Was für ein wunderbar sonniger Septembertag! Wie gemacht für einen kleinen Stadtbummel durch die Häfler Innenstadt. Man könnte meinen, der Sommer habe gerade erst begonnen. In den Cafés herrscht Dolce Vita, auf den Straßen ein buntes Gewusel, in den Läden ist gut was los. Eine aussterbende Innenstadt, vor der unter anderem der Handelsverband HDE regelmäßig warnt? Nicht heute, nicht hier in Friedrichshafen. Oder?

Auf die ersten verschlossenen Ladentüren stoßen wir in der Karlstraße. Dort, wo bis Januar noch zuckrig-bunte Donuts verkauft wurden, herrscht gähnende Leere. Die Reklame ist mittlerweile abmontiert, ein Teil der Deko hängt noch im Schaufenster.
3500 Euro Warmmiete für einen kleinen Laden
Für knapp 3500 Euro wird das 135 Quadratmeter große Geschäft in Bestlage im Internet vom Immobilienhändler Heinke angeboten. Fast 26 Euro Warmmiete pro Quadratmeter – damit bewegt sich die Häfler Innenstadt auf Ravensburger Niveau. Warum das Objekt so viele Monate leer steht? Eine Nachfrage bei Heinke Immobilien bleibt erfolglos, die Geschäftsführer sind beide außer Haus. Möglicherweise also zu viel Geld für einen kleinen Einzelhändler und zu wenig Fläche für eine Kette oder einen Discounter?

Wenige Meter weiter der nächste Laden, der laut dem Online-Portal von Heinke Immobilien zur Verpachtung steht. Auch wenn hier, in der Karlstraße 30, auf den ersten Blick noch nichts darauf hinweist. Noch hat dort das Jeans Werk seinen Laden, es werden Hosen und Kleider verkauft. Eine Auskunft über die Zukunft des Ladens erhalten wir hingegen nicht. Fest steht bislang also nur: Auch in diesem rund 86,30 Quadratmeter großen Ladengeschäft wird es wohl bald eine Veränderung geben.
Hat der HDE also mit seiner im April veröffentlichten Prognose, dass infolge der Corona-Pandemie, des Online-Booms und der sinkenden Kaufkraft allein in diesem Jahr rund 9000 Geschäfte, vorrangig kleine Einzelhändler, in Deutschland aufgeben werden, doch Recht?
So wie beispielsweise Nazli Yucad, die mit ihrem hübschen kleinen Geschäft „mut“ in der Wilhelmstraße gescheitert ist? Bis Ende März hat Yucad hier kreative Ketten, Kinderklamotten und Karten verkauft, seither steht der Laden leer. Was damit passiert, konnte der SÜDKURIER bislang nicht herausfinden.

Jetzt geht es Richtung Buchhornplatz. Hier hat das beliebte Bistro V2O geschlossen. Seitdem die Besitzer das Zeppelin-Restaurant mit ihrer Bio-Küche übernommen haben, bleiben keine Kapazitäten für das Bistro, das besonders für seinen guten Mittagstisch in der Stadt bekannt war.
Auch ein paar Meter weiter sind die Schaufensterscheiben eines Ladengeschäfts verklebt. „Zur Renovierung geschlossen“, heißt es auf dem Schild. Unter der Nummer, die angegeben wird, erreicht der SÜDKURIER niemanden.

Einmal um die Ecke gebogen dann endlich eine positive Überraschung: Für die große Ladenfläche von Schuh Reno, dessen Handelskette insolvent ist und weitestgehend abgewickelt wird, gibt es Ersatz! Pepco steht in großer Schrift auf den abgeklebten Scheiben. Dazu gibt es gleich einen QR-Code, der auf die Unternehmens-Website führt. Auch Stellenanzeigen werden direkt angepinnt. Immer wieder bleiben Passanten mit fragenden Gesichtern stehen. Pepco? Das kennen wohl die wenigsten.
Dahinter verbirgt sich ein Discounter, ähnlich wie Kik, Tedi und Action, der nahezu alles vertreibt – außer Lebensmittel. Die Muttergesellschaft Pepco-Group sitzt in London, die Läden, in denen es Schulmaterialien, Kleidung, Spielzeug, Dekoration und Textilien zu günstigen Preisen gibt, finden sich bereits in vielen europäischen Ländern. „Wir haben leider zur Zeit noch kein genaues Eröffnungsdatum, arbeiten aber intensiv darauf hin“, erklärt ein Pepco-Sprecher auf Anfrage.
HDE: Es trifft vor allem die kleinen Fachhändler
Gut möglich also, dass sich in Friedrichshafen dann doch das zeigt, was der HDE moniert. Der größte Teil der Schließungen entfällt laut dem Handelsverband nämlich auf kleinere Fachhändler, auf Modeboutiquen, Schuhläden und Bäckereien. Die kleinen netten Läden eben, die einen Einkaufsbummel so abwechslungsreich machen. Zum Glück gibt es davon in Friedrichshafen doch noch einige. Da zeigen sich dann auch die zwei Seiten der Medaille: Denn wer möglichst viele solcher Läden haben will, muss eben auch bei ihnen einkaufen, damit die Händler diese bewegten Zeiten gut überleben können.