Ein Vormittag vor der Ankunftshalle des Flughafens. Eine Reisende wuchtet mit Mühe einen Koffer und Ski-Ausrüstung aus dem Gebäude, wo bereits weitere Ankömmlinge in der Kälte bibbern. Doch lange müssen sie nicht in den Minusgraden ausharren, denn schon nach wenigen Minuten hält ein Reisebus vor der Tür. Der Fahrer steigt aus und hilft den circa 30 Wartenden, ihr Gepäck zu verstauen.

Den Wortfetzen nach zu urteilen sind die Reisenden aus den Niederlanden. Ein Blick auf die Anzeigetafel bestätigt die Annahme: Um 9.15 Uhr ist eine Maschine aus Rotterdam gelandet. Was jedoch stutzig macht: Normalerweise unterhält der Flughafen Friedrichshafen keine Direktverbindungen in die Niederlande, weshalb sind die Holländer also hier gestrandet?

Maschine muss wegen schlechter Sicht ausweichen

Bernd Behrend, Pressesprecher des Flughafens, eilt derweil durch die Halle. „Ist der erste Reisebus schon angekommen?“ fragt er einen Mitarbeiter. Dieser nickt. Erleichtert atmet Behrend auf und erklärt: „Heute ist schon Action angesagt. Eine Boeing 737, die auf dem Weg nach Österreich war, musste hier landen, da die Sicht am Innsbrucker Flughafen schlecht war. Und plötzlich standen hier 150 Holländer.“

Kurzerhand organisierten die Mitarbeiter des Flughafens zwei Ersatzbusse nach Innsbruck und mobilisierten Personal, das sich um die Abfertigung der Maschine kümmert. Dass der Flughafen Friedrichshafen als Ausweichlandeplatz herhalten muss, ist zwar immer noch eine Ausnahme, kam in den veergangenen Monaten häufiger vor, wie Behrend aus dem Nähkästchen plaudert. „Eines Morgens Anfang Dezember, als heftiger Schneefall in den Alpen einsetzte, standen hier plötzlich fünf Maschinen. Da viele unserer Mitarbeiter aus der Region sind, lassen sich solch spontanen Einsätze aber in der Regel gut meistern“, so Behrend.

Bernd Behrend ist Pressesprecher beim Flughafen Friedrichshafen.
Bernd Behrend ist Pressesprecher beim Flughafen Friedrichshafen. | Bild: Denise Kley

Für den Mittag werden zwei weitere außerplanmäßige Landung erwartet: eine Maschine der People-Airline, die aufgrund der Wetterverhältnisse die geplante Destination in St. Gallen/Altenrhein nicht ansteuern kann, und eine Easyjet-Maschine, die auf dem Weg von London nach Innsbruck ist und der ebenso die Sicht vernebelt wird.

Von der Insolvenz bis heute

Nachdem der Großteil der gestrandeten Urlauber aus Rotterdam in Bussen in Richtung der österreichischen Alpen sitzt, kehrt wieder Ruhe in der Flughafenhalle ein. Die Check-In-Schalter sind unbesetzt, da der nächste planmäßige Abflug in die mazedonische Stadt Skopje erst in vier Stunden ansteht. Was zur Frage führt, ob die nun leere Abflughalle ein Sinnbild für die wirtschaftliche Lage des krisengebeutelten Flughafens ist.

Rückblick: Anfang 2021 legte der Flughafen beinah eine Bruchlandung hin und meldete Insolvenz in Eigenverwaltung an. Ein Hauptgrund war nach Angaben der Flughafen-Geschäftsführung damals die anhaltende Corona-Pandemie und der dadurch wegfallenden Flugverkehr, was unter anderem dazu führte, dass der Airport Schulden in Höhe von rund 34,5 Millionen Euro anhäufte. Doch mithilfe staatlicher Unterstützung, finanziellen Spritzen der Stadt Friedrichshafen, dem Bodenseekreis und dem Land Baden-Württemberg und dem Verkauf von Land konnte sich der Flughafen aus der finanziellen Misere befreien. Im April 2023 hob ein Gericht in Ravensburg das Insolvenzverfahren in Selbstverwaltung auf.

Eine erste Bilanz des vergangenen Jahres zeigt: Der Bodensee-Airport ist wieder auf einem guten Weg. Während im Krisenjahr 2021 nur 125.000 Flugreisende gezählt wurden, verzeichnete der Flughafen 2023 rund 315.000 Passagiere, wie Behrend mitteilt. Das sind zwar rund 20.000 Passagiere weniger als im Jahr 2022, doch das ist den Krisen der Zeit geschuldet. Die Waldbrände in Griechenland und der Krieg im Nahen Osten führten zu einem Einbruch der Passagierzahlen. So wurden Behrend zufolge die Winterflüge nach Hurghada von der Airline komplett gestrichen.

Luftfahrt in der Krise

Über die Hauptreisezeit im kommenden Sommer sind in Friedrichshafen neun Airlines mit regelmäßigen Verbindungen angesiedelt. Zum Vergleich: Im Geschäftsbericht von 2010 waren noch 21 Airlines gelistet. Doch Corona war für die Luftfahrt eine Zäsur, viele Airlines gingen Pleite und der Kampf der deutschen Flughäfen um die verbliebenen Airlines ist hart – besonders für kleine Regionalflughäfen. Zudem sorgen die vergleichsweise hohen Entgelte, Gebühren und Steuern dafür, dass Deutschland für internationale Fluglinien generell eher unattraktiv sei, sagt Behrend.

2023 wurden rund 315.000 Passagiere verzeichnet.
2023 wurden rund 315.000 Passagiere verzeichnet. | Bild: Denise Kley

Einzel- und Sonderflüge an außergewöhnliche Destinationen

Deshalb setzt das Unternehmen vermehrt auf Einzel- und Sonderflüge, die nur zu einem bestimmten Datum an außergewöhnliche Destinationen führen. Diesen Winter ist das beispielsweise ein Flug nach Kuusamo in Finnland am 5. März. „Diese besonderen Nischenziele werden von anderen, größeren Flughäfen in Ballungsräumen weniger angeboten“, sagt Behrend. Die variierenden Spezialflüge kommen auch bei den Reisenden gut an. Laut Behrend ist der Flieger nach Lappland beinah vollständig ausgebucht. Das liegt aber auch an einer Besonderheit in Friedrichshafen: „Wir haben viele loyale Kunden, die aus der Region kommen und die ihre Urlaubsziele nach dem Destinationsangebot des Flughafens richten.“

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Personal wird aufgestockt

Mit Blick in die Zukunft werden neue Wege beschritten. Bisher hat sich eine Fremdfirma um die Abfertigung der Passagiere gekümmert, doch dieses Jahr wird der Flughafen einen Teil der Check-Ins selbst übernehmen und dementsprechend auch das Personal aufstocken. Aus 130 Mitarbeitern sollen nun 150 werden. Auch der Duty-Free-Shop wird seit 2023 nicht mehr von einem Pächter betrieben, sondern vom Flughafen selbst. „Als Regionalflughafen müssen wir auch an den kleinen Stellschrauben drehen und die Möglichkeiten nutzen, die sich uns bieten“, sagt Sprecher Behrend.