„Herr Wellmann, stimmt es, dass es in manchen Hallen durch das Dach regnet?“ Der Messe-Geschäftsführer antwortet prompt: „Wie kommen Sie denn auf sowas?!“ Zwei Sätze später relativiert Klaus Wellmann seine Aussage im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Es könne durch jedes Dach regnen, „dann wird es wieder abgedichtet“. Bei so großen Flächen könne das schon mal der Fall sein. „Das ist aber kein besonderes Problem bei uns.“
Flickschusterei statt Sanierung?
Zwei Mitarbeiter der Messe sagen da etwas anderes. Sie haben tiefe Einblicke in die Verhältnisse auf dem Messegelände. Sie bleiben hier anonym, müssten sonst um ihren Job fürchten. Vor allem die Flachdächer zwischen den großen Hallen und die Arkaden seien an vielen Stellen morsch, die Abdeckung darüber löchrig. Betrieben werde Flickschusterei, mehr nicht. Zunehmend Probleme gebe es auch bei einigen der großen Hallentore. Hält die Messe ihr Gelände nicht ordentlich in Schuss?

Klaus Wellmann sagt: „Die Bauerhaltung funktioniert und läuft, dafür haben wir Spezialisten in den eigenen Reihen.“ Ein gutes Beispiel sei die Kälteanlage, die vor einigen Jahren ertüchtigt wurde. Doch Summen, wie viel in die Instandhaltung fließt, will der Messechef nicht nennen. Das sei „nicht mitteilungspflichtig“.
Kaum Geld für Instandhaltung
Seit 2010 waren es insgesamt rund 130.000 Euro, geht aus den Jahresabschlüssen der Besitzgesellschaft der Messe, die IBO GmbH, hervor. Die eine Hälfte wurde bis 2013 in die Bauten gesteckt. Die andere Hälfte der Summe, 64.000 Euro, entfällt auf die besagte Kälteanlage, die 2020 zu Buche schlägt. Von 2014 bis 2019 weist der Bericht durchweg die Summe „0“ bei Instandhaltungen aus. Seit 2014 fließt also kein Geld in die Erhaltung der Bausubstanz, die zum Großteil aus Holz besteht. Dabei ist das neue Messegelände inzwischen auch schon 20 Jahre alt.

Für Investitionen ist die Besitzgesellschaft zuständig. Auch dafür bekommt sie von der Messe GmbH jedes Jahr Miete. Beide Gesellschaften laufen unter einem Dach und haben die gleiche Geschäftsführung: Klaus Wellmann und Finanzchef Stefan Mittag. Und bei beiden ist die Stadt Friedrichshafen Hauptgesellschafter, mit Oberbürgermeister Andreas Brand als Chef des Aufsichtsrats.
Teils doppelt so viel Miete gezahlt
Bis 2018 liefen die Messegeschäfte gut. Der Umsatz stieg fast kontinuierlich, die Betriebsgesellschaft schrieb – in bescheidenem Umfang – schwarze Zahlen. Bis 2019 galt ein Mietvertrag zwischen IBO und Messe GmbH, der eigentlich die fixe Summe von rund 4,2 Millionen Euro als Mietzins festschrieb. Doch überwiesen wurde Jahr für Jahr deutlich mehr. In der Spitze flossen sogar 10,5 Millionen Euro für das Jahr 2014 an die Besitzgesellschaft – fast ein Drittel des Umsatzes.
Wer hat über die stattlichen Mietsonderzahlungen entschieden? „Die Gremien“, sagt Klaus Wellmann, also Gesellschafter und Aufsichtsrat. Durch die hohe Miete sollte die Besitzgesellschaft in die Lage versetzt werden, „hohe Sondertilgungen zu leisten und die Entschuldung voranzutreiben“, erklärt Stefan Mittag. Allerdings ist die IBO GmbH eben auch für Instandhaltung und Wartung zuständig. Dafür fehlte offenbar das Geld. Wenn investiert wurde, dann in den Kauf von Grundstücken in der Nachbarschaft, so wie 2017 und 2018.
Mietvertrag 2019 geändert
2019 wurde der Mietvertrag geändert. Die Outdoor war weg, abgewandert nach München, und damit ein wesentlicher Umsatzbringer. Erstmals reichte es nicht einmal für die Standardmiete. Statt 4,2 wurden nur 2,2 Millionen Euro überwiesen. Der Vertrag wurde modifiziert, seitdem orientiert sich die Miethöhe am Betriebsergebnis der Messe. Das rutschte 2020 tief ins Minus und ließ gar keine Überweisung an die IBO GmbH zu.

Für 2021 fließt hingegen die Rekordmiete von 43,5 Millionen Euro an die Messe-Besitzgesellschaft. Das Geld stammt aus dem Deal mit der Messe Frankfurt. Dafür gliederte die Messe Friedrichshafen die Eurobike und die Aero in die neu gegründete Fairnamic GmbH aus und verkaufte 49 Prozent der Anteile an die Messe Frankfurt. Über den Kaufpreis vereinbarten beide Partner Stillschweigen. Aus den Bilanzen geht hervor, dass wohl um die 45 Millionen Euro vereinbart wurden. Der Betrag liegt weit unter dem Verkehrswert der Geschäftsanteile, steht in einem Gutachten, das die Messe machen ließ. Offensichtlich ein Schnäppchen für die Konkurrenz in Frankfurt.
Erst gar keine, dann Rekordmiete von 43,5 Millionen Euro
Das Geld fließt großteils als Mietzahlung an die Besitzgesellschaft. Mit den 43,5 Millionen Euro könnte die IBO GmbH theoretisch sämtliche Restschulden für den Bau der vor 20 Jahren eröffneten Neuen Messe mit einem Mal ablösen. Laut Stefan Mittag stand die Besitzgesellschaft Ende 2021 bei den Banken noch mit 37 Millionen Euro in der Kreide. Aktuell sind es dank einer ersten Sondertilgung schon wieder 7,5 Millionen Euro weniger. Wofür der Rest des Geldsegens letztlich verwendet wird, ließ der Finanzchef offen. „Wir können es anlegen, zum Tilgen nutzen, investieren“, erklärt er.
Für das Jahr 2022 rechnen Klaus Wellmann und Stefan Mittag mit einem negativen Endergebnis, „aufgrund der Ausgliederung der Aero und der Eurobike“ und des turnusgemäß reduzierten Veranstaltungsprogramms. Das heißt: Nach der Rekordmiete gibt es wieder keine Miete für die IBO GmbH in diesem Jahr.