Klaus Menge erinnert sich noch, wie er den Zweiten Weihnachtsfeiertag genießen wollte. Doch dann schlug der Piepser des Feuerwehrmanns an. Orkantief Lothar tobte durch Konstanz. Die Feuerwehr hatte rund 300 Einsätze. An jenem Weihnachtsfeiertag des Jahres 1999 herrschte der Ausnahmezustand, selbst bei der Feuerwehr, die durch viele Unwetter und Brandkatastrophen krisenerprobt ist.
Die Fähre stellte für drei Stunden ihren Betrieb ein, die Bahn konnte fast einen ganzen Tag lang nicht mehr fahren. Umstürzende Bäume hatten die Oberleitung bei Allensbach gekappt. Astbruch und umfliegende Bäume waren auch auf anderen Verkehrsachsen ein Problem.
So waren etwa die Universitätsstraße und die Landstraße 220 nach Dettingen zeitweise gesperrt. Auf der Laube stürzte ein Baum auf ein Auto, im Freibürglerweg fielen zwei Pappeln auf ein mehrgeschossiges Wohnhaus.


„Es kam ein Anruf nach dem anderen“
Menge ist ein umgekippter Kamin in Erinnerung geblieben, der abzustürzen drohte. Vom Dachstuhl aus sei es gelungen, ihn zu sichern. Er und rund 200 Kollegen mussten ständig die Motorsäge kreischen und dabei Vorsicht walten lassen. „Die Bäume lagen in alle Richtungen. Da ist Spannung drauf. Da muss man schon genau überlegen, was da passiert, wenn man sägt.“
Kaum habe man eine Lage als bewältigt gemeldet, seien sie schon zum nächsten Einsatz geschickt worden. „Es kam ein Anruf nach dem anderen“, sagt auch Arthur Löffler, der damals der Brandmeister war. Ganz am Anfang habe es Chaos gegeben, auch im Funkverkehr. Meldungen aus dem ganzen Landkreis waren zu hören. „Die Größenordnung war schon massiv.“
Er weiß noch, wie viel Zeit er und Kollegen darauf verwenden mussten, um zum Bettenberg durchzukommen, wo ein Auto geparkt war. Die Insassen hatten sich aber schon selbst in Sicherheit gebracht. Auch er musste gut eineinhalb Stunden warten, bis er wieder sicher zurück konnte. Mithilfe eines Lagetischs habe die Feuerwehr besser auswählen können, was sofort abgearbeitet werden musste.
Klaus Menge weiß noch, wie er kurz nach dem Orkan am Nachmittag mit dem Rüstwagen über die Alte Rheinbrücke gefahren sei. Der See sei ganz ruhig da gelegen, der Himmel sei blau und die Berge seien zu sehen gewesen. „Es war, als wäre nie etwas passiert.“ Doch die Aufräumarbeiten dauerten noch Tage und Wochen an.
Orkantief sorgt für Bildung einer Spezialeinheit
Aus dem Ereignis Lothar habe sich eine Führungsgruppe als Sondereinheit der Feuerwehr gebildet, sagt Matthias Mende. „Die erste Erkenntnis war, dass man einen Aufbau braucht, bevor der erste Anruf kommt.“ Es entstand eine spezialisierte Einheit, die den Einsatzkräften zuarbeitet.
Mende hatte in der Orkannacht eine Sonderrolle. Er gehörte zu den Einsatzkräften, die sich im Feuerwehr-Depot in der Schulthaißstraße als eiserne Reserve bereit hielten, falls neben dem Orkan noch ein Brandunglück in Konstanz, Gottlieben oder Tägerwilen passieren sollte. Der Löschbereich Altstadt musste diese Notreserve vorhalten.

Dieser Artikel erschien erstmals im September 2022 in der gedruckten Zeitung ihm Rahmen der Serie „Gedächtnis der Region“. Nachdem in Konstanz, Allensbach und Reichenau zahlreiche Bäume einem Sommergewitter zum Opfer fielen, veröffentlichen wir diesen Artikel nun auch online.