Drei Streifenwagen stehen an der Auffahrt vor dem Graf-Zeppelin-Haus, sechs Polizisten in Bereitschaft. Drinnen hatte die Stadt zur Bürgerinformation über fünf neue Flüchtlingsunterkünfte mit bis zu 470 Plätzen eingeladen. Wie emotional das Thema besetzt ist, zeigte wenig später eine klare Reaktion der rund 250 Häfler, die sich am Freitagabend im Ludwig-Dürr-Saal versammelt hatten.

Viele zeigen am Anfang die rote Karte

Mit welchem Gefühl sie heute gekommen seien, fragte Detlev Maaß, Leiter der städtischen Volkshochschule, der den Abend moderierte. Noch bevor er erklären konnte, wofür die drei farbigen Karten auf jedem Stuhl liegen, zückten die meisten die rote Karte und hielten sie hoch. Klares Signal: Dieser Abend dürfte kein Spaziergang werden.

Viele rote Karten machten das Stimmungsbild der Besucher im Saal zu Beginn der Veranstaltung deutlich.
Viele rote Karten machten das Stimmungsbild der Besucher im Saal zu Beginn der Veranstaltung deutlich. | Bild: Cuko, Katy

Am Ende der zweistündigen Veranstaltung gab es – wenn auch zaghaften – Applaus. Vor allem dank der souveränen, aber einfühlsamen Moderation von Detlev Maaß gelang eine überwiegend sachliche Diskussion, bei der auf dem Podium das Bemühen groß war, auf jede Frage eine Antwort zu liefern. Bei einer Bürgerinfo zur Einrichtung einer neuen Asylunterkunft in der Müllerstraße war die Stimmung im Oktober sehr viel gereizter gewesen.

Und doch wird sich der Gemeinderat, der am 5. Februar über den weiteren Fahrplan in Sachen Asylunterkünfte entscheidet, mit dem klaren Stimmungsbild vor allem aus Allmannsweiler auseinandersetzen müssen. Die Kritik am Bau einer großen Unterkunft, die bis zu 150 Menschen Platz bietet, war unüberhörbar.

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Dezentrale Unterbringung klappt nicht mehr

Mit den aktuellen Plänen weicht die Stadt wegen der Wohnraumnot vom bisherigen Kurs der dezentralen Unterbringung ab. 1250 Geflüchtete, davon rund die Hälfte Ukrainer, und 263 Obdachlose sind derzeit in Friedrichshafen untergebracht. Ab nächstem Jahr rechnet die Stadt mit jährlich 160 Asylberechtigten, die sie unterbringen muss, was eine „große Herausforderung“ sei, sagte der zuständige Amtsleiter Hans-Jörg Schraitle.

Detlef Maaß, Leiter der Volkshochschule, führte souverän durch den Abend.
Detlef Maaß, Leiter der Volkshochschule, führte souverän durch den Abend. | Bild: Cuko, Katy

Von 40 Grundstücken, die die Stadt geprüft habe, stehen jetzt fünf im Fokus: im Gewerbegebiet Allmannsweiler (Eggenweg/Gabelweg), beim Pfarrhaus in Ettenkirch, beim Feuerwehrmuseum in Waltenweiler, bei der Brunnisachhalle in Kluftern und auf dem Areal des „roten Hauses“ an der Flugplatzstraße, das bis vor wenigen Jahren als Bordell diente und seitdem leer steht. Ob und wann die Heime gebaut werden, darüber entscheidet der Gemeinderat.

Am Ende „immer eine Abwägung“

Nach welchen Kriterien sie ausgesucht wurden, erläuterte Stefanie Fritz, Amtsleiterin für Stadtplanung und Umwelt. Der Standort müsse verfügbar, verträglich und gut erreichbar sein. Aber auch das Konfliktpotenzial im Umfeld spiele eine Rolle. Die Unterkünfte sollen „schnell zu bauen, einfach und kostengünstig sein“, so Fritz, wobei Container nur dort geplant sind, wo das Baurecht befristet ist. Das lasse im Übrigen ein Asylheim auch im Gewerbegebiet zu. In Ettenkirch oder Kluftern könnten dauerhafte Quartiere in Modulbauweise entstehen. „Am Ende ist es immer eine Abwägung“, erklärte sie die Entscheidung für die fünf Standorte.

Auf dem Grundstück, auf dem das „rote Haus“ steht, könnte eine Unterkunft für Geflüchtete entstehen. Das Haus, einst größtes ...
Auf dem Grundstück, auf dem das „rote Haus“ steht, könnte eine Unterkunft für Geflüchtete entstehen. Das Haus, einst größtes Bordell in Friedrichshafen, steht seit Jahren leer. | Bild: Bömelburg, Christina

Doch genau die scheint für viele Allmannsweiler nicht nachvollziehbar. 150 Menschen in einem Ortsteil unterzubringen, der in diesem Areal kaum mehr Einwohner habe: „Wie soll da Integration gelingen“, fragte ein Zuhörer. Was daran verträglich sei, wollten mehrere Bürger wissen. „Das klingt für mich nach blankem Hohn.“ Allmannsweiler werde mit so vielen Geflüchteten „kaputtgemacht“, hier entstehe ein Hotspot, schimpfte ein anderer. Sicherheitsbedenken wurden häufiger angesprochen, genau wie die Sorge der Eigentümer vor Wertverlust ihrer Häuser oder Problemen bei der Vermietung.

Polizeichef sieht kein Sicherheitsproblem

Dieser Sorge versuchte der Häfler Leiter des Polizeireviers, Nicolas Riether, die Spitze zu nehmen. Im Umfeld der bestehenden Unterkünfte gebe es kaum Konflikte mit der Nachbarschaft. Wenn die Polizei gerufen werde, gehe es großteils um Fälle von Ruhestörung oder Geruchsbelästigung. Eher komme es zu Konflikten unter den Bewohnern in den Unterkünften. In die gleiche Richtung argumentierte Bürgermeister Dieter Stauber. Bei einer Sicherheitsbefragung der Bürger im vergangenen Jahr habe sich keine No-go-Area in der Stadt herauskristallisiert. „Unser Ziel ist, dass es so bleibt.“

Das Konzept der Stadt stellten Bürgermeister Dieter Stauber und die Amtsleiter Hans-Jörg Schraitle, Ines Weber und Stefanie Fritz vor ...
Das Konzept der Stadt stellten Bürgermeister Dieter Stauber und die Amtsleiter Hans-Jörg Schraitle, Ines Weber und Stefanie Fritz vor (von links). | Bild: Cuko, Katy

Allerdings stand die Zahl 150 wie ein Pfeiler im Raum und die Sorge, dass dieser Standort in Allmannsweiler als Erstes gebaut und voll ausgelastet werden könnte. „Wie gehen Sie mit unseren Ängsten um? Wir finden uns als Bewohner außen vor gelassen“, reklamierte Andreas Bucher. Mehrfach versicherten Stefanie Fritz und Hans-Jörg Schraitle, dass dieser Maximalwert noch nicht fix sei. Doch genau diese Platzanzahl in der angedachten Unterkunft am Eggweg heizte die Debatte immer wieder an.

Offene Fragen sollen schriftlich beantwortet werden

Die Diskussion ging trotzdem friedlich und unaufgeregt zu Ende. Letzte Fragen nahmen die Verwaltungsvertreter schriftlich mit. Diese sollen genauso beantwortet werden wie im Saal. Die Antworten und alle Informationen zu den geplanten Unterkünften sowie die Ratsvorlage für die Sitzung am 5. Februar findet sich auf der Internetseite der Stadt.

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