Nachdem ein Vater aus Friedrichshafen jüngst die neuen Testpflichten für Kitas öffentlich kritisiert hatte, gibt es erneut Unmut beim Thema Kita-Testung. In der Kita beim Klinikum haben sich laut Einrichtung insgesamt zehn Personen aus sechs verschiedenen Gruppen mit dem Coronavirus infiziert. „In unserer teiloffenen Kita werden jeweils zwei Gruppen übergreifend in einer Kohorte betreut“, erklärt Kita-Leiterin Jana Fehrenbach, „in der Folge müssen jetzt alle 95 Kinder täglich in einem Testzentrum getestet werden.“

Anders als sonst dürfen die Eltern ihre Kinder nicht zuhause testen, sondern brauchen eine offizielle Testbescheinigung. Fehlt diese, darf das Kind nicht in die Kita. Hintergrund ist eine rechtliche Verordnung des Sozialministeriums, die nicht nur von Elternvertretern, sondern auch von Kinderärzten für Kitakinder als nicht praxistauglich angesehen wird.

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Dass diese Regelung der externen Tests bei Kitakindern in der Praxis ad absurdum führt, zeigt das Beispiel Kita beim Klinikum besonders gut. Denn hier – in Fußnähe zum Friedrichshafener Klinikum – werden vorzugsweise Kinder betreut, deren Eltern in medizinischen Berufen und in der Pflege arbeiten, als Krankenpfleger, Therapeuten, Laboranten. Doch nicht mal sie dürfen laut Verordnung ihre Kinder zuhause testen, sondern müssen in ein offizielles Testzentrum, wo eine nicht-medizinische Kraft das Kind abstreicht, die einen Schnellkurs in Sachen Corona-Tests gemacht hat. „Wir erlauben es jetzt Ärzten in Einzelfällen, dass sie ihre Kinder selbst testen“, sagt Leiterin Fehrenbach, „aber eigentlich würde ich mir eine Lösung wünschen, die für alle gleich und einheitlich funktioniert und nicht eine solche Unruhe in die Kita bringt.“

„Viele Eltern sind nach zwei Jahren Pandemie am Anschlag.“
Simon Blust, Elternbeiratsvorsitzender Kita beim Klinikum

Für den Elternbeiratsvorsitzenden Simon Blust steht fest: „Das ist jetzt wieder eine Riesenbelastung für alle Beteiligten, für die Einrichtung, für die Familien, für die Kinder.“ Er verweist darauf, dass in der Kita beim Klinikum Grundvoraussetzung für einen Platz ist, dass beide Elternteile mindestens 30 Stunden erwerbstätig sind und viele daher ohnehin schon unter Zeitdruck stehen. „Viele Eltern sind nach zwei Jahren Pandemie einfach am Anschlag und es nimmt einfach kein Ende“, sagt er.

Jana Fehrenbach leitet die Kita beim Klinikum.
Jana Fehrenbach leitet die Kita beim Klinikum. | Bild: Kita beim Klinikum
„Wir können gerade noch so die Betreuung für die Kinder aufrechterhalten.“
Jana Fehrenbach, Leitung Kita beim Klinikum

Laut Vorgabe des Sozialministeriums könnte die Kita die Kinder auch vor Ort testen. Doch auch diese Möglichkeit erweist sich nicht als praxistauglich. „Im Moment können wir gerade so die Betreuung für die Kinder aufrechterhalten“, berichtet Fehrenbach, „wo soll ich denn das Personal hernehmen, das täglich die 95 Kinder testet?“ Zudem verweist sie auf Datenschutzprobleme und den fehlenden Platz für Testungen, denn nicht-getestete Kinder dürfen das Gebäude nicht betreten: „Wir können doch nicht alle draußen in der Kälte stehen lassen?“

Dieses Problem sieht auch Blust, verweist aber darauf, dass genau das jetzt eben auch vor den Testzentren passiert: „Da stehen die Familien dann draußen und müssen auf das Ergebnis warten. Derweil spielen die Kinder dann wieder miteinander, die Gruppen durchmischen sich, die Eltern unterhalten sich.“ Für ihn stellt sich die Frage, ob es nicht einfach besser wäre, die Eltern weiter zuhause zu testen wie sonst auch: „Nur weil einzelne Familien das dann vielleicht nicht machen, kann man doch nicht alle unter Generalverdacht stellen.“

Testregeln in Kitas

Im nächstgelegenen Testzentrum werden Kinder unter sechs Jahren nicht abgestrichen

Und als wäre die Sache nicht schon kompliziert genug, fahren die Eltern für die Tests jetzt noch mindestens vier Kilometer weit. Denn das nächstgelegene Testzentrum der Johanniter in der Schnetzenhauser Straße streicht nach eigenen Angaben gar keine Kinder unter sechs Jahren ab – aus Haftungsgründen. Je nach Wohnort wäre dann das Testzentrum beim Fitnesstempel in Kluftern oder eines der Testzentren in der Stadt am nächsten. Kapazitäten gibt es nach SÜDKURIER-Recherche noch, wenn auch Termine in den frühen Morgenstunden in manchen Zentren rar sind. Wichtig: Die Tests gelten 24 Stunden, das heißt, die Kinder können auch nach der Kita für den nächsten Tag getestet werden.

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Das Sozialministerium in Stuttgart, das die Teststrategie an Kitas verantwortet und die Testpflicht nun bis Ostern verlängert hat, verweist darauf, dass in Kitas die „Sicherheitsbarrieren“ besonders hochzuhalten seien. „Die fünftägige Testung nach dem Auftreten eines Falls stellt eine Alternative zur eigentlichen Absonderung dar“, erklärt ein Sprecher des Ministeriums. Auf SÜDKURIER-Nachfrage, ob die Tests nicht auch vor Ort von den Eltern selbst gemacht werden könnten, heißt es: „Es geht hier nur um Einrichtung oder Teststelle. Gegenseitige Kontrolle reicht nicht aus.“ Oder mit anderen Worten: Die Politik vertraut den Eltern offensichtlich nicht, selbst wenn sie sich an das Vier-Augen-Prinzip halten würden. Fragt man Kita-Leiterin Jana Fehrenbach danach, ob sie den Eltern ihrer Einrichtung vertraut, sagt sie: „Grundsätzlich traue ich das Testen allen Eltern zu.“ Natürlich wisse sie, dass manche Eltern ihre Kinder nicht testen würden, aber auch die Tests im Testzentrum seien nur eine scheinbare Sicherheit.

Für Kinder, die nicht getestet sind, gibt es ein Betretungsverbot der Kita.
Für Kinder, die nicht getestet sind, gibt es ein Betretungsverbot der Kita. | Bild: Wienrich, Sabine

Kinderarzt: „Nutzen und Aufwand stehen in keiner Relation“

Bei Kinderarzt Dr. Christof Metzler, stellvertretender Obmann der Kinder- und Jugendärzte im Landkreis, sorgt die Test-Regelung in Kitas nur noch für Kopfschütteln. „Die Strategie geht völlig an der Realität vorbei“, sagt er. Kinder spielten nicht die entscheidende Rolle bei der Verbreitung des Coronavirus – und die Kinder- und Jugendarztverbände würden die Instrumentalisierung der Kinder durch die Testpflichten bis ins Kleinkindalter sehr kritisch sehen. „Natürlich ist das politisch bei den Kindern leicht umsetzbar“, merkt Metzler an, „aber Nutzen und Aufwand stehen in keiner Relation.“ Es sei schlichtweg nicht mehr verhältnismäßig, die Kinder und Familien auf diese Art und Weise mit zweifelhaften Maßnahmen zu belasten.

Niemand weiß, wie lange diese Situation in der Kita beim Klinikum andauert. Denn je engmaschiger getestet wird, desto mehr Fälle kommen auch ans Licht. „Wir warten aktuell noch auf weitere sieben PCR-Testergebnisse“, sagt Fehrenbach. Gut möglich also, dass die Eltern mit ihren Kindern noch eine ganze Weile weiter täglich in die Testzentren gehen müssen – oder in Quarantäne sitzen.

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