„Ekelalarm in Friedrichshafen“ oder „Fäkalien im Bodensee“ – und das mitten in der Hochsaison: Die Schlagzeilen sorgten im Juli 2019 bundesweit für Aufsehen. Schuld war damals ein verstopfter Kanal. Statt ins Klärwerk floss Abwasser – auch aus dem Klinikum – am Freizeitgelände Manzell in den See. Über 230 Menschen wurden nach dem Schwimmen krank. Bis hinüber zum Freibad Fischbach galt eine Woche lang ein Badeverbot.
Grundproblem noch nicht gelöst
Das war vor fast drei Jahren. Inzwischen hat die Stadt das Regenüberlaufbecken 4 (RÜB4), das damals überlief, umgebaut und mit Sensortechnik nachgerüstet, die bei einem Störfall zumindest schnell warnt. Doch das Grundproblem ist immer noch nicht gelöst: Nach starkem Regen fließt über den Buchenbach jedes Mal keimbelastetes Wasser in den Bodensee – direkt am Fischbacher Badeufer. Wie oft das geschieht, ist erschreckend: statistisch 44 Mal im Jahr. So steht es in der Vorlage, die der Gemeinderat im Mai auf den Tisch bekam.

Deshalb plant die Stadt bereits seit 2015, das keimige Dreckwasser aus dem RÜB4 wie auch aus dem RÜB2 östlich vom Frei- und Seebad Fischbach nicht mehr direkt in den See abzulassen, sondern erst in einem Becken zu filtern. Doch es dauerte bis zum „Ekel-Alarm“, bis wieder Bewegung in die Sache kam. Erst im Februar 2020 wurde der Gemeinderat informiert, dass für RÜB2 und RÜB4 Filterbecken gebaut werden könnten, allerdings mitten ins Landschaftsschutzgebiet. Kostenpunkt: 4,3 Millionen Euro für beide.

Inzwischen sind wieder zwei Jahre vergangen. Zwei Jahre, in denen immer wieder ungefiltert keimbelastetes Wasser nach starkem Regen am Fischbacher Ufer in den See fließt und Badegäste hier potenziell in Gefahr sind, krank zu werden. Denn Wasserproben werden nur alle zwei Wochen entnommen – unabhängig vom Wettergeschehen. Schlechte Werte sind selten dokumentiert. Deshalb warnen das Rathaus und das Landratsamt seit Jahren davor, nach regenreichen Tagen hier baden zu gehen.
Das Problem gibt es auch in diesem Sommer – übrigens nicht nur in Friedrichshafen, sondern überall dort, wo das Wasser aus Vorflutern ohne Filter in in der Nähe von Bädeplätzen in den Bodensee fließt. Zwar hat der Gemeinderat der Zeppelinstadt nach sieben Jahren Planung im Mai endlich beschlossen, zunächst das Filterbecken für RÜB4 zu bauen. Das soll zwischen Bolzplatz und MTU-Werk am Freizeitgelände entstehen. Die Arbeiten können aber erst im Herbst beginnen und sollen bis Sommer 2023 dauern.
Enorme Kosten für Wasserbehandlung
Im ersten Schritt wird der verdolte Buchenbach baulich getrennt. Dann fließt das saubere Wassers des Baches direkt in den See, das Dreckwasser aus dem RÜB4 künftig erst in den Bodenfilter. Allerdings sind die Kosten für das Gesamtpaket in die Höhe geschossen. 2020 ging das Rathaus noch davon aus, dass die Entkeimung des Überlaufwassers für beide Regenüberlaufbecken zusammen 4,2 Millionen Euro kostet. Jetzt muss der Eigenbetrieb Stadtentwässerung allein für RÜB4 knapp 5 Millionen Euro berappen, denn das sogenannte Relining des Buchenbachs kostet extra.

Was mit dem Filterbecken für RÜB2 wird, ist aber immer noch nicht entschieden. Warum geht es trotz der Gesundheitsgefahren für die Badenden in Fischbach hier nicht weiter? Die Problematik ist die Gleiche wie beim RÜB4: Der Bau greift stark in die Natur ein, und damit mitten im Landschaftsschutzgebiet. Deshalb wird das Filterbecken beim Freizeitgelände Manzell nur halb so groß wie ursprünglich gebaut. Nachteil: Das Becken läuft jetzt – rein statistisch – fünf Mal im Jahr über. Doppelt so groß wäre das nur ein Mal pro Jahr passiert. Dafür fällt der Eingriff in die Natur kleiner aus.
Ohne Behandlung droht Badeverbot
Bei einem Drittel der Stadträte bei Grünen, ÖDP und Netzwerk waren die Bedenken trotzdem groß, ob man die Filterbecken überhaupt bauen soll. Elf waren dagegen, fünf enthielten sich. Der Appell von der Verwaltungsbank vor der Abstimmung war eindringlich: Ohne Nachbehandlung des Wassers aus den RÜBs bleibe die Badewasserqualität nach starkem Regen schlecht. Über kurz oder lang könnte das dazu führen, dass in Manzell und Fischbach nicht mehr im Bodensee gebadet werden darf. Eine derart unpopuläre Entscheidung will im Rathaus niemand treffen.