Für weniger als 5000 Euro geht bei den von uns befragten Fahrradhändlern in Friedrichshafen und Immenstaad kaum mehr ein Fahrrad raus. Was früher ein Gebrauchsgegenstand war, um von A nach B zu kommen, scheint heute mehr und mehr auch Ausdruck von Status und Prestige zu sein. Sehen Händler einen Imagewandel beim Fahrrad?

„Wir haben das sehr stark mitverfolgt, weil wir mit der MTU eine Kooperation haben“, sagt Sandro Sterzai vom gleichnamigen Fahrradgeschäft in der Paulinenstraße in Friedrichshafen. „Wir begleiten dieses Leihradkonzept seit etwa 20 Jahren: Da ging es darum, immer mehr Mitarbeiter aufs Fahrrad zu bekommen für den Arbeitsweg.“ Es gebe dabei eine klare Tendenz; im Frühjahr und Sommer werde deutlich mehr Rad gefahren. Das Leihradsystem sei insofern eine Inspiration zum Umstieg gewesen, als dass man die Räder während der Mittagspause ausleihen könne, führt Brigitte Sterzai aus.

Sandro und Brigitte Sterzai haben trotz Lieferschwierigkeiten aktuelle Modelle im Laden stehen. Den Trend zum Luxusrad beobachten auch sie.
Sandro und Brigitte Sterzai haben trotz Lieferschwierigkeiten aktuelle Modelle im Laden stehen. Den Trend zum Luxusrad beobachten auch sie. | Bild: Lena Reiner

Mit längerer Nutzungsdauer wachsen die Ansprüche

In den vergangenen zehn Jahren habe die Zahl der Radfahrer deutlich zugenommen, nicht nur für den Arbeitsweg, sondern auch darüber hinaus, schildert Sandro Sterzai. „Inzwischen wird das Rad auch als Allrounder immer gefragter, also auch für die Freizeit. Da steigen dann natürlich auch die Ansprüche an das Rad, weil man nicht nur fünf bis zehn Minuten pro Tag draufsitzt.“ Ergonomie, Komfort, Pannenschutz und Fahrerlebnis spielten dabei die große Rolle.

Seit etwa fünf Jahren beobachte er, dass Fahrräder das Auto oder zumindest das Zweitfahrzeug ablösen. Leasingkonzepte für teurere Fahrrad- und Pedelec-Modelle würden immer häufiger in Anspruch genommen, so Sterzai. „Wer ein edles Auto in der Garage hat, der möchte dann natürlich auch ein Rad, das dazu passt. Inzwischen werden solche Räder auch in Autozeitschriften beworben; das hätte man sich früher gar nicht vorstellen können“, erklärt Brigitte Sterzai.

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Eine Bewegung, die bei Frauen und Männern gleichermaßen zu verfolgen ist? „Das sind schon mehr Männer, die beim Rad aufs Prestige achten“, sagt Sandro Sterzai. Das Fahrrad – da sind sich die Sterzais einig – ist jedenfalls vom „Nutzrad“ weggekommen. Auch das Image von E-Bikes und Pedelecs habe sich deutlich verändert, betont Brigitte Sterzai: „Früher war das ja eher so ein Reha-Rad, es ging um unterstütztes Fahren. Jetzt gibt es mehr und mehr Teenager, die sich ein E-Bike statt eines Mofas anschaffen.“

Der Beruf des Händlers erfährt mehr Anerkennung

Hans Dieter Gmeiner vom gleichnamigen Radladen in der Werastraße in Friedrichshafen ist überzeugt: Das Fahrrad wird heute anders wahrgenommen als in seiner Anfangszeit in der Branche. Habe man früher gesagt, dass man Fahrradhändler ist, so lautete die Reaktion: „Oh, Fahrradhändler?“ – wobei Gmeiner hier einen zweifelnden bis mitleidigen Tonfall wählt. Heutzutage klinge das dagegen anerkennend: „Ah, Fahrradhändler.“ Wenn er privat eingeladen sei, komme er im Regelfall kaum dazu, sich über Persönliches zu unterhalten. „Mir werden sofort lauter berufliche Fragen zu Modellen und aktueller Technik gestellt.“

Hans Dieter Gmeiner spürt den Imagehandel des Fahrrads ganz konkret bei der Wertschätzung seines Berufs.
Hans Dieter Gmeiner spürt den Imagehandel des Fahrrads ganz konkret bei der Wertschätzung seines Berufs. | Bild: Lena Reiner

Dabei gehe der Trend ganz klar zu hochwertigeren und auch hochpreisigeren Fahrrädern. „Es gibt ja inzwischen auch Leasingkonzepte, durch die sich Leute auch Modelle leisten können, die sie sonst nicht bezahlen könnten“, schildert Gmeiner. Auch hier sei die gestiegene Wertschätzung des Zweirads deutlich zu bemerken: „Früher hätten die meisten Leute irritiert reagiert, wenn ich ihnen einen Preis von 5000 Mark für ein Rad genannt hätte. Heute kommen sie bereits mit einem Budget von 3000 Euro oder mehr in den Laden und kommunizieren das auch ganz klar.“

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Freilich sei damit auch der Anspruch ans Rad gestiegen. Dieser Trend wiederum sei besonders positiv für ihn als Händler. „Wer so viel Geld ausgibt, der möchte auch einen gewissen Service und eher seltener das Risiko eingehen, dass auf dem Weg zu irgendeinem Onlinehändler weit weg das Rad etwa beschädigt wird.“ Die aktuellen Lieferschwierigkeiten beträfen freilich alle Arten von Händlern, könnten aber dem Imagewandel des Rads keinen Abbruch tun.

Auch für Nachwuchsradler wird tiefer in die Tasche gegriffen

Die Lieferschwierigkeiten sind auch der Grund, weshalb Bernd Rimmele aktuell nur verkauft, was schon im Laden steht. Seit bald 30 Jahren betreibt er „‘s Sporträdle“ in Immenstaad. Lieferschwierigkeiten seien auch beim Nachbestellen von Ersatzteilen spürbar. „Normalerweise erreiche ich 500 Reifen auf einen Schwung, aktuell kann ich froh sein, wenn bei einer Lieferung 70 verfügbar sind“, nennt Rimmele ein Beispiel. Dennoch laufe der Verkauf gut – auch wenn der Boom, der zu Beginn der Corona-Zeit entstand, inzwischen abgeebbt sei.

Bernd Rimmele ist seit bald 30 Jahren Fahrradhändler. Räder unter 5000 Euro verkauft er im Erwachsenensegment nach eigenen Angaben ...
Bernd Rimmele ist seit bald 30 Jahren Fahrradhändler. Räder unter 5000 Euro verkauft er im Erwachsenensegment nach eigenen Angaben eigentlich nicht mehr. Der Preis könne auch mal in den fünfstelligen Bereich gehen. | Bild: Lena Reiner

Besonders beliebt seien inzwischen sogenannte S-Pedelecs, also schnelle Modelle, die man sozusagen als Mopedersatz auf der Straße fahren könne. Ein großes Argument für diese sei die Sicherheit: Während das Risiko eines Unfalls gerade auf engen Radwegen gegeben sei, sei eine Teilnahme am übrigen Straßenverkehr mit diesen Modellen sicher, so Rimmele. „Gerade, da Immenstaad und Friedrichshafen inzwischen die meisten Straßen auf 30 Stundenkilometer begrenzt haben, ist es absolut kein Problem, sich hier in den fließenden Verkehr einzureihen.“ Den Trend zum Luxusrad bemerke er aber nicht nur beim Wechsel zu den flotten Zweirädern.

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„Es kommt häufiger vor, dass jemand bei einem Rad, das sowieso schon 5000 Euro kostet, für eine bessere Gangschaltung nochmals einen vierstelligen Betrag drauflegt“, schildert er. Und auch hochpreisige Kinderräder seien stark im Kommen. Während er vor drei Jahren vielleicht ein Dutzend teurer Kinderräder verkauft habe, seien es jetzt an die 100 im Jahr. Scheibenbremsen gehörten hier inzwischen zur selbstverständlichen Ausstattung. Für die Großen sei ein Riemenantrieb aktuell der letzte Schrei. Auch sei es für den Großteil seiner Kundschaft üblich geworden, sich alle zwei bis drei Jahre ein neueres Modell anzuschaffen.