50 Cent für den Plastikbecher to go oder die Pommesschale, 20 Cent fürs Einwegbesteck: Die Stadt Tübingen war 2022 Vorreiter bei der Einführung einer lokalen Verpackungssteuer, Konstanz ist Anfang des Jahres gefolgt. In vielen Kommunen gibt es Vorbereitungen oder zumindest Diskussionen darüber, es Tübingen und Konstanz gleichzutun – verbunden mit der Hoffnung, dass die Müllmengen sich reduzieren und mehr ökologisch verträglichere Alternativen wie Mehrwegverpackungen benutzt werden.

Tübingen als Vorreiter

Friedrichshafen solle dem „Tübinger Modell“ folgen und eine lokale Steuer auf Einwegverpackung einführen, fordert die Fraktionsgemeinschaft ÖDP/Parteilos und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. In Tübingen habe man „damit bereits gute Erfahrungen gemacht“, so Fraktionsvorsitzende Sylvia Hiß-Petrowitz. Rechtliche Hürden sind inzwischen ausgeräumt: Das Bundesverfassungsgericht hat im Januar 2025 die Tübinger Verpackungssteuer für rechtmäßig erklärt.

Alltag in deutschen Städten: Ein Ladengeschäft wirbt für Kaffee zum Mitnehmen. Geschieht das in Einwegbechern, landen diese im Müll. In ...
Alltag in deutschen Städten: Ein Ladengeschäft wirbt für Kaffee zum Mitnehmen. Geschieht das in Einwegbechern, landen diese im Müll. In Tübingen und Konstanz wird darauf eine Verpackungssteuer erhoben. | Bild: Marijan Murat/dpa

Erst einmal freiwillig?

Die Stadtverwaltung gibt sich indes zurückhaltend, was die Einführung einer Häfler Steuer auf Einwegverpackungen angeht, und schlägt den Räten vor, zunächst darauf zu verzichten. Zuerst will man den lokalen Markt ausloten lassen und setzt auf Freiwilligkeit. Die Idee: Die Stadtmarketing Friedrichshafen GmbH und das Stadtforum sollen mit Essenslieferdiensten, Gastronomiebetrieben, Bäckereien und anderen Partnern bis Ende des Jahres 2025 ein Konzept zur Förderung von To-go-Mehrwegverpackungen entwickeln und ein Konzept „zur Verringerung von Einwegverpackungen für Speisen und Getränke im öffentlichen Raum und seinen Mülleimern“.

Geld für die Stadtkasse

Aus Sicht der Stadtverwaltung gibt es ein gutes Argument für die Steuer: mehr Einnahmen. In Tübingen flossen 2022 fast 1 Million Euro in die Stadtkasse. Konstanz rechnet jährlich mit rund 600.000 Euro Einnahmen. Hunderttausende Euro, mit denen die Stadt die Kosten der Müllentsorgung zumindest finanzieren könnte. Denn die geht richtig ins Geld. Nach Angaben der Stadt Tübingen werden dort jedes Jahr etwa 700.000 Euro für die Entsorgung von Einwegverpackungen von Speisen und Getränken aus öffentlichen Mülleimern aufgewendet.

Mehr Bürokratie befürchtet

Es gibt aus Verwaltungssicht aber auch Argumente, die gegen eine lokale Verpackungssteuer sprechen. Da ist zunächst der Widerstand aus Handel und Gastronomie: Ein breites Bündnis aus Hotel- und Gaststättenverband, Industrie- und Handelskammern und des Handelsverbands
Deutschland würde eine solche kommunale Verpackungssteuer ablehnen. Diese löse nicht das Problem, heißt es von dort.

Betriebe und Verwaltungen fürchten den Aufbau von mehr Bürokratie. Denn von allein setzt sich die Steuer nicht um, dazu braucht es Leute in Verwaltung und in den Betrieben. Es gilt zu dokumentieren und zu schulen. Wie in Tübingen und Konstanz müssten bei der Stadt Stellen geschaffen werden. „Das aktuelle Team der Steuerabteilung könnte die Vorbereitung, Information und die Veranlagung personell auf keinen Fall mit übernehmen“, so die Verwaltung.

50 Cent Verpackungssteuer kostet ein Pappbecher in Tübingen oder Konstanz: In Friedrichshafen gibt‘s so eine Steuer noch nicht.
50 Cent Verpackungssteuer kostet ein Pappbecher in Tübingen oder Konstanz: In Friedrichshafen gibt‘s so eine Steuer noch nicht. | Bild: Ambrosius, Andreas

Teufel steckt im Detail

Eine kleine Wissenschaft für sich ist die Frage, was unter die Steuer fällt und was nicht. In Tübingen wird die Steuer für sämtliche Einwegverpackungen von Lebensmitteln erhoben, die zum unmittelbaren Verzehr zur Verfügung stehen. Anders in Konstanz: Da ist für die Tüte kein Obolus fällig, wenn‘s Brötchen kalt belegt ist.

Tüte für Leberkäswecken kostet etwas

Das führe mitunter zu paradoxen Regelungen. „Die Verpackung, in die ein kalter Zwiebelkuchen
ohne Gabel verpackt ist, wird beispielsweise satzungsgemäß nicht besteuert, der warme
Zwiebelkuchen bei identischer Verpackung hingegen schon“, führt die Verwaltung als Beispiel an. Noch eines gefällig? Bitte: Eine Tüte mit einer Butterbrezel wird nicht besteuert – ist in der gleichen Tüte ein warmer Leberkäswecken, wird die Steuer fällig. Für alle Beteiligten wird das zur Herausforderung.

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Auch Schulen betroffen

Damit nicht genug. Je nach Ausgestaltung der Bestimmungen seien neben Restaurants, Bäckereien, Cafés und Metzgereien von der Verpackungssteuer allgemein alle Anbieter von Mitnahmegerichten in Einwegverpackungen betroffen, die darin „Speisen zum sofortigen Verzehr“ anbieten. „Darunter fallen dann beispielsweise auch Schulen“, heißt es in der Verwaltungsvorlage.

Händler befürchten Nachteile

Neben komplexen Regelungen, Bürokratieaufwand und Kosten fürchten Gastronomen und Händler Wettbewerbsnachteile, wenn in einem Ort Verpackungssteuern anfallen und ein paar Kilometer weiter im Nachbarort keine. Der Vorstand des Stadtforums Friedrichshafen spreche sich laut Stadt deshalb „klar gegen die Belastung der örtlichen Unternehmen“ aus. Der Verein, der Mitglieder der Bereiche Handel, Dienstleistung, Tourismus, Handwerk, Sport oder Bildung unter einem Dach vereint, befürworte aber „freiwillige Maßnahmen“. Auch bundesweit stünden die Wirtschaftsverbände hinter den Zielen Abfallvermeidung und Erhöhung der Mehrwegquote für Essensverpackungen im To-go-Bereich auf freiwilliger Basis.