Es ist der 13. Januar 2023, als gegen 21 Uhr in der Häfler Innenstadt ein Drogendeal über die Bühne gehen soll. Ein junger Mann kauft für 650 Euro Haschisch. Der Dealer nimmt die vereinbarte Summe entgegen, der Käufer verlässt mit den Drogen den Platz. Kurz darauf stellen der Dealer und seine Begleiter allerdings fest, die Scheine sind nicht echt, sie wurden mit Falschgeld bezahlt. Sie nehmen die Verfolgung auf, doch der Käufer ist nicht mehr zu finden.

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Sie kehren also zum Romanshorner Platz zurück. In der Nähe hält sich ein Mann auf, der den Käufer im Auto zum Übergabeort gebracht haben soll. Von ihm wollen sie wissen, wie der Käufer heißt, wo sie ihn finden. Als sich der Mann dazu nicht äußert, sollen sie mit den Fäusten auf ihn eingeschlagen haben. Auch Drohungen wie „ich werde ihn abstechen“ sollen dabei gefallen sein, betonte Staatsanwalt Alexander Abt bei der Verlesung der Anklage. Der Haschisch-Verkäufer soll zu diesem Zeitpunkt ein Butterfly-Messer mit sich geführt haben, den Geschädigten auch damit bedroht haben.

Käufer war da bereits verschwunden

Vor dem Amtsgericht Tettnang mussten sich nun zwei Angeklagte unter anderem wegen bewaffnetem Drogenhandel, Körperverletzung und Nötigung verantworten. Der Jüngere räumte die Vorwürfe im Laufe des Prozesses ein. Er habe den Käufer an diesem Abend zum ersten Mal gesehen, habe ihm 100 Gramm Haschisch für 650 Euro verkauft. Recht schnell habe sich gezeigt, dass der Käufer mit Falschgeld bezahlt habe, doch da sei dieser bereits verschwunden gewesen.

Der ebenfalls angeklagte 20-Jährige gab an, nichts mit dem Drogenhandel zu tun gehabt zu haben. Er sei lediglich dabei gewesen, weil ihm sein Bekannter – der 17-jährige Angeklagte – noch Geld geschuldet habe. Das wollte ihm dieser an besagtem Abend geben. „Ein Messer habe ich nicht gesehen“, so der 20-Jährige. Nachdem der Käufer nach der Falschgeld-Übergabe nicht wieder aufgefunden werden konnte, hätten sie den anderen Mann gefragt, „wo der Kollege hingegangen“ sei. „Ja, wir haben ihn dabei auch geschubst. Dass wir auf ihn losgegangen sein sollen, ist aber übertrieben“, so der Angeklagte.

Geschädigter erscheint nicht vor Gericht

Der angebliche Käufer, der vom Jugendschöffengericht als Zeuge geladen war, machte – um sich nicht selbst zu belasten – von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Der Geschädigte, der ebenfalls als Zeuge geladen war, erschien erst gar nicht zum Prozess. Lediglich ein Polizist sagte vor Gericht aus.

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Der Staatsanwalt sah die Vorwürfe als erwiesen an. Der Jüngere habe erhebliche kriminelle Energie bewiesen, sei auch vor körperlicher Gewalt nicht zurückgeschreckt. Er sei vorbestraft und habe sieben Einträge im Bundeszentralregister. Als problematisch wertete er auch die „extrem hohe Rückfallgeschwindigkeit“. So sei er 2022 zur Bewährung verurteilt worden, im Januar 2023 sei das Urteil rechtskräftig gewesen und nur wenige Tage später dann die nächste Straftat, so der Staatsanwalt. Positiv hervor hob er, dass die Taten bereits länger zurückliegen, er ein Geständnis abgelegt hat und inzwischen einen positiven Weg eingeschlagen habe. „Er versucht, sein Leben in den Griff zu bekommen, hat eine Wohnung, einen Ausbildungsplatz“, sagte er mit Blick auf den Bericht der Jugendgerichtshilfe.

Einschlägig vorbestraft

Die Äußerungen des 20-jährigen Angeklagten wertete er zumindest als Teilgeständnis. Dass er das Messer in der Auseinandersetzung nicht gesehen haben will, sah er hingegen als Schutzbehauptung. Auch er sei einschlägig vorbestraft – mit erheblicher Wiederholungsgeschwindigkeit, wie Abt ausführte. Er sei bereits in Haft, dort mache er eine Ausbildung, dieses enge Korsett tue ihm gut. In seinen letzten Worten sagte der Jüngere über den 20-Jährigen: „Ich habe ihn da hingeschleppt, er wusste nicht, worum es geht.“

Das Gericht verurteilte den jüngeren Angeklagten wegen bewaffnetem Betäubungsmittelhandel, Körperverletzung und Nötigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wird. 1000 Euro muss er zudem in monatlichen Raten von 100 Euro an die Diakonie bezahlen. Der 20-Jährige wird zu sechs Monaten verurteilt. Richter Christian Pfuhl betonte: „Das Geständnis spricht für beide.“ Ohne dieses sei man auf die Aussage des Geschädigten angewiesen gewesen, doch der sei erst gar nicht erschienen. Einsicht und Lebenswandel wertete er vor allem bei dem Jüngeren der beiden Angeklagten als positiv.

Christian Pfuhl ist Richter am Amtsgericht Tettnang
Christian Pfuhl ist Richter am Amtsgericht Tettnang | Bild: Nathalie Metzel

Zwar sei es noch nicht so, dass er keine schädliche Neigung mehr vorweise, aber er habe einen neuen Weg beschritten. Hätte man in seinem Fall die Vorstrafe einbezogen, hätte man die Strafe nicht mehr zur Bewährung aussetzen können, so Pfuhl. Mit einer Haftstrafe würde man seinen zum Positiven gewendeten Weg allerdings kaputtmachen. Angesichts der guten Prognose und aus erzieherischen Gesichtspunkten habe man davon abgesehen.

Bei dem 20-Jährigen sei eine Bewährung nicht mehr in Betracht gekommen. Bei der Tat habe er dennoch nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Ihm legte Christian Pfuhl ans Herz: „Machen Sie weiter mit Ihrer Ausbildung. Und wenn Sie rauskommen, legen Sie mit Ihrem Leben nochmal neu los.“