Kaum war mit Otto Lilienthal und den Brüdern Wright der seit Ikarus gehegte Menschheitstraum vom Fliegen in Erfüllung gegangen, träumte der Mensch weiter – von Langstreckenflügen über den Atlantik. Die Ausstellung „Die Vernetzung der Welt“ im Zeppelin Museum erzählt die Geschichte des Luftverkehrs zwischen Europa und Amerika.

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„Im 19. Jahrhundert wurde der Nordatlantik bereits zum wichtigen Verkehrsweg. Deutschland und Großbritannien wetteiferten um das blaue Band für die schnellste Überquerung mit einem Schnelldampfer“, sagt Jürgen Bleibler, Leiter der Abteilung Zeppelin im Zepppelin Museum. Die ersten Versuche mit Ballons oder Luftschiffen scheiterten – „zum Glück für die Besatzungen. Technisch waren die Fluggeräte der Überfahrt einfach nicht gewachsen“. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht ein Modell des Luftschiffs R34.

Bild 1: Wie der Atlantik kleiner wurde: Virtueller Rundgang durch die Ausstellung „Die Vernetzung der Welt“ im Zeppelin Museum
Bild: Zeppelin Museum, Markus Tretter

Die britische Tageszeitung „Daily Mail„ bot 1913 einen Preis von 10 000 Pfund für die erste Überquerung des Atlantiks mit einem Flugzeug. Der erste Weltkrieg verhinderte einerseits dieses Vorhaben, bewirkte aber andererseits große Fortschritte in der Technik. 1919 sicherten sich die britischen Piloten John Alcock und Arthur Whitten Brown in einer Vickers Vimy, einem zweimotorigen Doppeldecker-Flugzeug, den Preis und den Ruhm. Mit diesem Plakat warb die „Daily Mail„ für den Preis.

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Bild: Zeppelin Museum Friedrichshafen

Die älteste erhaltene Gondel eines Zeppelin-Luftschiffs ist ein Highlight der Ausstellung

Nur zwei Wochen später gelang dem ebenfalls britischen Luftschiff R34 die Überfahrt. Es war eine Kopie der deutschen L33, die als Bomber über London eingesetzt war. Es ging in Essex zu Boden und ermöglichte den Briten, die Konstruktion der bis dahin technisch überlegenen Luftschiffe aus Friedrichshafen zu studieren. „Das war eine Art unfreiwilliger Technologietransfer“, sagt Bleibler. Höhepunkt der Ausstellung ist die Gondel der baugleichen L30. Sie ist die älteste vollständig erhaltene Gondel eines Zeppelin-Luftschiffs.

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Bild: Corinna Raupach

Das Marineluftschiff L30 hatte im Vergleich zu seinen Vorgängern zwei zusätzliche Motorgondeln und eine schlankere Form. Es führte im Ersten Weltkrieg Aufklärungs-, Angriffs- und Minensuchfahrten aus und wurde 1917 außer Dienst gestellt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es Belgien als Reparationsleistung zugesprochen und 1920 demontiert. „Das Aluminium wurde eingeschmolzen und die Motoren anderweitig verwendet“, sagt Bleibler. Die Gondel hat im Royal Museum of the Armed Forces and Military History in Brüssel überlebt. „Sie wird zum ersten Mal an ein Museum ausgeliehen.“

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Bild: Corinna Raupach

Die erste Atlantiküberquerung mit Passagieren an Bord absolvierte die R34

In Großbritannien erlahmte nach dem Ersten Weltkrieg das Interesse an der militärischen Nutzung der Luftschiffe, aber im zivilen Luftverkehr versprachen sie deutlich kürzerer Reisezeiten. „Das war für die Briten interessant, um den Commonwealth enger zusammenzubinden – und Deutschland war aufgrund des Versailler Vertrags erst mal aus dem Rennen“, sagt Bleibler. Die erste Atlantiküberquerung mit Passagieren an Bord absolvierte das britische Luftschiff R34 im Jahr 1919.

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Bild: Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

27 Mann Besatzung, drei Passagiere und eine Katze

Als R34 am 2. Juni 1919 in Schottland abhob, hatte sie fast 5000 Gallonen Treibstoff geladen. An Bord waren 27 Mann Besatzung, drei Passagiere und eine Katze. „Das war Wopsie. Die ging auf der Luftschiffbasis ein und aus, hatte sich mit an Bord geschmuggelt und erfreute sich allgemeiner Beliebtheit“, sagt Bleibler. Das Kommando hatte Air Commander Edward Maitland, Offizier der britischen Luftwaffe, Flugpionier und begeisterter Ballonfahrer.

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Bild: Airship Heritage Trust

Wenige Stunden nach der Abfahrt stellte sich heraus, dass es einen weiteren blinden Passagier gab. William Ballantyne gehörte eigentlich zur Crew, sollte aber kurz vor dem Start einem Amerikaner weichen. Daraufhin schlich er sich an Bord, um die Pionier-Reise mitzuerleben. Diese wurde abenteuerlich genug. Nebel, Kälte, Regen und Sturm erschwerten die Überfahrt, Gegenwinde überforderten die Motoren. „Als die Mannschaft mit der R34 in New York ankam, hatte sie noch Treibstoff für etwa 40 Minuten“, sagt Bleibler. Hier zu sehen sind Mitglieder der R34 mit einem Grammophon und der Katze Whopsie 1919.

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Bild: Airship Heritage Trust

Ein eigens angefertigtes Schnittmodell der R34 in der Ausstellung zeigt das Luftschiff mit allen Details. Drei Meter lang ist das maßstabgetreue Modell.

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Bild: Zeppelin Museum, Markus Tretter

Über schmale Leitern gelangten die Besatzungsmitglieder vom Rumpf in die Gondeln. Tee und auch das Essen wurde auf den heißen Motoren gekocht.

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Bild: Zeppelin Museum, Markus Tretter

In einem schmalen Gang unter den Traggaszellen hingen die Hängematten, die sich die Mitfahrer zu zweit teilen mussten. Hier schlief die Besatzung.

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Bild: Zeppelin Museum, Markus Tretter

Im Aufenthaltsraum ist sogar die Katze Wopsie unterwegs. Der blinde Passagier William Ballantyne versteckt sich noch zwischen den Traggaszellen. „Er hat sich völlig unterkühlt gestellt, als das Luftschiff schon über dem Atlantik war. Er musste sich dann den Rest der Reise mit Kartoffelschälen verdienen und mit dem Schiff zurückfahren“, sagt Bleibler.

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Bild: Zeppelin Museum, Markus Tretter

Eine interaktive Benutzeroberfläche ermöglicht weitergehende Informationen zu verschiedenen Themen.

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Nach 108 Stunden Fahrt wurde das Luftschiff in New York begeistert empfangen. Für Wopsie gab es sogar Kaufangebote, die die Mannschaft jedoch ablehnte. Die Rückfahrt – die erste Überquerung des Atlantiks in West-Ost-Richtung – verlief ohne Komplikationen. Hier zu sehen das Edison Grammophon der R34 – die Katze Whopsie gehört zum Museumsspiel für Kinder.

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Bild: Corinna Raupach

Luftschiffe wurden größer und komfortabler

Danach galt das Luftschiff als Verkehrsmittel der Zukunft, allerdings nur für Diplomaten, Miltiärs oder Industrielle. Die Luftschiffe wurden größer und komfortabler. „Im britischen Empire lebten damals 25 Prozent der Weltbevölkerung, Luftschifflinien sollten die koloniale Macht festigen“, sagt Bleibler.

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Das britische Luftschiff R100 fuhr mit rund 100 Passagieren nach Kanada und zurück, hier ein Bild von 1930.

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Bild: Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

Rund 100 Passagiere hatten auf der R100 Platz, sie waren im Inneren des Rumpfs untergebracht. Es gab Zwei- und Vierbettkabinen und einen über zwei Stockwerke reichenden Speisesaal mit umlaufender Galerie.

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Bild: Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

Absturz über Nordfrankreich mit 48 Toten

Das Schwesterschiff R101 stürzte 1930 auf der Erstfahrt nach Indien in Nordfrankreich ab. Von 54 Menschen an Bord überlebten nur sechs, es war die Luftschiffkatastrophe mit den meisten Toten. „Das war das Ende aller Luftschiffpläne in Großbritannien„, sagt Bleibler. Die Briten setzten von da an auf Flugzeuge.

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Ab 1924 wurden aber auch in Friedrichshafen wieder Luftschiffe gebaut. 1924 wurde LZ 126 „Los Angeles„ unter dem Kommando von Hugo Eckener als Reparationsleistung in die USA überführt. Sieben Jahre tat sie dort ihren Dienst als Schul- und Versuchsluftschiff. Ferdinand Graf von Zeppelin hatte den Journalisten Eckener 1917 an den Bodensee geholt. Er wurde zu einem der besten Luftschiffführer und 1924 Vorstandsvorsitzender der Luftschiffbau Zeppelin. Sein Koffer zeugt von unzähligen Reisen.

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Bild: Corinna Raupach

Hugo Eckener und die Spende

Die Fahrt nach New York – hier der Blick vom Zeppelin aus auf die Stadt – wurde ein Triumph in Amerika wie in Deutschland. Nach der R34 war sie die zweite Atlantiküberquerung mit einem Luftschiff. Eckener initiierte daraufhin die Zeppelin-Eckener-Spende, die den Bau weiterer Luftschiffe in Deutschland ermöglichte.

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Bild: Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

Spektakuläre Reise um die Welt

1928 wurde die „LZ 127 Graf Zeppelin„ fertig, ein Versuchsschiff für 20 Passagiere, Post und eilige Fracht. „Eckener ging es vor allem darum, zu zeigen, was Luftschiffe alles leisten können“, sagt Bleibler. Die Graf Zeppelin unternahm medienwirksam inszenierte Pionierfahrten über den Atlantik, in die Arktis und in die europäischen Nachbarländer. Im Sommer 1929 gelang ihr eine spektakuläre Reise um die Welt mit nur vier Zwischenstopps.

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Bild: (c) Zeppelin Museum Friedrichshafen GmbH

1931 eröffnete die Graf Zeppelin den weltweit ersten Linienverkehr durch die Luft zwischen Europa und Südamerika. Die Fahrt von Friedrichshafen bis Rio de Janeiro dauerte vier Tage – eine Schiffsreise von Hamburg aus dauerte viermal so lange.

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Bild: © Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

„Das war die schnellste Verbindung zwischen Amerika und Europa – für den Nordatlantik mit seinen schwierigen Wetterverhältnissen war die Graf Zeppelin eigentlich zu klein“, sagt Bleibler. 1936 fuhr alle 14 Tage ein Zeppelin nach Brasilien. Die Postkarte zeigt das Luftschiff über Rio de Janeiro.

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Bild: Zeppelin Museum Friedrichshafen GmbH

Nationalsozialisten instrumentalisierten die Luftschifffahrt

Das Hauptverkehrsmittel über den Atlantik blieben Schiffe. Doch die Vermarktung der Luftschiffreisen erreichte auch die Menschen, die sich weder die eine noch die andere Reiseart leisten konnten. Die Nationalsozialisten instrumentalisierten die Luftschifffahrt als nationale Errungenschaft und organisierten Propagandafahrten. Postkarten, Modell-Zeppeline und Spielzeug brachten die Zeppeline in Wohn- und Kinderzimmer.

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Bild: Zeppelin Museum Foto Markus Tretter

1936 nimmt die größerer und komfortablere LZ129 Hindenburg den Linienverkehr nach New York auf. Die Versuche Eckeners, die Sicherheit des Luftschiffs durch den Import von Helium aus den USA zu steigern, scheiterten. „Nachdem die nationalsozialistische Innen- und Außenpolitik immer aggressiver wurde, trafen die Amerikaner eine klare politische Entscheidung, kein Helium an Deutschland zu liefern“, sagt Bleibler.

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Bild: Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

Die Katastrophe von Lakehurst

1937 gerät die Hindenburg in Lakehurst in Brand. Damit endet vorerst auch die deutsche Luftschiffgeschichte. Gleichzeitig beginnt sich das Flugzeug auch für längere Strecken zu etablieren. In den 60er Jahren löst es das Schiff als Hauptverkehrsmittel ab. „Mit der Jet-Technik der De Havilland und der Boeing 707 flog man nur noch sieben Stunden nach New York, damals sprach man noch vom ‚Jet-Set‘“, sagt Bleibler.

Heute ist Fliegen für viele Menschen erschwinglich, zwischen 2000 und 3000 Flieger überqueren den Atlantik am Tag. 100 Jahre nach dem Erstflug über den Atlantik ist die Luft ein viel genutzter Verkehrsraum, wie ein Video des NATS (National Air Traffic Services) zeigt.

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Nachdenken über die Selbstverständlichkeit des Fliegens

Allerdings ist Fliegen nicht mehr unumstritten, da es die energetisch aufwendigste und die Umwelt besonders belastende Weise der Fortbewegung darstellt. „Wir wollen dazu anregen, über die Selbstverständlichkeit nachzudenken, mit der heute geflogen wird“, sagt Bleibler. Das Museum hat eine Übersicht zu Flugstrecken, CO2-Ausstoß und Kompensationsumfang erstellt.

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Bild: Corinna Raupach

Auch die jüngsten Proteste der „Fridays for Future„-Bewegung haben ihren Platz in einer Vitrine gefunden.

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Bild: Corinna Raupach