„Die Werkstatt ist voll bis an den Anschlag, wir haben alle Hände voll zu tun“, schildert Hans-Dieter Gmeiner. Seit mehr als 30 Jahren betreibt er den Radladen Gmeiner in der Werastraße in Friedrichshafen. So gut es zunächst klingt, dass alle Werkstatttermine ausgebucht sind, so schwierig ist die Lage des Fahrradhändlers inzwischen dennoch geworden.
„Das Ladengeschäft muss geschlossen bleiben. Das macht es für uns auch schwerer, weil wir die Kunden nicht so bedienen können, wie wir gerne würden“, erklärt Gmeiner. Wenn jemand mit einem komplett kaputten Rad zu ihnen komme, fänden sie auch unter den aktuellen Umständen eine Lösung. „Aber es ist zur Zeit alles erschwert. Das sieht man ja auch bei den Friseuren.“

Und das Verständnis für die Situation der Fahrradgeschäfte sei derzeit eher rar: „Alle sagen: Ihr habt ja einen Boom. Aber es ist nicht so blütenreich, wie es draußen aussieht“, beschreibt Gmeiner. Inzwischen seien sie genauso in der Krise wie andere Branchen auch. Aber: „Wir gehören weiterhin zu denen, die versuchen positiv zu denken: Irgendwann wird die Impfung durch sein und dann können wir wenigstens halbwegs zur Normalität zurückkehren.“
Auf manches Ersatzteil warten Werkstatt und Kunden monatelang
Auch Ercan Canikli, Geschäftsführer der Radl-Ecke in der Spatenstraße, beschreibt die aktuelle Situation als kompliziert: „Ich mache das hier jetzt seit 13 Jahren. In all der Zeit hatten wir nie eine Auftragsliste mit solchen Wartezeiten.“ Aktuell seien bestimmte Fahrräder – vorrangig E-Bikes – nur schwer lieferbar. Und auch Ersatzteile und Werkstoffe stünden nicht wie gewohnt zur Verfügung. „Da sind wirklich Standardsachen dabei, die wir regelmäßig benötigen. Sind sie aufgebraucht, dann können wir derzeit nicht einfach nachbestellen“, schildert Canikli. Vier bis fünf Monate müssten manche Kunden daher warten, weil irgendein Teil nicht lieferbar sei.
Generell seien Lieferungen aus dem asiatischen Raum derzeit besonders kompliziert. Die aktuell vorherrschende Rohstoffknappheit habe die Branche zwar noch nicht erreicht, aber mit Lieferengpässen hätten sie dennoch zu tun. Auch bereitet Canikli sich auf zusätzliche Engpässe vor. Konkurrenz gebe es etwa durch die Automobilindustrie im Elektronikbereich: „Die bestellen ja auch ganz andere Mengen und werden daher, wenn gerade etwas knapp ist, bevorzugt beliefert.“

Es brummt – aber eben vor allem in der Werkstatt
Wenn ein Kunde ein neues Rad kaufe, gebe es derzeit zwei Optionen: Der Händler habe es auf Lager oder es müsse mit langer Wartezeit bestellt werden. „Auch die Transportkosten sind stark gestiegen; die haben sich verneunfacht“, ergänzt er. Die Mehrkosten würden zwischen ihm und dem Großhändler aufgeteilt, aber: „am Ende trägt das der Endverbraucher.“ Ungefähr 100 Euro mehr kosteten so die E-Bikes derzeit. Da deren Grundpreise bereits recht hoch seien, schrecke das zumindest niemanden vom Kauf ab, und: „Die Kunden haben Verständnis für die Situation.“ Grundsätzlich sei das Interesse auch da, egal ob Kinderrad, Sportrad, E-Bike: Alle Fahrradtypen seien stark nachgefragt: „Die Leute wollen sich bewegen.“

Das Auftragsbuch für die Werkstatt jedenfalls sei voll. Allerdings, so betont er, sei diese lediglich ein Zusatz zum Hauptgeschäft: „Nur damit kommen wir nicht über die Runden. Das Ladengeschäft macht bei uns den Hauptteil aus.“ Und die Öffnung des Ladengeschäfts hänge nun seit Monaten von den Inzidenzwerten ab.
„Einkaufen mit Termin, also ‚Click and Meet‘, funktioniert einwandfrei bei uns. Wir würden das gern beibehalten können, auch wenn die Inzidenzwerte steigen“, betont er. Angesichts der Ladenfläche dürfte Canikli – wenn er gerade darf – mehr bedingen. Dennoch sagt er: Ein Kunde mit Termin im Laden sei hier seine Vorstellung für eine Dauerlösung, Maske, Abstand und eine geöffnete Ladentür für Frischluft: „Wenigstens das könnten sie uns durchweg erlauben. Ein Fahrrad muss man sich auch genauer anschauen können und mal draufsitzen vor dem Kauf.“

Derzeit sorge auch die Pflicht zum negativen Testergebnis für Verwirrung: „Viele Kunden wissen nicht, wo sie so einen Test überhaupt machen können und wir wissen nicht, woran wir erkennen, ob das Zertifikat überhaupt echt ist und nicht einfach nur selbst am PC gebastelt wurde.“ Canikli fühlt sich als Selbstständiger generell während der Pandemie alleingelassen, in diesem Kontext besonders: „Es gab keinerlei offizielle Information für uns, was wir genau berücksichtigen sollen.“ Auch auf einen Teil der staatlichen Hilfsgelder warte er noch: „Wir versuchen eben, uns mit der Werkstatt über Wasser zu halten.“