenauerplatz, der Antoniusplatz, sowie Wilhelm-, Charlotten- und Eugen-Bolz-Straße. In diesen Straßenzügen sieht man wenige oder gar keine Pflanzen, die sich positiv auf das Umgebungsklima auswirken könnten. Im Sommer ist die Stadt 6 bis 7 Grad Celsius wärmer als das Umland. Damit dieser Unterschied abgemildert werden kann, muss nicht nur die Frischluftzufuhr gewährleistet, sondern auch das Thema Stadtbegrünung in Angriff genommen werden.
Konkret geht es hierbei um Dach- und Fassadenbegrünung, aber auch um das Aufbrechen von versiegelten Flächen zugunsten von neuen Grünflächen. Damit die Auswirkungen des Klimawandels also abgefedert werden können, muss die Stadt grüner werden.
Wie das genau funktionieren könnte, weiß Andreas Schwab. Der Professor für Geografie von der PH Weingarten hat in einer Thermalkartierung das Häfler Stadtklima als Voruntersuchung für die Klima-Analyse betrachtet. Dem Gemeinderat berichtete er am Montag von seinen Erkenntnissen. "Städtische Bausubstanz wärmt sich stärker auf und kühlt sich nachts weniger ab." Deshalb sei es zunehmend wichtig, auf die Begrünung der Städte zu achten. "Städtisches Grün liefert einen riesengroßen Beitrag zur thermischen Entlastung. Generell gilt: so viel Grün wie möglich!" Mit ein paar Blumenkübeln und Bodendeckern auf dem Flachdach sei es nicht getan. "Dachbegrünung mit 10 Zentimeter trockenem Substrat reicht nicht aus. Diese Flächen müssen kühl und feucht sein", so Schwab. Auch große, schattenspendende Bäume spielen eine wichtige Rolle. Denn das Wohlbefinden des Menschen hänge nicht nur von der Lufttemperatur ab.
Im Gespräch mit dem SÜDKURIER zitiert Schwab seinen Kollegen Jürgen Baumüller, der das Problem in vier Schlagworte zusammenfasst: „Unsere Städte müssen grüner, schattiger, feuchter und heller werden.“ Heller, weil helle Flächen mehr Strahlung zurückschicken. Feuchter, weil Feuchtigkeit dazu führt, dass Energie in Verdunstung umgesetzt wird und nicht in Wärme. Grüner, weil die Transpiration der Pflanzen Kühlung bringt. Und schattiger, weil Schatten direkte Einstrahlung verhindert." Insofern sei das Pflanzen von Bäumen in der Stadt eine wirksame Maßnahme, sagte Schwab. Dies gelte im Übrigen nicht nur für die Städte, sondern auch für jeden privaten Hausbesitzer. Auch Fassadenbegrünung müsse ein logischer Schritt sein. Wie sich solche Maßnahmen auf Neubauten, Stadtverdichtung und Baukosten auswirken, blieb am Montag offen.
Im Gemeinderat findet Schwab mit seinen Ausführungen viel Zustimmung, als er über die "innerstädtischen Kieswüsten" spricht, die heute als pflegeleichte Alternative gang und gäbe, für ein angenehmes Stadtklima jedoch Gift sind. Gerlinde Ajiboye-Ames brachte das Problem in der Fraktionserklärung der FDP auf den Punkt: "Wir haben viele leere Plätze in der Stadt und wir müssen hier wieder Lebensqualität schaffen."
Wie eine fortschrittliche Stadtbegrünung aussieht, ist in Ludwigsburg zu sehen. Die Stadt hat im Rahmen eines Forschungsprojektes ein "Grünes Zimmer" aufbauen lassen. Die Wände des 140 Quadratmeter messenden "Zimmers" bestehen aus gestapelten, mit Substrat gefüllten Gitterkörben, in denen laut Stadtverwaltung rund 7000 Pflanzen von insgesamt 30 Pflanzenarten wachsen. Platanen bilden das Dach des Grünen Zimmers. So entsteht mitten in der Stadt eine grüne Insel, die an heißen Tagen für Schatten und Abkühlung sorgt. Bei der Stadtverwaltung Ludwigsburg ist man von dem Modell überzeugt: "Es wird sehr gut angenommen und es ist günstig und einfach in der Planung und Umsetzung."
Ob solche Einzelmaßnahmen am Ende genügen, ist jedoch unklar. Auch Klimaforscher Schwab resümierte am Montag: "Man muss nicht kleckern, sondern klotzen!"