Andreas Moser, Leiter der ZF-Division Nutzfahrzeugtechnik, deutete am Mittwoch vor Journalisten an, dass auch ein Stellenabbau in Friedrichshafen nicht auszuschließen sei angesichts der dramatischen Folgen der Corona-Krise und der Nutzfahrzeugbranche insgesamt. Dazu sollen nach genauer Daten- und Faktenanalyse Gespräche mit den Arbeitnehmern geführt werden. Was sagen Sie dazu?

Unser Anspruch ist: Mit allen durch die Krise, keiner geht von Bord. Dafür setzen wir uns ein, dafür stehen wir als Arbeitnehmervertretung, dafür sind wir bereit zu kämpfen. Und ich erwarte vom Management der ZF, dass das Unternehmen alles dafür tun wird, Beschäftigung zu sichern und Menschen eine Zukunft zu geben. Das haben wir in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 geschafft und das können wir auch in der Corona-Krise 2020 wieder schaffen. Zu einem Personalabbau darf es nicht kommen. Daher kommt übrigens der Begriff „Der ZF-Weg“.

„Mit allen durch die Krise, keiner geht von Bord. Dafür setzen wir uns ein, dafür stehen wir als Arbeitnehmervertretung, dafür sind wir bereit zu kämpfen.“
Achim Dietrich, Gesamtbetriebsratsvorsitzender ZF

Und als Gesamtbetriebsratsvorsitzender füge ich hinzu: Das gilt nicht nur für Friedrichshafen, das gilt für alle Standorte. Bisher hat die Zusammenarbeit in dieser schwierigen Situation gut funktioniert – nicht immer reibungsfrei, aber von dem Willen geprägt, den besten Weg für die Beschäftigten und das Unternehmen zu finden. Wir haben tägliche Telefonkonferenzen mit Standortleitung und Vertretern der Unternehmensleitung. Priorität hatte in den letzten Wochen die Gesundheit unserer Kolleginnen und Kollegen. Arbeitsabläufe mussten umgestellt werden, Arbeitsplätze wurden zum Teil umgebaut. Hier sind wir auf einem guten Weg. Die Schutzmaßnahmen, die gemeinsam festgelegt wurden, sind angemessen und werden von den Beschäftigten insgesamt eingehalten.

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Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Lage am Standort Friedrichshafen?

Die gegenwärtige Lage am Standort Friedrichshafen stellt sich sehr uneinheitlich dar. Während wir in einigen Bereichen – zum Beispiel in der Industrietechnik oder bei den Busgetrieben – eine gute Auslastung haben, verzeichnen wir in anderen Bereichen deutliche Einbrüche, insbesondere im PKW-Bereich.

Im Nutzfahrzeugbereich fahren die Kunden Achterbahn zwischen Stillstand und hohen Abrufen. Als Zulieferer müssen wir diesen Looping mitfahren. In den nächsten Wochen haben wir auch für das Traxon-Nutzfahrzeuggetriebe unglaubliche Spitzenabrufe. Wie lange dieses Zwischenhoch anhält, kann aktuell niemand vorher sehen.

Den Kolleginnen und Kollegen verlangt diese Situation einiges ab: Viele haben Entgelteinbußen wegen der Kurzarbeit zu verkraften. Die Frage, wie viel Arbeit da ist und wann sie zur Arbeit kommen sollen, ändert sich sehr kurzfristig. Dazu kommt für viele die Doppelbelastung, die aus der fehlenden Kinderbetreuung resultiert. In einigen Berufen können wir das über mobile Arbeit entschärfen, in der Produktion nicht. Dazu kommt die Angst sich anzustecken, wenn in der Montage Abstände nicht optimal eingehalten werden können.

Auch in dieser Krise zeigt sich: Auf die ZF-Belegschaft kann man sich verlassen. Hut ab vor der Leistung unserer Kolleginnen und Kollegen, die sich ins Zeug legen für die ZF. Das Management muss im Gegenzug für sichere Arbeitsplätze und eine sichere Zukunft sorgen. Das gilt für die gesamte Mannschaft: Fest angestellte ZF-ler, die befristeten Kollegen und auch die Leiharbeitnehmer, die seit Jahren ihren Beitrag für das Unternehmen leisten.

Um die Mitarbeiter in der Montage von Nutzfahrzeuggetrieben am Standort Friedrichshafen vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu ...
Um die Mitarbeiter in der Montage von Nutzfahrzeuggetrieben am Standort Friedrichshafen vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen, hat ZF zahlreiche Maßnahmen veranlasst. Dazu zählt unter anderem das Tragen von Mund-Nase-Masken oder der Einbau von Trennwänden aus Plexiglas zwischen den einzelnen Montagearbeitsplätzen. | Bild: ZF/Felix Kästle

Ist die Beschäftigungssicherung bis Ende 2022 noch zu halten?

Wir haben einen Vertrag geschlossen und der hält. Die Klausel, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind, ist jetzt natürlich viel mehr wert, als dies 2016 in der Hochkonjunktur diskutiert und bewertet wurde. Die Beschäftigten haben auf zwei Prozent Entgelterhöhung verzichtet und als Gegenleistung diese Zusage. Und Verträge sind einzuhalten.

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Solange Kurzarbeit angemeldet ist, wird es ja keine betriebsbedingten Kündigungen geben, das ist doch richtig?

Richtig. Das ist die Logik der Kurzarbeit: „Stunden entlassen statt Menschen.“ Die Kurzarbeit kann aktuell maximal 12 Monate laufen. Die Gesamtbetriebsrats-Vorsitzenden der Automobilunternehmen führen gemeinsam mit der IG Metall Gespräche mit der Bundesregierung und Arbeitsminister Hubertus Heil über eine mögliche Verlängerung, falls die Wirtschaft nicht schnell wieder anläuft. Wir werden jedenfalls alles daran setzen, Jobs dauerhaft zu erhalten. Das gilt übrigens für alle Beschäftigten, vom Azubis bis zum Zeitarbeitnehmer.

Laut Andreas Moser sind zuerst die befristet Beschäftigten betroffen, die wohl schon jetzt auf keine Verlängerung ihrer Verträge hoffen dürfen. Was sagen Sie dazu?

Ich erwarte, dass das Unternehmen auch diesen Kolleginnen und Kollegen eine sichere Zukunft bietet, wie im Übrigen auch den Leiharbeitnehmern, ohne die derzeit zum Beispiel in der Industrietechnik dafür sorgen, dass wir überhaupt noch lieferfähig sind. Für uns gilt: alle bleiben an Bord, ohne Ausnahmen.

Im Übrigen laufen die Befristungen noch bis zum Jahresende. Das sind noch sieben Monate, die wir dafür nutzen sollten, intelligente Maßnahmen zu ergreifen, um ihnen eine Perspektive zu geben. Diese 300 Beschäftigten und deren Familien jetzt schon abzuschreiben halte ich in jedem Fall für den falschen Weg, zumal unsere ganze Branche derzeit keine zwei Wochen voraus planen kann. Ich bleibe optimistisch, denn nach dem Regen scheint auch wieder die Sonne. Und gefahren und transportiert wird immer, auch in Zukunft.

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War der Kauf von Wabco angesichts der Lage heute richtig?

Der Kauf von Wabco ist immer noch die richtige Entscheidung. Gemeinsam sind ZF und Wabco viel besser aufgestellt und werden damit im Nutzfahrzeugbereich eine wichtige Rolle einnehmen können. Die extremen Auswirkungen einer Corona-Krise hat niemand vorhersehen können. Unsere strategischen Aufgaben für die Zukunft stellen sich trotzdem. Ich hoffe, dass wir das unter einen Hut kriegen.

Bei ZF in Friedrichshafen gibt es schon seit Wochen Kurzarbeit.
Bei ZF in Friedrichshafen gibt es schon seit Wochen Kurzarbeit. | Bild: Claudia Wörner

Was rufen Sie den Arbeitnehmern bei ZF in Friedrichshafen zu?

Solidarität gewinnt. Wir kämpfen gemeinsam um unsere Zukunft, mit allen Leiharbeitnehmern und allen befristeten Kollegen. Zusammen als ZF-Familie können wir auch aus dieser Krise gestärkt hervor gehen. Unterstützt uns bei unserer Forderung: Alle bleiben an Bord. Bleibt gesund, haltet Abstand, aber trotzdem ganz fest zusammen.

„Hut ab vor der Leistung unserer Kolleginnen und Kollegen, die sich ins Zeug legen für die ZF. Das Management muss im Gegenzug für sichere Arbeitsplätze und eine sichere Zukunft sorgen.“
Achim Dietrich, Gesamtbetriebsratsvorsitzender ZF