Noch ist das Gesetz nicht beschlossen, aber die Marschrichtung trotzdem klar. In Baden-Württemberg steht die Werkrealschule vor dem Aus. So hat es das Kultusministerium bereits im Sommer kommuniziert. Mit der Bildungsreform, die der Landtag jetzt im Januar beschließen soll, wird nicht nur die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium (G9) oder die Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung festgezurrt.

Das könnte Sie auch interessieren

Der Werkrealschulabschluss, der bisher nach der zehnten Klasse möglich war, wird abgeschafft. Die aktuellen Fünftklässler sind der letzte Jahrgang, die diesen Abschluss spätestens 2030 noch machen können. Wer im September 2025 an eine weiterführende Schule wechselt, kann am Ende der Schullaufbahn nur noch zwischen drei Abschlüssen wählen: Hauptschule, mittlere Reife oder Abitur.

Mittlerer Bildungsabschluss fällt weg

Diese Entscheidung bringt auch die Bodensee-Schule St. Martin in Friedrichshafen in Zugzwang. „Da hat uns das Land vor eine große Herausforderung gestellt“, bekennt Michael Bucher, seit Schuljahresbeginn neuer Leiter des katholischen Bildungszentrums, dessen Kern die Grund- und Werkrealschule ist. Seit 2017 gehört auch ein Berufliches Gymnasium dazu. „Ohne den Werkrealschulabschluss würde der mittlere Bildungsabschluss bei uns fehlen“, so Bucher.

Die Bodensee-Schule St. Martin gibt es seit 1972. Jetzt will sich die Werkrealschule zur Gemeinschaftsschule weiterentwickeln. Ein ...
Die Bodensee-Schule St. Martin gibt es seit 1972. Jetzt will sich die Werkrealschule zur Gemeinschaftsschule weiterentwickeln. Ein Gymnasium gehört schon seit 2017 zum Bildungszentrum dazu. | Bild: 'Katy Cuko

Was nun? Die Bodensee-Schule, die laut Bucher heute die größte Werkrealschule in Baden-Württemberg ist, will sich zur Gemeinschaftsschule (GMS) weiterentwickeln. Es wäre die dritte in Friedrichshafen – neben der Graf-Soden- und der Schreieneschschule in städtischer Trägerschaft. Der Antrag beim Kultusministerium sei schon gestellt, der Bescheid aber noch nicht da, so Bucher.

Schnittmengen mit der Gemeinschaftsschule

„Das ist die einzig richtige Lösung“, sagt der Schulleiter. Denn zwischen dem Marchtaler Plan, nach dem die Bodensee-Schule unterrichtet, und dem GMS-Konzept gebe es viele Überschneidungen. „Wir bilden bereits das ab, was die Gemeinschaftsschule fordert.“ Und auch bei den Schülern sei die gewünschte Durchmischung da. An der Privatschule streben erfahrungsgemäß jeweils rund 40 Prozent den Haupt- oder Werkrealschulabschluss an. Etwa 20 Prozent wollen das Abitur machen.

Lernangebot auf E-Niveau aufbauen

Die aktuell größte Herausforderung sei, das Lernangebot auf E-Niveau für die Schüler ab der fünften Klasse aufzubauen. Denn in Gemeinschaftsschulen können die Kinder je nach Stärken oder Schwächen in den Fächern auf unterschiedlichen Levels lernen, vom G-Niveau (Hauptschulabschluss) über das M-Niveau (mittlere Reife) bis zum E-Niveau (Abitur). Hier stehe das überaus engagierte Kollegium bereits in den Startlöchern, sagt Michael Bucher. Darüber hinaus profitiere die Bodensee-Schule von Synergieeffekten, die das Berufliche Gymnasium auf dem eigenen Campus bietet. Hier gibt es die geforderten Fachräume und Gymnasiallehrer.

Das könnte Sie auch interessieren

Praxis- und Berufsorientierung bleibt

Diese Weiterentwicklung hin zur Gemeinschaftsschule sei aber auch „eine Riesen-Chance, unsere Schule nochmal neu zu denken“, sagt Michael Bucher. Keine Abstriche soll es in der praxisorientierten Ausbildung der Schüler geben. Die Fünft- bis Siebtklässler lernen traditionell in der Handwerkserziehung alle Werkstoffe kennen. Ab Klasse 8 kommt das Thema Berufsorientierung hinzu. Die Bodensee-Schule hat dafür ein eigenes Berufe-Team, das die Schüler betreut und motiviert und in der Region mit Ausbildungsbetrieben und Institutionen gut vernetzt ist. Das Konzept gipfelt in einem Praxistag, den die Zehntklässler der Werkrealschule einmal pro Woche in Betrieben absolvieren.