Wenn ein Unternehmen die Bilanz von 2023 erst 2025 vorlegt, sei das ein schlechtes Zeichen. „Die Zahlen sind besorgniserregend und lassen nichts Gutes vermuten für die Gegenwart und Zukunft“, erklärte CDU-Stadtrat Franz Bernhard am Montagabend im Finanzausschuss zum Jahresabschluss des Medizin Campus Bodensee (MCB).
2023 hat allein das Klinikum Friedrichshafen ein Defizit von 15,4 Millionen Euro ausweisen müssen – fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Nur durch Zuschüsse von rund 11 Millionen aus der Stiftungskasse des Hauptgesellschafters Stadt Friedrichshafen beläuft sich der Fehlbetrag unterm Strich auf 4 Millionen Euro. Mit den Ergebnissen der anderen Gesellschaften im Klinikverbund (Klinik Tettnang, Medizinische Versorgungszentren) steigt der Verlust auf knapp 20,7 Millionen Euro, wovon die Stadt 15,6 Millionen Euro ausgleicht. Der Konzern-Fehlbetrag summiert sich also für 2023 auf 5 Millionen Euro.
Negativtrend hält an
Dieser Negativtrend hält allerdings unvermindert an. Für 2024 rechnet der MCB (ohne Zuschüsse) mit Jahresverlusten von knapp 23 Millionen Euro nur für die beiden Krankenhäuser, im laufenden Jahr mit einem Minus von 24 Millionen Euro. Der MCB sei „in extrem schwierigem Fahrwasser“, kommentierte CDU-Stadtrat Bernhard. Denn die Summen, mit denen der Klinikverbund gestützt werden muss, sind gewaltig. Allein für 2025 gewährt die Stadt 20 Millionen Euro für Betriebskosten, um die Liquidität sicherzustellen. Rechnet man alle Zuschüsse zusammen, die der Gemeinderat seit 2023 bewilligt hat, beläuft sich die Summe auf über 50 Millionen Euro.

Dass nun dringender Handlungsbedarf besteht, ist nicht nur Meinung der CDU-Fraktion. Die dauerhaft hohen Verluste kennzeichnen eine strukturelle Schieflage, die sich durch Zuschüsse nicht korrigieren lässt, erklärte Kai Nopper von der SPD-Fraktion. Der Insolvenzantrag für die beiden Medizinischen Versorgungszentren des MCB sei ein deutliches Alarmsignal. „So wie bisher kann es nicht weitergehen.“ Der MCB sei ein zentraler Pfeiler der Gesundheitsversorgung im Bodenseekreis, stehe aber auf wackligen Beinen. Der Klinikverbund brauche eine Sanierungsstrategie, „die den Namen verdient“, so Nopper, der sein Statement mit einem Dank an alle MCB-Beschäftigten verband.
Wie läuft die Sanierungsstrategie?
Diese Sanierungsstrategie hat die Sana AG erarbeitet, die seit November 2023 als Management-Dienstleister für den MCB verpflichtet ist. In dem 2024 beschlossenen Papier war von einem Einsparpotenzial von 14 Millionen Euro bis 2026 die Rede. Wie viele Projekte laufen, wollte Kai Nopper wissen. Dazu könne sie nicht viel sagen, erklärte Geschäftsführerin Anthea Mayer vor dem Ratsausschuss. Das Berichtswesen habe man neu aufgestellt.


Tatsächlich steigen die Verluste. „Der frische Wind scheint verflogen zu sein“, konstatierte Jochen Reiter (Grüne). Warum immer noch so viele stationäre Fälle nicht codiert und mit den Krankenkassen abgerechnet sind, wollte Gaby Lamparsky (Freie Wähler/FDP) wissen. Was das finanziell ausmacht, zeigt diese Zahl aus den Ratsunterlagen: Anfang 2023 lagen rund 2000 nicht abgerechnete Fälle mit einer Gesamtsumme von rund acht Millionen Euro vor. Weiter heißt es: „Die Vorgabe von 1080 offenen Fällen konnte zu keinem Zeitpunkt erreicht werden.“ Man habe nicht eine Bewerbung auf die Stellenausschreibung als medizinische Codierfachkraft erhalten und zunächst externe Unterstützung geholt, so Mayer. Inzwischen konnten zwei Stellen nachbesetzt werden.
Diese Außenstände sind ein Grund, warum der MCB finanziell so schlecht dasteht. Der Fachkräftemangel beziehungsweise der Krankenstand des Personals ist so gravierend, das ganze Stationen zeitweise geschlossen werden müssen. 2023 wurden in der Häfler Klinik von 370 verfügbaren Betten im Schnitt nur 263 betrieben, in Tettnang 90 von 140 Betten. Weniger Patienten bedeuten weniger Erlöse. Ärzte als Leihpersonal sind noch teurer.
Geschäftsführung und Aufsichtsrat noch nicht entlastet
Aber auch die Ende 2023 eingeleitete Compliance-Untersuchung nach dem Suizid der Oberärztin Elke Küßner belastet den MCB – nicht nur finanziell. Die Vorwürfe sowie die staatsanwaltlichen Ermittlungen hätten „bis zum heutigen Zeitpunkt erhebliche Auswirkungen auf die Fallzahlen“ – vor allem in der Abteilung, die der ehemalige Chefarzt verantwortet hat, dem gekündigt wurde. Er hat mehrere Klagen gegen seinen früheren Arbeitgeber angestrengt. „Das Kostenrisiko für die Klinikum Friedrichshafen GmbH ist derzeit nicht vollumfänglich abschätzbar“, steht in den Unterlagen.
In den Papieren steht auch, dass die interne Untersuchung durch die externe Kanzlei Feigen & Graf beim damaligen Geschäftsführer Franz Klöckner sowie beim Aufsichtsrat „keine wesentlichen Pflichtverletzungen bzw. Pflichtwidrigkeiten“ feststellen konnte. Trotzdem empfiehlt das Rathaus dem Gemeinderat, sowohl Franz Klöckner als auch den Aufsichtsrat bis zum Abschluss der Compliance-Untersuchung sowie der staatsanwaltlichen Ermittlungen für das Geschäftsjahr 2023 vorerst nicht zu entlasten, „da weiterhin ein Restrisiko hinsichtlich der erhobenen Vorwürfe besteht“.