Was im Dezember in der Tettnanger Klinik passiert ist, jagt Margita Geiger, Geschäftsführerin des Medizin Campus Bodensee (MCB), heute noch einen Schauer über den Rücken. Die nackten Zahlen stehen für sich: 99 Mitarbeiter hatten sich (nicht nur bei der Arbeit) mit Covid-19 infiziert.

Auch 49 Patienten erkrankten – und sieben von ihnen verstarben mit oder an dem Virus. Wegen des Corona-Ausbruchs Mitte Dezember musste die Tettnanger Klinik nach einem Aufnahmestopp letztlich schließen. „Uns hat das wirklich arg gebeutelt“, berichtet die Klinikchefin bei einem Pressetermin am Mittwoch.

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Mindestens drei Infektionsherde gab es, so hieß es im Dezember. Zwei Mitarbeiter und ein Patient schleppten das Virus trotz Maskenpflicht und strenger Hygiene-Auflagen ein. Heute ist sich Margita Geiger da nicht mehr so sicher. „Wir hatten uns das ganze Jahr über extrem bemüht, die Tettnanger Klinik Corona-frei zu halten. Und dann das“, sagt sie.

Leerer Flur in der Klinik Tettnang: Im Dezember musste das Krankenhaus nach einem Corona-Ausbruch in den Lockdown.
Leerer Flur in der Klinik Tettnang: Im Dezember musste das Krankenhaus nach einem Corona-Ausbruch in den Lockdown. | Bild: Svenja Graf

Mit welcher Schnelligkeit sich das Virus im 130-Betten-Haus unkontrollierbar und an vielen Stellen gleichzeitig verbreitet habe, könne man „auf kein normales Ausbruchsgeschehen“ zurückführen.

Sie hält es inzwischen für möglich, dass im Krankenhaus bereits eine hochansteckende Corona-Variante grassierte, die zu dem Zeitpunkt labortechnisch noch nicht nachweisbar war. Noch einmal möchte die Klinikchefin so etwas jedenfalls nicht erleben. Auch deshalb gebe es im Klinikum Friedrichshafen „eines der strengsten Test-Regimes auf Landesebene“, sagt sie.

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Trotzdem verschärft sich die Lage zusehends. Auf drei Stationen liegen im Häfler Krankenhaus bereits wieder 20 positiv getestete Patienten. Die Hälfte von ihnen habe sich mit der britischen Virus-Variante infiziert, drei werden beatmet. Dazu kommen vier Patienten in Quarantäne.

42 Corona-Patienten werden derzeit stationär behandelt

Rechnet man die Corona-Patienten im Überlinger Helios-Spital hinzu, wurden Stand Dienstag bereits wieder 42 Patienten im Bodenseekreis stationär behandelt, davon fünf auf der Intensivstation. Die Kurve zeigt steil nach oben. Auf dem Höhepunkt der zweiten Welle wurden 85 Corona-Patienten zeitgleich klinisch versorgt – einschließlich der vielen Patienten in Tettnang.

Neben den 99 Mitarbeitern im Tettnanger Krankenhaus infizierten sich im Haupthaus in Friedrichshafen im vergangenen Jahr weitere 53 Beschäftigte mit dem Corona-Virus. In der Häfler Klinik wurden insgesamt 189 Covid-19-Patienten behandelt, 31 davon verstarben, nennt Margita Geiger die Zahlen für 2020. Die Sorge der Klinikleitung ist groß, dass die dritte Welle nun noch härter zuschlagen könnte.

„Die Dynamik im Infektionsgeschehen ist erkennbar, auch wenn die Kurve bei uns noch nicht so steil ist wie in den Großstädten“, sagt sie. Dort sei man erfahrungsgemäß etwa 14 Tage früher dran. Vor diesem Hintergrund staune nicht nur sie darüber, was die Politik gerade macht. „Sie werden bei uns keinen Arzt oder Pfleger finden, der nicht für einen kompletten Lockdown ist“, erklärt Margita Geiger.“

„Sie werden bei uns keinen Arzt oder Pfleger finden, der nicht für einen kompletten Lockdown ist.“
Margita Geiger, Geschäftsführerin des Medizin Campus Bodensee
Bild 2: Zahl der Corona-Patienten steigt wieder: Klinikleitung in Friedrichshafen blickt mit Sorge auf Entwicklung
Bild: Lena Reiner

Viele Beschäftigte gerade in der Pflege seien in der zweiten Pandemiewelle über den Jahreswechsel „an ihre Grenzen gestoßen“, beschreibt MCB-Sprecherin Susann Ganzert. Der Frustfaktor war hoch, zumal sich viele aus Sorge um ihre Familien auch zuhause isoliert haben.

Aus Gesprächen wisse man, dass viele Pflegekräfte darüber nachgedacht haben, den Beruf zu wechseln. Doch die meisten seien geblieben, weil sie gerade in der Pandemie gespürt hätten, dass ihre Arbeit sehr wertvoll ist. Trotzdem sind aktuell knapp 15 Vollzeitstellen für die Pflege am Bett offen. Ein Personalproblem, das viele Kliniken plagt.

Finanziell gehört der Medizin Campus Bodensee zu den Corona-Verlierern, sagt Margita Geiger – wohl wissend, dass manche Klinik mit der Freihalte-Pauschale besser fährt. Der Bund zahlt für jedes Klinikbett, das wegen der Corona-Auflagen nicht belegt werden kann, 560 Euro pro Tag.

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Doch das reicht nicht; unterm Strich zahlt der MCB drauf. Denn im Schnitt kostet in beiden Häusern ein Bett 600 Euro pro Tag – fehlen also 40 Euro täglich pro Bett, die über die Pauschale nicht abgedeckt werden. Allein im Januar und Februar dieses Jahres kamen 1000 Patienten weniger als geplant zur klinischen Behandlung in Friedrichshafen und Tettnang. Bei rund 26 000 stationären MCB-Patienten jährlich schlägt Corona also auch in den Büchern eine Schneise.