Am Donnerstagnachmittag ging es im Ravensburger Kreistag einmal mehr um die künftige Medizinstrategie der Oberschwabenkliniken (OSK). Prominenter Gast war der baden-württembergische Sozial- und Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Was er hier über seine Visionen zur Krankenhauslandschaft in der Region Bodensee-Oberschwaben zum Besten gab, sorgt für heftige Diskussionen – auch im Bodenseekreis.

Die Krankenhäuser in Friedrichshafen und Tettnang könnten schon bald zu den OSK gehören, habe Lucha angedeutet, berichtet die „Schwäbische Zeitung“. Für das Krankenhaus Tettnang sehe er keine Zukunft. Und die Übernahme des Weingartener Krankenhauses „14 Nothelfer“ durch das Klinikum Friedrichshafen bezeichnete Lucha demnach als „Schwachsinn“ und „größten Kardinalfehler“.
„Das löst bei uns durchaus großes Befremden aus – sowohl über Inhalt, Stil als auch Ton.“Andreas Brand, OB von Friedrichshafen und Vorsitzender des Aufsichtsrats am Klinikum
Laut diesem Bericht sieht der Minister das Elisabethenkrankenhaus in Ravensburg als großen Zentralversorger in der Region und das Klinikum Friedrichshafen als Partner in einem „kleineren Neubau“. Tettnang werde als Akutklinik geschlossen und könnte allenfalls als „Zentrum für Primärversorgung“ weitermachen. Dahinter steckt das Konzept einer ambulanten Poliklinik. Das Sozialministerium erklärte auf Anfrage, dass diese Aussagen „für sich stehen“.
OB Brand und MCB-Chef Klöckner irritiert über Minister Lucha
In Friedrichshafen sei man „höchst irritiert über das Vorgehen, die Aussagen und die Wortwahl“, erklären Stadt und MCB in einer gemeinsamen Stellungnahme auf Anfrage unserer Zeitung. Oberbürgermeister Andreas Brand, zugleich Vorsitzender des Klinikum-Aufsichtsrats, und MCB-Geschäftsführer Franz Klöckner halten es für „ungewöhnlich“, dass der Ministers seine Vorstellungen über die Kliniken im Kreistag Ravensburg vorstellt.

„Bisher liegen uns keine offiziellen Stellungnahmen oder konkrete Überlegungen des Ministeriums vor.“Franz Klöckner, Geschäftsführer am Klinikum
„Das löst bei uns durchaus großes Befremden aus – sowohl über Inhalt, Stil als auch Ton“, betont OB Brand. Lucha war erst vor wenigen Tagen im Häfler Klinikum zu Gast. Der OB erwartet, dass sich der Minister „sehr bald auch vor unseren Gremien konkret und sachlich zu seinen Plänen äußern wird“. Dazu habe er ihn eingeladen. Auch für Klöckner waren die Ideen zu Friedrichshafen und Tettnang neu: „Bisher liegen uns keine offiziellen Stellungnahmen oder konkrete Überlegungen des Ministeriums vor.“
Doch wie nehmen Stadt- und MCB-Spitze die inhaltlichen Aussagen Luchas auf?
Soll der MCB mit den Kliniken Friedrichshafen und Tettnang Teil der Oberschwabenkliniken (OSK) werden?
Es sei falsch, dass OSK und MCB seit Monaten hinter verschlossenen Türen über eine Fusion verhandeln würden, so Brand und Klöckner. Richtig sei, dass sich die Aufsichtsräte beider Häuser zu einer ersten gemeinsamen Sitzung im Juli 2021 in Weingarten getroffen haben. Konkret wurde dabei beschlossen, am Häfler Klinikum eine gemeinsame, zentrale Sterilgut-Aufbereitung zu planen und zu bauen. Die Zuschussanträge lägen dem Gesundheitsminister seit Oktober 2021 vor. Dass die beiden Verbünde zusammenarbeiten, sei also „kein Geheimnis“. Allerdings gebe es auf keiner Ebene Gespräche darüber, „dass MCB und OSK unter dem Dach des OSK-Krankenhausverbundes im Landkreis Ravensburg vereint werden sollen“.
Soll die Klinik Tettnang geschlossen werden?
Auch diese Aussage Luchas stößt in Friedrichshafen auf Unverständnis. Die Klinik Tettnang sei als Haus der Grund- und Regelversorgung im Krankenhaus-Bedarfsplan des Landes verankert. Sie sei seit mehr als 50 Jahren eine verlässliche Größe in der Krankenhauslandschaft: Die Geburtshilfe, die zertifizierten Zentren der Klinik und nicht zuletzt der neue OP, den das Land mit mehr als 4,5 Millionen Euro gefördert hat und der vor einem Jahr in Betrieb ging, machen das Haus zukunftsfähig, betont Klöckner.
Steht der Neubau für ein „kleineres“ Klinikum Friedrichshafen auf dem Plan?
„Was sich Minister Lucha darunter vorstellt, entzieht sich leider unserer Kenntnis“, sagt Brand. Lucha habe öffentlich immer wieder von zwei Zentralversorger-Krankenhäusern in der Region gesprochen, eines in Ravensburg und eines in Friedrichshafen. „Diese Zusage muss weiterhin gelten“, fordert der OB. Auch Klöckner betont: „Ich weiß leider nicht, was Minister Lucha mit einem kleinen Krankenhaus meint. Denkt er an 500 Betten oder 1000 Betten oder 120 Betten – wobei, Krankenhäuser dieser Größe hält Minister Lucha ja nicht für überlebensfähig.“ Der MCB arbeite jedenfalls an seiner Medizinstrategie 2030, wie die Stadt es aufgetragen habe, so Klöckner: „Daraus ergeben sich dann unsere Visionen in Sachen Um-, Aus- oder Neubau des Klinikums Friedrichshafen.“
War die Übernahme des Krankenhauses „14 Nothelfer“ in Weingarten ein Kardinalfehler?
Ob nun „größter Kardinalfehler“ oder „Schwachsinn“: Brand und Klöckner möchten die Wortwahl des Ministers nicht weiter kommentieren. Inhaltlich teilen sie diese Sichtweise nicht: „Rückwärts betrachtet sind wohlfeile Ratschläge immer einfach.“ Zum Zeitpunkt der Übernahme war die Entscheidung gründlich abgewogen und richtig, betont Brand erneut. In der Vergangenheit hätten das Gesundheitsministerium und die Landesregierung den Kurs des MCB stets positiv begleitet.
Gerade im Zuge der Übernahme habe man mit dem Land zahlreiche Gespräche geführt – Kritik sei damals keine geäußert worden, ganz im Gegenteil: „14 Nothelfer war fester Teil des Krankenhausbedarfsplans des Landes.“ Im Übrigen habe sich Manne Lucha 2017 noch sehr wohlwollend zur Ausrichtung von MCB und OSK geäußert. Bei einem Gespräch mit Vertretern des Presseclubs „Netzwerk Kommunikation“ bezeichnete er beide Verbünde in einem Bericht unserer Zeitung „als vorbildlich“.
Was bezweckt der Minister mit seiner „Brandrede“ im Ravensburger Kreistag?
„Es scheint fast, als wolle der Minister mit seinem Vorstoß im Kreistag Ravensburg ablenken von den akuten und aktuellen Problemen der landesweiten Pandemiebekämpfung, von der schleppenden Impfkampagne bis hin zum 2G-Plus-Chaos vom Wochenende“, vermutet MCB-Geschäftsführer Franz Klöckner. Jedenfalls kämen dieses Aussagen völlig zur Unzeit: „Minister Lucha verursacht mit diesen Aussagen eine unnötige Hektik vor Weihnachten und mitten in der vierten Pandemie-Welle“, stellt er fest.
Die Mitarbeitenden der Krankenhäuser seien maximal angespannt und erschöpft nach 20 Monaten Corona-Pandemie-Bewältigung. Zu befürchten bleibe, dass dringend gesuchte Pflegekräfte, die sich vielleicht für eine Stelle zum Beispiel in der Klinik Tettnang interessieren, nun vielleicht einen Rückzieher machen. Was solche Aussagen mit erschöpften und dünnhäutig gewordenen Kolleginnen und Kollegen machen, könne sich wohl jeder denken und sollte einem Gesundheits- und Sozialminister bewusst sein.
Wie fängt der MCB mit der derzeit kritischen Lage an?
„Wir setzen das Gespräch mit Minister Lucha wie in der Vergangenheit auch fort“, betont OB Brand. Das Ziel, eine gute Krankenhausversorgung sicherzustellen, „schaffen wir am besten miteinander“. Das Klinikum Friedrichshafen werde die durch den Minister aufgeworfenen Fragen und Irritationen klar- und richtigstellen: „Der Minister kann gerne seine Ideen eines starken Klinikums Friedrichshafen vorstellen und mit uns diskutieren – so wie in Ravensburg auch.“