Vor nunmehr 200 Jahren, am 20. Mai 1825, hatte ein Mann namens Simon Kremser eine Pferdeomnibuslinie in Berlin eröffnet. Dieses Datum gilt als die Geburtsstunde des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Grund genug also, das 200-jährige Jubiläum des ÖPNV zu feiern. Passend hierzu fand neulich im Stockacher Bürgerhaus Adler Post der Abend des ÖPNV statt, zu dem mehr als 50 Gäste kamen.
Dabei wurde klar: Der Öffentliche Nahverkehr in Stockach ist besser als so mancher denken mag. Potenzial für Verbesserungen ist allerdings auch zur Genüge vorhanden. Daher war auch die Reaktivierung der Ablachtalbahn vielen Zuhörern ein Anliegen.
Stockacher können eigene Ideen einbringen
Eingeladen hatten das Umweltzentrum Stockach, die BUND-Ortsgruppe Bodman-Ludwigshafen-Stockach sowie der Stockacher Verein „Klimakompetent mobil“, um die Ergebnisse und Errungenschaften des Stockacher Diskussionsformats „Runder Tisch Mobilität“ aufzuzeigen. Dabei geht es darum, Optionen zu erarbeiten, wie man den ÖPNV in Stockach verbessern kann. Zudem war es das Ziel, ein weiteres Diskussionspodium zu schaffen, in dem interessierte Stockacher Fragen äußern und Ideen einbringen können.
Eine Reihe von Organisationen, wie der Förderverein Ablachtalbahn, der Verein „Klimakompetent Mobil“ und der BUND-Ortsverein Bodman-Ludwigshafen-Stockach hatten Stände im Veranstaltungssaal aufgebaut. Ferner waren erschienen Ralf Bendl (Verkehrsverbund Hegau-Bodensee), Stefanie Matzner vom Amt für Nahverkehr und Schülerbeförderung des Landkreises Konstanz und Tanja Brehme, Koordinatorin für Mobilität und Klimaschutz des Landkreises Konstanz, und Eva Edelmann-Ohler, Kreisrätin für Bündnis 90/Grüne.
Bessere Anbindung als gedacht
Zunächst präsentierte Bernd Rüffer, Vorsitzender des Vereins „Klimakompetent Mobil“, seine Studie zum ÖPNV in Stockach – mit überraschenden Ergebnissen: Der ÖPNV in der Stadt schneide nämlich deutlich besser ab, als sein Ruf vermuten lasse. Dennoch werde das bestehende Angebot bislang nicht ausreichend genutzt.

Um die Anbindungen zu verbessern, so Rüffer, könne man einen Bürgerbus einführen oder auch einen „Mobility on Demand“-Verkehr (kurz MOB). Gemeint ist damit ein kleiner Bus oder ein Ruftaxi, die jeweils über eine App angefordert werden können.
Apropos Apps: Rüffer fand, die Existenz bereits existenter Apps wie Fairtiq, BWegt oder Cico-BW, die bei der Fahrplanauskunft und beim Ticketkauf unterstützen, müsse noch mehr in das Bewusstsein der Nutzer rücken.
Ablachtalbahn und neue Haltepunkte
Ralf Derwing als Vertreter und Beiratsmitglied des Fördervereins Ablachtalbahn informierte über den aktuellen Stand der Verlängerung des Seehäsle im täglichen Stundentakt über Stockach hinaus Richtung Meßkirch und Sigmaringen. Er ging auch auf die potenziellen neuen Haltepunkte in Hindelwangen, Zizenhausen und Hoppetenzell ein, was die Zuhörer mit großem Interesse aufnahmen.
Im Rahmen eines Diskussionspodiums kamen auch viele Fragen und Themen aus dem Publikum. So bemängelte jemand, dass man aktuell schon noch viel Zeit haben müsse, um sich mit den Öffentlichen fortzubewegen, da man an vielen Haltestellen rund eine Stunde warten müsse, bis ein Verkehrsmittel komme.
Verbindung nach Tuttlingen hat noch Potenzial
Vielfach angesprochen wurde die ausbaufähige Verbindung zwischen Stockach und Tuttlingen, zu welcher Tanja Brehme sagte: „Das ist in unserem Nahverkehrsplan drin. Aber es dauert eine gewisse Zeit, bis die neuen Verbindungen realisiert werden können.“ Fragen wurden zudem laut zur fehlenden Übersichtlichkeit des Stockacher Busbahnhofs. Ein Besucher wünschte sich eine zentrale Beschwerdestelle, bei der man anrufen könne – was sich, laut Stefanie Matzner, aufgrund der fehlenden Arbeitskräfte schwierig gestalten könne.
Grünen-Kreisrätin Eva Edelmann-Ohler betonte die Bedeutung der Vernetzung zwischen dem Runden Tisch Mobilität, der Stadt Stockach und der Beteiligten bei Land und Landkreis. Deutlich wurde auch, dass die schlechte Anbindung des Stockacher Ortsteils Hoppetenzell ein großer Aufreger ist. Besserung könnte die Reaktivierung der Ablachtalbahn im Jahr 2030 bringen, bei der Bernd Rüffer davon ausgeht, dass sie „sicher umgesetzt wird“.
Auch Carsharing hilft, voranzukommen
Bürgermeisterin Susen Katter, der Bernd Rüffers Studienergebnisse durchaus bekannt sind, äußerte gegenüber dem SÜDKURIER, man sei als Stadt im regelmäßigen Austausch mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern und habe sich auch intensiv in den Nahverkehrsplan eingearbeitet.
Sie sagte: „Mobilität bedeutet Lebensqualität und Teilhabe – deshalb ist der Ausbau des ÖPNV für unsere Ortsteile in Stockach ein zentrales Anliegen. Denn nicht alle Menschen sind mobil: Ältere, Jüngere, Menschen ohne Führerschein oder mit geringen Einkommen sind besonders auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen. Zudem leistet der ÖPNV einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende und Entlastung unseres Straßenverkehrs.“
Laut Katter sei das Carsharing, auch wenn dies im Grunde kein klassisches ÖPNV-Angebot sei, doch ein wichtiger Baustein der Verkehrswende. Derzeit beteilige sich die Stadt Stockach an einem Projekt, beziehungsweise einer kreisweiten Carsharing-Ausschreibung.