„Wahrscheinlich wäre Friedrichshafen nie Messestadt geworden, wenn das Schicksal nicht den Deutschschweizer Albert Scheuermann hierher verschlagen hätte.“ So schrieb Ernst Haller, langjähriger Messechef und später leidenschaftlicher Hobbyhistoriker, in einem SÜDKURIER-Beitrag im August 2016. Scheuermann stammte aus Rorschach. Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ sich der Kaufmann in Friedrichshafen nieder. Ohne sein visionäres Konzept, für das er schon 1948 Unterstützer suchte, wäre die „Internationalen Bodensee-Messe“, kurz IBO, wohl nie gegründet worden.
Ein Mann mit Weitblick
Aus heutiger Sicht ist der Weitblick dieses Mannes, der im Dreiländereck einen idealen Ort für einen internationalen Messeplatz sah, beeindruckend. Zumal die Stadt schwer zerstört am Boden lag. Schier unglaublich, dass die erste IBO letztlich in nicht mal einem halben Jahr organisiert war. Umso verblüffender, dass Scheuermanns Wirtschaftsplan fast exakt aufging. Er prognostizierte 80.000 Besucher und 400 Aussteller. Bei der Premiere kamen 91.518 zahlende Messegäste und 537 Aussteller – und das bei „Ungunst der Witterung in der ersten Messewoche“, geht aus einem Bericht der Gesellschafter hervor, der im Stadtarchiv liegt.

Hier finden sich Protokolle und Briefe, die auch ein Beleg dafür sind, dass es im Vorfeld der ersten IBO nicht nur Streit, sondern auch riesige Stolpersteine für die Messe-Premiere in Friedrichshafen gab. „Mehr als das hier gibt es über die Anfänge der IBO nicht im Archiv“, erklärt Stadtarchivar Jürgen Oellers, der uns Einblick in die beiden Ordner gab. Da steht so einiges drin, was bisher öffentlich nirgendwo dokumentiert ist.
Die wohl erste Bürgerinitiative
Der Erste, den Albert Scheuermann von seiner Idee überzeugte, war der Buchhändler Franz Gessler. Beide nahmen allen Mut zusammen und schickten Scheuermanns Messe-Exposé am 26. September 1949 an Bürgermeister Max Grünbeck und die Herren im Gemeinderat. Erst als Scheuermann den damaligen Vizepräsidenten der Industrie- und Handelskammer Max Sedlmeier für diesen „utopischen Gedanken“ begeistern konnte, fanden sich neben Gessler und Sedlmeier weitere zehn Bürger, die schon am 16. Dezember 1949 die IBO GmbH gründeten. Unter ihnen sind andere und bis heute bekannte Namen in der Häfler Geschäftswelt wie Hüni, Schöllhorn oder Weber.

Der Initiator allerdings fehlte im Reigen der ersten Messe-Gesellschafter. Albert Scheuermann konnte die Stammeinlage von 2000 D-Mark nicht aufbringen. Aus einem vertraulichen Brief an Bürgermeister Max Grünbeck geht allerdings auch hervor, dass sich der IBO-Initiator und seine einstigen Unterstützer offenbar heillos überworfen hatten. Denn als Geschäftsführer wurde der Häfler Kaufmann Paul Müller bestellt. Ein „Aushängeschild“, der „von einer Messe keine Ahnung hat“, so Scheuermann. Er selbst durfte nur noch ein paar Wochen in der zweiten Reihe agieren.
Bitterer Brief an Bürgermeister Grünbeck
Sein Brief vom 6. Januar 1950 an Bürgermeister Grünbeck beginnt so: „Man hat mir am Donnerstag bedeutet, dass ich im Kreis der Engel nichts mehr zu suchen habe.“ Und später: „Man will die Messe nun selbst machen.“ Nicht nur seine Entlassung beklagt Scheuermann. „Neid, Lokalpatriotismus & egoistischer Krämersinn stellen das Werk, das ich bis zur Reife gefördert habe, in Frage.“ Diesem Brief nach zu urteilen wollten die IBO-Gesellschafter bei der Messepremiere an vielerlei Stellen sparen, so zum Beispiel keine Lautsprecher aufbauen, sondern „bei Anfragen einen Jungen mit einer Tragetafel durch die Messe senden“. Scheuermann sah seine Messeidee zum „Jahrmarkt“ verkommen, der namhafte Aussteller wie Opel, Ford oder Magirus nach ein paar Tagen wieder einpacken ließ.
Tatsächlich war die erste Messe in Friedrichshafen für ihre Gesellschafter riskant. Geld von der Stadt gab es nicht – im Gegenteil. Der Wunsch nach finanzieller Unterstützung lehnte OB Grünbeck ab. Die IBO musste 10.000 D-Mark Miete für Schulplatz und Turnhalle bezahlen, genauso wie Leistungen der Stadtwerke – in Summe 32.365 D-Mark. Für damalige Verhältnisse war das ein riesiger Betrag für eine quasi private Veranstaltung.
Der Erfolg blieb nicht aus
Doch die erste IBO-Messe wurde ein voller Erfolg. Rund 530 Aussteller zeigten Autos, Motorräder, Elektrotechnik, Lebensmittel, Spielwaren, Textilien oder Baubedarf. Über 100.000 Besucher kamen nach Friedrichshafen, sogar aus Italien, der Türkei, Finnland, den USA und Afrika – und das wenige Jahre nach Kriegsende.

„Aus dem ersten gelungenen Versuch ist nun eine Verpflichtung für alle diejenigen entstanden, welche unsere Sache allzu kritisch beurteilten“, stand im ersten IBO-Bericht. Bei einer Wiederholung werde man „Verantwortung und Belastung nicht mehr allein übernehmen“, schrieben die Gesellschafter. Übrigens: Mit keinem Wort wird in dem umfangreichen Bericht Albert Scheuermann erwähnt.
Umzug an den Riedlewald
Bei der zweiten Messe 1951 wieder auf dem Schulplatz war die Stadt bereits Mitgesellschafter der IBO GmbH. Im Jahr darauf reiften Pläne für einen anderen, größeren Standort. 1954 zog die Messe aufs neue Gelände am Riedlewald.


1961 wurde hier die erste feste Messehalle mit fast 4000 Quadratmeter Fläche gebaut. Der Messeplatz Friedrichshafen hatte sich etabliert.