Im Hintergrund ruht eine Ente, es geht ein leichter Wind. Es ist friedlich am See, die Sonne wird hin und wieder von einer vorbeiziehenden Wolke verdeckt. Ein brütender Schwan steht kurz auf, um das einzige Ei, auf dem er brütet, mit dem Schnabel herumzudrehen. Da kommt ein Stein aus dem Nichts geflogen, ein zweiter folgt. Der Schwan setzt sich schnell wieder auf sein Ei, macht sich groß und faucht. Diese Szene spielte sich kurz nach den Aufnahmen des Nestes für diesen Artikel ab.

Dieses Idyll wird kurz nach dem Foto durch einen Steinwurf gestört.
Dieses Idyll wird kurz nach dem Foto durch einen Steinwurf gestört. | Bild: Lena Reiner

Erst kürzlich steckten zerbrochene Bierflaschen in Nest

Susanne Kinsch, die in Fischbach privat Schwäne und Enten in Not aufnimmt, reagiert wenig verwundert auf die Schilderung. „Ich gehe eigentlich gar nicht mehr an die Uferpromenade“, sagt sie. Da sehe ich zu viel von so etwas oder auch, dass die Menschen ihren Unrat einfach hinterlassen.“ Zuletzt sei sie an der hinteren Hafenmole gewesen, um zerbrochene Bierflaschen aus einem Nest zu holen, die dort hochkant hinein gesteckt worden waren. „Die Schwänin saß auf ihnen und hätte sich verletzen können“, schildert sie.

Susanne Kinsch rettet seit 12 Jahren Enten und Schwäne. Dafür hat sie eine Prüfung beim Veterinäramt abgelegt – sonst dürfte sie ...
Susanne Kinsch rettet seit 12 Jahren Enten und Schwäne. Dafür hat sie eine Prüfung beim Veterinäramt abgelegt – sonst dürfte sie keine Wildtiere „entnehmen“. Sie sagt: „Alle finden Schwäne zwar schön. Rücksicht wird auf sie nicht genommen: Schwäne haben keine Lobby.“ | Bild: Lena Reiner

Eine Spaziergängerin habe die missliche Lage entdeckt und sie angerufen: „Das ist das Positive; die Mehrheit der Leute holt Hilfe, wenn sie einen Vogel in Not sieht.“ Dabei könnten diese die Feuerwehr oder Polizei anrufen: „Die haben dann auch beispielsweise meine Nummer, wenn sie selbst nicht weiter wissen.“

Nicht nur zerbrochene Glasflaschen stellten dabei eine Gefahr für die Tiere dar. Auch vermeintliche Kleinigkeiten könnten diese in Gefahr bringen. „Junge Schwäne versuchen eigentlich alles zu fressen. Ich habe mal einem verklebte Chips und Erdnussflips aus dem Schnabel geholt, er hätte daran ersticken können“, beschreibt Kinsch. Aber auch Plastikteile würden so verschluckt oder andere Abfälle. Landeten diese im Magen der Vögel sei dies nicht nur ungesund oder gar giftig, sondern vermittle den Tieren obendrein ein falsches Gefühl von Sattheit: „Sie verhungern im schlimmsten Fall mit vollem Magen. Denn aus dem Abfall können sie ja keinerlei Nährstoffe ziehen.“

Im Schwanennest sammelt sich der Müll.
Im Schwanennest sammelt sich der Müll. | Bild: Lena Reiner

„Nehmt doch einfach eure Sachen wieder mit“

Ihr Appell an die Menschen laute daher ganz einfach: „Lasst keinen Unrat zurück. Es kann ja jeder den See genießen, aber nehmt doch einfach eure Sachen wieder mit.“ Das gelte selbstverständlich auch für Angler. Diese ließen manchmal verhedderte Angelschnüre zurück, statt diese einzupacken.

Zuletzt habe sie einen Graureiher zum Tierarzt bringen müssen, in dessen Körper sich ein Drilling verhakt habe. Manche Wasservögel hielten ein Knäuel aus Angelschnüren aber auch wiederum für Nahrung und verschluckten sie. Diese könne sich um die Speiseröhre wickeln oder aber die Haken fügten den Tieren schwere Verletzungen zu. „Das ist hier ja kein Tiefseefischen, bei dem man keine Chance hat, die Angelschnüre wiederzufinden“, betont sie verärgert.

Susanne Kinsch dokumentiert für sich selbst die Vorfälle: Diese Angelschnüre hat sie an und in Vögeln gefunden. Diese Haken nennt sie ...
Susanne Kinsch dokumentiert für sich selbst die Vorfälle: Diese Angelschnüre hat sie an und in Vögeln gefunden. Diese Haken nennt sie vergleichsweise harmlos: „Drillinge mit ihren Widerhaken sind deutlich übler.“ | Bild: Lena Reiner

Dabei sei ein guter Umgang mit Enten und Schwänen gar nicht so kompliziert. Ein bisschen Respekt sei wichtig, Abstand halten zu brütenden Vögeln, damit diese nicht gestört würden, denn: „Wir nehmen ihnen sowieso schon so viel von ihrem Lebensraum.“ Durch die Bebauung ufernaher Bereiche seien die Tiere dazu gezwungen, menschennah zu nisten.

Rücksicht nehmen und Distanz wahren

Immer wieder suchten sich Enten auch Balkone für ihr Gelege aus. Da bestehe dann vor allem die Gefahr, die Küken nach dem Schlupf sicher zum nächsten Gewässer zu bringen: „Die Mutterente fliegt dann los und wer mitkommt, kommt mit.“ Je nach Höhe des Gebäudes würden so Küken zurückgelassen. Immer wieder führten die Wege, die die Küken watschelnd zurücklegen müssten, über Straßen oder Bahngleise, kein leichter Weg für die Jungtiere. „Im letzten Jahr habe ich allein 36 verwaiste Küken bei mir gehabt“, schildert Kinsch.

Gut versteckt unter Minzblättern nistet diese Ente in einem Blumenkasten auf dem Balkon.
Gut versteckt unter Minzblättern nistet diese Ente in einem Blumenkasten auf dem Balkon. | Bild: Lena Reiner

Viele Tiere seien den Menschen gewöhnt, so auch Vögel, die menschennah am Bodensee zuhause sind. Dennoch gibt es immer wieder Berichte von „gefährlichen Schwänen“. Die möchte Kinsch entkräften: Schwäne, die brüten oder Junge haben, seien sie wie alle Elterntiere darum bemüht, ihren Nachwuchs zu schützen. Daher heiße es: Rücksicht nehmen und Distanz wahren. Kinsch betont: „Ein Schwan wird nicht grundlos aggressiv. Wenn er den Hals entgegenreckt oder faucht, dann ist das ein Stoppsignal.“ Hier gelte es, die Grenzen des Tieres zu respektieren und zurückzuweichen, besonders in der Brutzeit.

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Kinsch kennt die Körpersprache der Tiere gut. Der erste Schwan, den sie gerettet hat, lebte acht Jahre bei ihr. Sonntag nannte sie ihn, da sie ihn an einem solchen bei sich aufgenommen hatte. „Der zweite Schwan hieß dann Freitag“, erinnert sie sich. „Und dann sind mir die Wochentage ausgegangen“, sagt sie und lacht.

Inzwischen habe sie mehr als 140 Schwäne gerettet, wird sie sofort wieder ernst. Dabei nehme sie eine negative Entwicklung war, ihre Hilfe werde immer häufiger benötigt, da die Menschen sich rücksichtsloser verhielten und mehr und mehr Lebensraum der Tiere bebaut werde: „Allein durch den Uferweg haben vier Schwäne ihre Nistplätze verloren. Die sind da sehr standorttreu und versuchen es immer wieder.“

Geschützt vor Flut ist das Blässhuhn dank der schwimmenden Nisthilfe zwar, doch Abfall erreicht es auch hier. Zwischen Plastikstrohhalm ...
Geschützt vor Flut ist das Blässhuhn dank der schwimmenden Nisthilfe zwar, doch Abfall erreicht es auch hier. Zwischen Plastikstrohhalm und -verpackung hat es sein Nest gebaut. | Bild: Lena Reiner

Im schlimmsten Fall würden die Eier weggespült, da die Nester zu ungeschützt direkt am See gebaut würden. In diesem Jahr habe sie in Fischbach noch kein einziges Ei an den üblichen Brutplätzen entdecken können.

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