Bernd Fuchs erinnert sich noch gut an die Zeit, in der Friedrichshafens Partnerstadt Sarajevo plötzlich zum Kriegsschauplatz Nummer 1 in Europa wurde. „Dort lebten so viele Religionen jahrelang friedlich miteinander, es war das Jerusalem des Ostens. Und plötzlich gab es grausame Kämpfe“, sagt der ehemalige Gemeinderat, der im Jahr 2000 den Verein Pro Sarajevo gründete. Friedrichshafen und Sarajevo – eine Partnerschaft, die 1972 durch ZF entstand und während den 1990er-Jahren im Bosnienkrieg zur tiefen Freundschaft wurde.

Sarajevo heute: Seit 50 Jahren besteht die Städtepartnerschaft mit Friedrichshafen, einen Festakt gab es bislang noch nicht.
Sarajevo heute: Seit 50 Jahren besteht die Städtepartnerschaft mit Friedrichshafen, einen Festakt gab es bislang noch nicht. | Bild: Stadt Friedrichshafen

„Ein Akt völlig sinnloser Zerstörung“, beschreibt Wolfgang Sigg, wie er den Bosnienkrieg (1992 bis 1995) erlebte. Sigg, ebenfalls ehemaliger Gemeinderat, besuchte Sarajevo seit 1985 regelmäßig. „Die Religion und Ethnie hat damals nie eine Rolle gespielt“, erinnert er sich. Doch dann zerfiel die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien und in Sarajewo eskalierten die Konflikte zwischen den muslimischen Bosniaken und den orthodoxen Serben.

Der ehemalige SPD-Gemeinderat Wolfgang Sigg.
Der ehemalige SPD-Gemeinderat Wolfgang Sigg. | Bild: Wex, Georg
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Im Mai 1992 belagerten bosnisch-serbische Armeen Sarajevo. 1425 Tage Belagerung – die längste, die es im 20. Jahrhundert gab. Serbische Artillerie kesselte die Stadt ein, es gab einen infernalischer Haubitzen- und Granathagel, Zivilgebäude wurden zerstört. Heckenschützen töteten wahllos Menschen, darunter viele Kinder. Massaker fanden statt. Und viele Häfler bangten um das Leben ihrer Freunde im Osten. „Wir hatten solche Angst, dass einer unserer Freunde stirbt“, sagt Sigg. Immer wieder gab es Funkkontakt, Menschen aus Sarajevo berichteten von Verlusten in den Familien. „Einen direkten Bekannten traf jedoch zum Glück nicht“, so der Ex-Gemeinderat.

Gräber, wohin das Auge blickt. Dieses Foto zeigt muslimische Gräber auf dem Hügel über Sarajevo. Im Krieg starben mehr als 100.000 Menschen.
Gräber, wohin das Auge blickt. Dieses Foto zeigt muslimische Gräber auf dem Hügel über Sarajevo. Im Krieg starben mehr als 100.000 Menschen. | Bild: Bernd Fuchs/Pro Sarajevo

Es kam zu einer Luftbrücke, die zur Versorgung von Hunderttausenden eingeschlossenen Menschen aufrechterhalten wurde. Die Luftbrücke von Sarajewo dauerte länger als die Berliner Luftbrücke. Auch Friedrichshafen organisierte zahlreiche Hilfstransporte. „Wir sammelten alles, was ging“, sagt Fuchs.

Bernd Fuchs hat 2000 den Verein „Pro Sarajevo“ gegründet und war mittlerweile mehr als 30 Mal dort, um Spenden zu übergeben ...
Bernd Fuchs hat 2000 den Verein „Pro Sarajevo“ gegründet und war mittlerweile mehr als 30 Mal dort, um Spenden zu übergeben und Menschen zu besuchen. | Bild: Wienrich, Sabine

„Medikamente, Lebensmittel, Baumaterialien“, zählt Sigg auf. Mithilfe der Bundeswehr und Feuerwehr kamen die Hilfsgüter nach Sarajevo. „Damals wurde der alte Nonnenbunker, das Mädcheninternat St. Antonius in der Innenstadt abgerissen“, erklärt Fuchs, „Waschbecken, Stühle, Toiletten, wir haben alles gesammelt, um es nach Sarajevo zu transportieren.“ Zudem stellte Friedrichshafen Unterkünfte für viele Geflüchtete bereit.

Die Nationalbibliothek Sarajevos, das einstige Rathaus, ging in der Nacht vom 25. auf 26. August 1992 in Flammen auf. Millionen Bilder ...
Die Nationalbibliothek Sarajevos, das einstige Rathaus, ging in der Nacht vom 25. auf 26. August 1992 in Flammen auf. Millionen Bilder wurden zerstört. Zunächst wurde sie provisorisch wieder aufgebaut. Dieses Bild entstand nach dem Krieg, das genaue Datum ist unklar. | Bild: Bernd Fuchs/Pro Sarajevo
Generationen von Häfler Schülern besuchten die Partnerstadt. Dieses Foto aus dem Jahr 2012 zeigt Schüler des Graf-Zeppelin-Gymnasiums ...
Generationen von Häfler Schülern besuchten die Partnerstadt. Dieses Foto aus dem Jahr 2012 zeigt Schüler des Graf-Zeppelin-Gymnasiums vor der neu renovierten Fassade der Nationalbibliothek. | Bild: Graf-Zeppelin-Gymnasium

Friedrichshafen und Sarajevo – eine tiefe Freundschaft, die bis heute gelebt wird. Alle zwei Jahre organisiert der Verein Pro Sarajevo seine beliebten Bürgerreisen. Generationen von Schülern haben sich bei Austauschen kennen gelernt. Und auch der Fußball verbindet die beiden Städte.

Friedrichshafen baut Gesundheitszentrum in Sarajevo

„Das Gesundheitszentrum Omer Maslić ist aber das Zeichen unserer Freundschaft“, sagt Sigg. Aufgebaut wurde es durch Spenden von Häfler Bürgern und Firmen. Erst kürzlich spendete Friedrichshafen 40.000 Euro für einen Aufzug. Damit die vielen Kriegsveteranen, die aufgrund von Behinderungen und Amputationen, auf Rollstühle angewiesen sind, behandelt werden können. Der Bosnienkrieg ist vorbei. Die Verletzungen bleiben.

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