Die Nachricht kam per E-Mail, wieder kurzfristig. Wegen „weiterer personeller Ausfälle“ bleibe das Familienzentrum Johannes Brenz die beiden nächsten Tage ganz zu, schreibt Codekan Reimar Krauß am Tag zuvor den Eltern. Das war am vergangenen Dienstag. Freitags ist seit Anfang Juni wegen der derzeitigen Notbetreuung ohnehin zu. Aber auch an den beiden ersten Tagen dieser Woche blieben die Türen (planmäßig) verschlossen – wegen „pädagogischer Tage“. Ohne Personal?

„Stimmung ist schrecklich und sehr traurig“

Der Codedekan schrieb diese Zeilen „mit dem großen Bedauern, dass wir keine bessere Nachricht für Sie haben“. Für die Eltern ist das kein Trost. Seit Monaten gibt es im Brenz-Haus keine verlässliche Betreuung für ihre Kinder mehr. Seit vier Wochen steht die Hälfte des zweigruppigen Kindergartens de facto ohne Platz da. Das geht auch an den Drei- bis Sechsjährigen, die zu eingeschränkten Öffnungszeiten weiter kommen dürfen, nicht spurlos vorbei. „Die Motivation der Erzieherinnen wird immer weniger. Die meisten Kinder möchten gar nicht mehr in den Kindergarten. Diese Stimmung ist schrecklich und sehr traurig“, sagt Elternvertreterin Anna Wolf.

Für viele Kinder bleibt die Tür zum Kindergarten im Johannes-Brenz-Haus seit Wochen immer wieder zu. Die Elternvertreterinnen Anna Wolf ...
Für viele Kinder bleibt die Tür zum Kindergarten im Johannes-Brenz-Haus seit Wochen immer wieder zu. Die Elternvertreterinnen Anna Wolf (Vierte von links) und Sonja König (Vierte von rechts) begehren zusammen mit anderen Eltern dagegen auf, ohne sich wirklich wehren zu können. | Bild: Cuko, Katy

Trägerin ist die Evangelische Gesamtkirchengemeinde Friedrichshafen. Sie verantwortet sechs weitere Kitas in der Stadt. Reimar Krauß ist als neuer Codekan seit wenigen Wochen zuständig. Er verweist darauf, dass der kirchliche Träger vom Fachkräftemangel verstärkt betroffen sei, weil Mitarbeitende der Kirche angehören müssen. Denn in den Einrichtungen gehöre frühkindliche Bildung „auf Grundlage des christlichen Menschenbildes“ zum Programm.

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Dass die Situation für manche Eltern eine erhebliche Belastung darstellt, „nehmen wir wahr“, erklärt der Codekan in einer Pressemitteilung auf Anfrage unserer Zeitung. Aber für die Betreuung gebe es gesetzliche Vorschriften. Eine „Kinderaufbewahrung“ sei nicht möglich. Die Kirchengemeinde arbeite unter Hochdruck an der Personalgewinnung und sei dabei im verstärkten Austausch mit der Stadt. Das Gesundheitsamt erwartet außerdem bauliche Verbesserungen. Nach Aussage von Eltern stehen im Familienzentrum Noadja zu wenig Sanitärräume für die Kinder zur Verfügung. In diese Kita sollen die zwei Gruppen aus dem Brenz-Haus, das Ende August schließt, umziehen.

Rathaus Friedrichshafen
Rathaus Friedrichshafen | Bild: Benjamin Schmidt

Trotz eines Rechtsanspruchs für einen Kita-Platz müssen über 40 Familien seit Monaten mit mangelnder bis gar keiner Betreuung ihrer Kinder leben. Warum nimmt es die Stadtverwaltung hin, dass ein großer Träger seiner Betriebspflicht nicht nachkommt? Das Rathaus sei seit Wochen mit der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde und dem Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) als Fachaufsicht in intensivem Kontakt, „um die schwierige Personalsituation bestmöglich zu überbrücken“, erklärt Stadtsprecherin Monika Blank auf Nachfrage. Die Personalverantwortung obliege jedoch dem Träger. Die Gruppenschließung war demnach alternativlos, „da ansonsten ein Entzug der Betriebserlaubnis droht“. Das Konzept zur Notbetreuung sei mit Stadt und KVJS abgestimmt, die Förderung von Vorschulkindern abgesichert.

Überbelegung auch in anderen Kitas

Also alles nur ein Einzelfall? Nein, gibt die Stadtverwaltung zu. „Auch wenn im Familienzentrum Johannes Brenz im Moment eine Ausnahmesituation besteht, handelt es sich leider um keine Besonderheit in Friedrichshafen„, so Blank, ohne konkreter zu werden. Für Eltern und deren Kinder, die seit vier Wochen zuhause bleiben müssen, habe die Stadt „aus verschiedenen Gründen“ keine kurzfristige Alternative zu bieten. Auch andere Träger und andere Kitas seien „von Personalengpässen betroffen und bereits in der Überbelegung“.

Rathaus: Situation wird sich verschärfen

Aus Sicht der Stadt kommt das dicke Ende erst noch. Das Rathaus verweist auf bundesweit massive Unterbesetzungen in den Kitas, die auch andernorts zu Einschränkungen und Schließungen führen. Und die Situation werde sich verschärfen: Laut Nationalem Bildungsbericht 2022 fehlen allein in den Kitas bis 2025 insgesamt 72.500 Fachkräfte. „Die Stadtverwaltung ist sich dieser Entwicklung bewusst und fokussiert sich auf strategische Entscheidungen mit Politik, Trägern und dem Gesamtelternbeirat, um dieser entgegenzuwirken.“