Geschickt spielt Aaron Haußmann den Ball an der Fünferkette vorbei. Er nutzt dafür die Bande, schon hat er nur noch drei Figuren vor sich. Für den Gegner heißt das jetzt: Besonders wachsam sein. Denn Haußmann ist gut darin, ganz plötzlich Tempo zu machen und den Ball geschickt an der Plastikabwehr vorbei ins Tor zu knallen – was er dann auch macht.
Haußmann ist Abteilungsleiter Tischfußball beim VfB Friedrichshafen. 25 Spielerinnen und Spieler gibt es, verteilt auf vier Mannschaften. Mit der ersten Mannschaft des Vereins spielt der VfB mittlerweile in der dritten Bundesliga. Die Mitglieder treffen sich mindestens einmal die Woche im Hinterraum des Dorfkrugs. Dort stehen an einem Dienstagabend im April drei Kickertische, an denen die Spieler trainieren, teils gegeneinander, teils üben sie bestimmte Spielzüge allein – das Geklacker ist schon am Eingang der Gaststätte zu hören.

Seit 2020 beim VfB
„Tischfußball ist mehr als nur ein Kneipensport“, sagt Aaron Haußmann und unter anderem mit diesem Argument hat er 2020 den VfB überzeugt, die Abteilung aufzunehmen. Es geht nicht etwa um eine Nebenaktivität beim Biertrinken – beim Training im Dorfkrug ist es sogar explizit verboten, Getränke auf die Tischkanten zu stellen. Beim Kickern gehe es um Geschick und um ausgeklügelte Spielzüge.
Spielt man als Gelegenheitsspieler mit Haußmann und den beiden Vereinsmitgliedern Michael Schomogyi und Alexander Elbs, wird das deutlich. Da rutscht der Ball an den eigenen Plastikfiguren scheinbar zufällig vorbei und hinterher erklären die Mitspieler, dass das gerade ein trainierter Spielzug war. „Man muss sehr viel von dem Sport verstehen“, sagt Aaron Haußmann. Lücken sehen und den kleinen Ball dort auch hinpassen können, etwa.
Der Hallo-wach-Moment beim ersten Turnier
Ihr Talent entdeckten viele Spieler auf dieselbe Art und Weise: indem sie gewinnen, beim Ausgehen in der Kneipe oder sonst wo. „Fast jeder hat die Phase, wo man denkt: Mensch, ich kann‘s richtig“, sagt Haußmann. Dann komme allerdings der Hallo-wach-Moment bei einem Turnier, der Realitätscheck – und im besten Fall die Motivation, noch besser zu werden.
Alexander Elbs und Michael Schomogyi sind seit etwa einem Jahr dabei, sagen sie. 1999 hatten sie ihre Turnier-Karriere schon einmal beendet, nun aber wieder Lust bekommen. Sie spielen in der zweiten Mannschaft des VfB und damit in der Landesliga. Das Schöne an dem Sport für Schomogyi: Die Spieler und Spielerinnen in Friedrichshafen sind sehr verschieden, das jüngste Mitglied ist 18, das älteste um die 70. „Vom Professor bis zum Fabrikarbeiter“ sei alles dabei.
Abteilungsleiter Haußmann liegt mit seinen 43 Jahren also alterstechnisch in der Mitte. Er erklärt, wie die Landesliga funktioniert: Spieltage gibt es etwa alle sechs Wochen, sie finden in Schmiden in der Nähe von Stuttgart statt. Der Exotensport ist nicht so weitverbreitet, dass es im Land flächendeckend gute Turnier-Spielstätten gibt, sagt Aaron Haußmann.
Schwitzige Hände und ein Schmiermittel
Gespielt wird im Race-Modus. Die Mannschaft, die als erste 42 Tore schießt, gewinnt. Nach je sechs Toren wechseln die Spieler. Eine gemeldete Mannschaft besteht aus mindestens vier und maximal zehn Spielern. Ein Sportler übernimmt den Sturm, einer die Abwehr – zwar habe jeder so seine Präferenz, man sollte aber schon beides können, sagt Haußmann.
„Die Nervosität spielt eine Rolle“, sagt Elbs. Gepaart mit der Anstrengung ergibt das schwitzige Hände. Damit die Spieler nicht von den Griffen der Stangen abrutschen, tragen viele Handschuhe. Oft werden die Griffe auch mit einem Gummiband umwickelt. Wichtig ist in der Sporttasche eines Tischfußballspielers aber noch etwas anderes, Schomogyi stellt es auf den Tisch: Pronto Classic, ein Pflegemittel für Holzoberflächen. Die Tischfußballer nutzen es als Schmiermittel für die Griffstangen.
Ein Problem haben die VfB-Tischfußballer
Es hakt bei den Häfler Tischfußballern allerdings an einer zentralen Stelle, nur hilft da Pronto Classic nicht: „Wie viele VfB-Abteilungen haben wir ein akutes Platzproblem“, sagt Aaron Haußmann. Zwar seien die Vereinsmitglieder froh über das Arrangement mit dem Dorfkrug, hier müssen sie aber nach jedem Training die Tische wieder wegräumen, können nicht beliebig oft trainieren und keine Jugendarbeit machen. Daher ist die Abteilung auf der Suche nach einem dauerhaften Trainingsort, der zu den Ambitionen des Vereins passt.
Wie überall, wo Menschen ambitioniert Sport treiben, gibt es auch beim Tischfußball Verletzungsrisiken: Sehnenscheidenentzündungen im Handgelenk etwa oder Probleme an der Schulter. Aaron Haußmann hat sich mal den Fuß verstaucht, wie er erzählt – nachdem er ein unglückliches Tor kassiert hat, hat er gegen den Tisch getreten.
Verletzungen, Frust über unglückliche Tore, einstudierte Spielzüge – vieles erinnert hier an den richtigen Fußball. Wobei: „Man darf nicht richtiger Fußball sagen“, wirft Aaron Haußmann ein und lacht. Also: Vieles erinnert an den anderen Fußball, auf diese Bezeichnung kann man sich einigen.