Erst der Präsident, dann das komplette Präsidium: Mit dem angekündigten Rückzug der VfB-Führungsriege droht dem größten Sportverein in Friedrichshafen Mitte Juli eine Zäsur. Aktuell gibt es für keinen Posten im Vorstand Kandidaten, die bei der Delegiertenwahl des Vereins am 14. Juli Verantwortung übernehmen. Denn alle derzeitigen Amtsinhaber wollen nicht mehr antreten. Ein Schritt, den es in der 115-jährigen Vereinsgeschichte des VfB noch nicht gab.
Vor vier Wochen hatte bereits VfB-Präsident Jochen Benz bekanntgegeben, bei der Wahl nach nur zweijähriger Amtszeit nicht mehr anzutreten. Benz hatte den Ehrenamtsposten im Dezember 2022 übernommen, nachdem der Chefsessel zwei Jahre lang unbesetzt gewesen war. Unter seiner Führung ist das VfB-Präsidium aktuell mit einem Dutzend Aktiven so gut besetzt wie seit vielen Jahren nicht. Doch der eingeschlagene Kurs der Veränderung – „Der VfB muss entwickelt und nicht verwaltet werden“ – brachte vor allem ihm Kritik ein.

Nun zieht das Präsidium nach. Der Rücktritt sei erforderlich, da eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einigen Abteilungsleitungen nicht mehr möglich erscheint. So stand es in der öffentlichen Mitteilung, die am Dienstag verschickt wurde. Und noch deutlicher: „Interessenskonflikte und Eigeninteressen von Amtsinhabern dürfen in einem gemeinnützigen Verein keinen Platz haben.“ Konkreter wird das Schreiben nicht.
Was sagen die Abteilungsleiter?
Der SÜDKURIER wollte von den Leitern der fünf größten VfB-Abteilungen wissen, was sie zum angekündigten Rücktritt des Präsidiums sagen. Andreas Müller-Hirlinger (Fußball), Clemens Schulta (Ski- und Bergsport) und Andreas Looser (Tennis) haben sich nach schriftlicher oder telefonischer Nachfrage nicht zurückgemeldet.
Volleyball-Abteilungsleiter Werner Feiri zeigt sich „überrascht, was passiert ist“. Darüber hinaus gebe es von seiner Seite aber „keinen Kommentar“. Nach dem Gespräch im Hauptausschuss des Vereins vergangene Woche sei das zwischen Abteilungsleitern und Präsidium so vereinbart worden.
Denn überraschend war der Rückzug des VfB-Präsidiums im Kreis der Abteilungsleiter nicht. Bei besagter Sitzung am 21. Mai stand die strategische Ausrichtung des Vereins auf der Tagesordnung. Tenor: Wenn die formulierten Grundlagen der Vereinsarbeit keine Akzeptanz finde, sei ein sofortiger Rücktritt des Präsidiums erforderlich. Diese Nachricht ging tags darauf auch an jene, die nicht mit am Tisch saßen.

Aber auch für Thomas Jeltsch, Vorsitzender der Kanu-Abteilung, sei die Nachricht „in gewisser Weise überraschend“ gewesen, erklärt er am Freitag auf Anfrage. Dass das gesamte Präsidium gehen will, findet er trotzdem erstaunlich. „Ich habe mir noch keine abschließende Meinung gebildet“, sagt Jeltsch. Seiner Meinung nach müsse sich die Situation jetzt erst beruhigen, bevor man mit den Abteilungen das Gespräch sucht. Im besten Fall gelinge es, bei der Delegiertenversammlung des Vereins am 14. Juli einen Neuanfang zu starten.
Welche Rückmeldungen hat die VfB-Spitze bekommen?
Beim VfB scheint Schockstarre zu herrschen. „Bis dato gab es keine Rückmeldung von den Abteilungsleitern, von denen wir uns ein besseres Miteinander erhofft hatten“, erklärt Jochen Benz am Freitag auf Nachfrage. Auch in der Geschäftsstelle blieb es offenbar ruhig. Allerdings hätten sich VfB-Mitglieder gemeldet, die wissen wollten, was eigentlich los sei.
Was passiert, wenn am 14. Juli keiner fürs Präsidium kandidiert?
Jeder Verein braucht einen Vorstand, der beim VfB Präsidium heißt und laut Satzung aus mindestens fünf Personen besteht. Bis zur Delegiertenversammlung am 14. Juli ist der Sportverein voll handlungsfähig. Da aber alle Mitglieder des Präsidiums nicht mehr bei der Wahl antreten oder bis dahin zurücktreten wollen, wäre der VfB führungslos.
Wenn ein Verein keinen Vorstand mehr hat, kann das zuständige Amtsgericht, hier Tettnang, auf Antrag einen Notvorstand bestellen. Der würde die Geschäfte weiter führen, bis ein neues Präsidium gewählt ist. Finden sich allerdings binnen Monaten keine Mitglieder, die in die Verantwortung gehen, bleibt nur die Auflösung des Vereins.

Eine Hängepartie an der Vereinsspitze hätte weitreichende Konsequenzen, auch für die etwa 15 festangestellten Mitarbeiter inklusive der hauptamtlichen Trainer. Ohne Präsidium kann der VfB Friedrichshafen weder Löhne ausbezahlen noch Rechtsgeschäfte abschließen, Verträge unterschreiben oder Bankgeschäfte tätigen. So hängt unter anderem die Lizenz der Profi-Volleyballer am VfB, der 90 Prozent der Gesellschafter-Anteile an der Volleyball-GmbH hält.