Solch ein Heimspiel, quasi in der höchsten politischen Liga, gibt es nur einmal in 100 Jahren. Deshalb sprach Vize-Vereinspräsidentin Alexandra Moosherr am Samstag mit Fug und Recht vom „Jahrhundertereignis“ für den VfB Friedrichshafen. Der letzte Besucher dieses Formats war schließlich König Wilhelm II., der 1912 seine Aufwartung gemacht hatte.

Als Vereinsmanagerin Caroline Steinbach vor etwa vier Wochen den ersten Anruf aus dem Bundeskanzleramt erhielt, hieß die Ansage zunächst freilich: „top secret“. Nur drei weitere Menschen waren eingeweiht: die Vizepräsidentin, Fußball-Abteilungsleiter Andreas Müller und Klaus Segelbacher, der schon zahlreiche Top-Fußballereignisse in der Stadt organisiert hat. „Wir haben was geahnt, aber wir wussten‘s lange nicht“, erzählt Präsidiumsmitglied Hans-Peter Schorpp von drei Woche lauter Stille.
Nach einem Rundschreiben von Alexandra Moosherr am vergangenen Montag wusste es dann die ganze VfB-Familie. Man sei „sehr stolz“, dass der VfB für solch ein Gespräch übers Ehrenamt mit dem Kanzler ausgewählt wurde. Warum das so war? Hauptgrund dürfte die bundesweit renommierte Sepp-Herberger-Urkunde gewesen sein, die die VfB-Fußballer 2020 für einen Top-Auftritt in den sozialen Medien erhielten. Aber auch Themen wie Migration und sportliche Vielfalt in dem Mehrspartenverein und das soziale Engagement haben gezogen.

Riesen-Aufwand in der Vorbereitung
Wie immens aufwendig die Vorbereitung dieses Treffens mit einem Regierungschef ist, war den Verantwortlichen da bereits klar. Vereinsmanagerin Caroline Steinbach war fortan als Hauptansprechpartnerin für das Berliner Team geblockt – eine Aufgabe, die sie „mit Bravour“ gemeistert habe, bedankte sich die Vizepräsidentin danach.
Am Donnerstag rückten dann ein Dutzend Experten von Polizei und Bundeskriminalamt für den Sicherheits-Check auf dem VfB-Gelände an. Ein minutiöser Ablaufplan samt allen Anforderungen ans Protokoll wurden festgezurrt. Wer begrüßt den Kanzler? Wer darf wann wo sein? Wer spricht wie lange?
Umso erstaunlicher, dass am Samstag im Restaurant des Sportlerheims zwei lange im Voraus gebuchte Familienfeiern trotzdem stattfinden konnten, auch wenn die Gäste nicht auf die Toilette durften, solange der Kanzler im Haus war. Draußen auf den Sportplätzen lief alles wie gewohnt: Training, dann Spiele der Nachwuchskicker und mittendrin beim Staatsbesuch der Anpfiff für das Landesliga-Spiel. „Es war ausdrücklicher Wunsch des Kanzlers, dass das sportliche Leben normal weitergeht“, so Hans-Peter Schorpp. Wer aufs Gelände wollte, musste allerdings den Hintereingang an der Mörikestraße nehmen. Der Parkplatz vorn war abgesperrt.

Freilich war das Interesse in der VfB-Familie groß, beim Kanzlerbesuch live dabei zu sein. Doch nur wenige Teilnehmer waren beim Gespräch übers Ehrenamt hinter verschlossenen Türen erlaubt. „Sehen Sie den ausgewählten Personenkreis bitte als den Repräsentant für jeden VfB‘ler, der sich ehrenamtlich engagiert“, bat Alexandra Moosherr schon im Vorfeld um Verständnis. Letztlich waren zehn Funktionäre dabei: sechs von der Fußball-Abteilung, drei vom Präsidium und Vereinsmanagerin Steinbach.
Dass Oberbürgermeister Andreas Brand und Peter Gerstmann, Vorstandschef der Zeppelin GmbH und Hauptsponsor der VfB-Fußballer, mit am Tisch saßen, war eigentlich nicht vorgesehen. Sie wurden als Gäste auf ausdrücklichen Wunsch des VfB bei dieser Stippvisite quasi geduldet. Doch nur diesem Umstand ist es wohl zu verdanken, dass Olaf Scholz‘ Unterschrift nun im Goldenen Buch der Stadt verewigt ist – was eigentlich auch nicht vorgesehen war.

Nach einem „schönem Gespräch in lockerer Runde bei Kaffee und Kuchen“, so Hans-Peter Schorpp, folgte für den Kanzler der wohl launigste Teil seines Besuchs in Friedrichshafen nach den Terminen bei ZF und dem SPD-Landesparteitag. Von hanseatischer Kühle oder Steifheit jedenfalls war nach seinem Einlauf in die VfB-Sporthalle nur wenig übrig. Jeder der 16 Zehnjährigen, die kurz darauf bei einem Einlagespiel dem Fußball nachjagten, wurde vom Kanzler per Handschlag begrüßt. Eine Mannschaft, die Klaus Segelbacher scherzhaft „unsere Weltauswahl“ nennt. Nur einer der Jungs hat deutsche Eltern.

Wenig später umringten zehn langjährige Trainer und Übungsleiter der Fußballabteilung den Gast und scherzten mit ihm beim entspannten Smalltalk, Selfies mit dem Kanzler inklusive. Klaus Segelbacher, der große Events gewohnt ist, wich ihm in dieser halben Stunde kaum von der Seite. „Wir hätten ihm gern viel mehr erzählt“, sagte er danach.
Kurz vor 16 Uhr verließ der Kanzler-Tross das Stadiongelände. Nach einem Dankeschön an die ganze Mannschaft zog Alexandra Moosherr Bilanz. Was hat der Kanzler mitgenommen? „Zeppelin-Pralinen und eine wunderschöne Torte“, scherzte die Vize-Präsidentin. „Wir haben gezeigt, dass wir ein toller Haufen sind.“