Für Barbara Meurer-Herrmann ging kein Weg mehr an der Knie-Operation vorbei, sie brauchte ein neues Gelenk. Deshalb war die Meersburgerin froh, dass sie Ende Februar trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie den OP-Termin in ihrem Wunschkrankenhaus bekam, dem Klinikum Friedrichshafen. Denn hier hat die Rentnerin viele Jahre lang selbst gearbeitet. Der Eingriff selbst verlief problemlos, sie fühlte sich auf der Komfortstation hervorragend versorgt. Doch dann passierte etwas, mit dem sie nicht gerechnet hatte.
Am 2. März wurde eine Patientin zu ihr ins Zimmer verlegt, die sich mit dem Coronavirus infiziert hatte, wie sich letztlich herausstellte. „Wie kann das passieren?“, fragt Barbara Meurer-Hermann. Doch nicht nur das: Neben der Angst, sich möglicherweise angesteckt zu haben, konnte die Seniorin auch nicht die Reha antreten wie geplant, sondern musste in Quarantäne. Da sie – operativ mit einem „frischen“ Kniegelenk versorgt – sich als Alleinstehende nicht zutraute, die zuhause allein durchzustehen, nahm sie das Angebot des Klinikums an, auf der Quarantänestation zu bleiben. Eine Entscheidung, die sie im Nachhinein bereut habe.
Ein Quarantäne-Zimmer in „beklagenswertem Zustand“
Ihr Zimmer, berichtet sie, sei in einem beklagenswerten Zustand gewesen. Die Schranktür war kaputt. Anfangs stand nur ein ungepolsteter Stuhl im Raum, der für sie als frisch am Knie Operierte quasi nicht nutzbar war. Geradezu gefährlich sei für sie wegen der Rutschgefahr der uralte Linoleum-Boden sowohl im Badezimmer als auch in der Dusche selbst gewesen. Der WC-Überbau war kaputt – mit Loch in der Wand. Am Bett gab es weder Schalter für Licht noch für die Notrufklingel. Am schlimmsten allerdings habe sie es empfunden, elf Tage eingesperrt gegen die Wand schauen zu müssen, weil es weder einen Fernseher noch Radio oder ein Tablet zur Ausleihe gab. „Mit allen Ängsten allein in so einem Zimmer, das geht nicht“, sagt sie.
Ihre Vorwürfe, sagt die Meersburgerin, richteten sich aber keinesfalls gegen das Personal, die sich ihrer bestmöglich angenommen hätten. „Sie können nichts für die Umstände und für das menschenunwürdige Zimmer“, sagt sie. Aber sie fordere nun eben öffentlich ein, dass Patienten erst dann auf Station kommen, wenn das Ergebnis des PCR-Tests da sei. Und: „Die Zimmer der Quarantänestation sind so herzurichten, dass es kein Albtraum ist, dort zu liegen. Denn Corona ist noch nicht zu Ende.“ Die Verantwortlichen sollten sich fragen, ob sie unter solchen Umständen da liegen wollten und gesund werden könnten.
Klinikum bestätigt den Fall – und erklärt den Hergang
Das Klinikum Friedrichshafen bestätigt den Fall. Trotz konsequenter Teststrategie landete eine infizierte Patientin in dem Doppelzimmer. Die Frau kam als Notfall mit starken Schmerzen ins Krankenhaus und musste am Folgetag kurzfristig operiert werden. Bei ihr wurde, wie bei jedem Patienten, ein Antigen-Schnelltest, anschließend zusätzlich ein Schnell-PCR-Test in der Zentralen Notaufnahme gemacht.
Negativer Schnelltest, später positiver PCR-Test
Das Ergebnis des Antigen-Schnelltests war negativ, erklärt Susann Ganzert, Sprecherin des Klinikums. Das Ergebnis des PCR-Tests allerdings ließ auf sich warten. Auch wenn der ebenfalls Schnelltest heißt, komme das Ergebnis erst nach mehreren Stunden aus dem Labor, manchmal leider auch erst am Folgetag zurück, so die Erklärung des Klinikums, warum die Patientin bereits auf Station verlegt wurde. „Leider ist es uns aus Kapazitätsgründen nicht möglich, alle Patienten in Ein-Bett-Zimmern unterzubringen. Das wäre vermutlich der sicherste Weg für alle“, erklärt die Sprecherin.
Als dann das positive Ergebnis feststand, wurde die betroffene Patientin sofort verlegt und Barbara Meurer-Hermann als Kontaktperson ersten Grades vorsorglich in Quarantäne „geschickt“. Sie habe sich dafür entschieden, diese Zeit im Klinikum zu verbringen.
Teststrategien wurden zwischenzeitlich optimiert
Der MCB habe im Laufe der 14 Pandemie-Monate viel dazu gelernt, erklärt die Sprecherin des Klinikverbunds. Auch deshalb, weil es immer wieder einzelne Covid-Ansteckungen unter den Patienten gab. „Wir haben unsere Teststrategien optimiert“, so Susann Ganzert. So muss inzwischen jeder geplante Patient einen PCR-Test mitbringen, kann ihn gegebenenfalls aber auch am Tag vor der stationären Aufnahme in den Kliniken in Friedrichshafen oder Tettnang machen. „Erst wenn die Testergebnisse vorliegen, werden die Patienten stationär aufgenommen“, erklärt die Sprecherin.
Inzwischen könnten auch bei Notfall-Patienten PCR-Schnelltests gemacht werden, deren Ergebnis drei bis vier Stunden später vorliege. „Solange wird der Patient in einem Quarantänezimmer untergebracht.“ Nicht zuletzt sei mit den Rettungsdiensten vereinbart, dass sie bei ihren Notfallpatienten schon beim Transport ins Krankenhaus einen PCR-Test machen, was den Prozess zusätzlich beschleunige.
Das ändere jedoch nichts am von Barbara Meurer-Herrmann kritisierten Zustand ihres Quarantänezimmers auf der Isolierstation des Klinikums in der ersten Etage, räumt das Krankenhaus selbstkritisch ein. Diese Pflegegruppe sei seit der Eröffnung des Klinikums im Juni 1975 in Betrieb. „Ja, alles ist ‚in die Jahre gekommen‘. Der viel zitierte Investitionsstau in den Krankenhäusern landauf und landab tritt auch hier deutlich zu Tage“, nimmt die Kliniksprecherin Stellung. In einzelne der 13 Isolierzimmer habe das Klinikum aber bereits investiert.
Keinen Fernseher und kein WLAN im Zimmer
Doch warum lässt man Patienten, die zehn Tage hier allein verbringen müssen, dann auch noch ohne mediale Eindrücke von außen? Aus Sicherheitsgründen wurden seit Frühsommer 2020 sämtliche TV-Geräte in den Patientenzimmern demontiert. Nur auf der Komfortplus-Station gebe es moderne Fernseher am Nachttisch. „Seither arbeiten wir an einer tragfähigen und zukunftsweisenden Lösung, damit die Patienten Unterhaltung haben“, erklärt die Sprecherin des Klinikums. Dieses Konzept beinhalte unter anderem auch ein flächendeckendes WLAN, das es aktuell nicht gibt, aber in Vorbereitung sei. „So können Patienten gegenwärtig bedauernswerterweise auch nicht in allen Zimmern eigene oder Leih-Tablets nutzen.“ Neun Tablets wurden – teils mithilfe des Klinikum-Fördervereins – angeschafft, dazu 20 Digital-Radios zum Verleihen. Zusätzlich gebe es Tageszeitungen.
Klinik-Personal gab sein Bestes
Barbara Meurer-Hermann hat sich glücklicherweise nicht bei ihrer Mitpatientin angesteckt. So konnte sie nach ihrer Entlassung aus der Quarantäne die ambulante Reha antreten. Während ihres verlängerten Aufenthaltes habe das Klinikum alles für die Heilung getan, so Ganzert. Das bestätigt auch die Patientin. So kam regelmäßig ein Unfallchirurg zur Visite. Bis zu drei Mal täglich gab es eine physiotherapeutische Behandlung, um den Genesungsprozess nicht zu gefährden. Mit ihrer Beschwerde hatte sich das Krankenhaus bereits zuvor auseinandergesetzt und sich für Unannehmlichkeiten entschuldigt.