Keine Frage: So mancher kleine Zirkus wäre froh, wenn an einem heißen Sommernachmittag 200 Besucher kämen. In Wintersulgen war das gar kein Problem. Zwar fand das Programm nicht in einem Zirkuszelt, sondern in der Turnhalle der Grundschule statt, aber heiß war es trotzdem. Das galt auch buchstäblich für manche Teile des Programms, das in der Manege zu sehen war. Diese war ganz stilgerecht von Strohballen eingegrenzt. An Artisten herrschte kein Mangel. Also hieß es „Manege frei“ für den Zirkus Scolina.
Eine Woche Vorbereitung
Zirkusdirektor war Christoph Eichler. Er ist Zirkuspädagoge, Jongleur, Akrobat und Entertainer und hatte mit den Kindern eine Woche lang zusammen mit mehreren Gruppenleitern aus den Reihen der Lehrer und Eltern die Vorstellung vorbereitet.
Eichler war voll des Lobes über die kleinen Künstler: „Die Kinder hier sind echt super. Bei der Generalprobe gab es keinen Fehler“, stellte der Mann in Frack und Zylinder fest. Er habe deshalb drei Fehler ins Programm eingebaut. Problem: Von denen war im über einstündigen Programm nichts zu merken.
Stattdessen war unübersehbar, dass die Kinder mit Spaß und Begeisterung bei der Sache waren. Und natürlich mit voller Konzentration. Denn was hier geboten wurde, war nicht ein gespielter Zirkus, sondern teils echte Akrobatik. Das bewiesen auch die „chinesischen“ Künstler, die auf und unter Rollen, auf Fässern und Balken zeigten, dass Balance zwar eine schwierige Sache ist, aber für so versierte kleine Leute wie in Wintersulgen gar kein Problem.

Wöchentlich Zirkus-AG in der Schule
Eigentlich ist in der Grundschule das ganze Jahr Zirkus, in Form der wöchentlichen Zirkus-AG. Deshalb waren bei den Kindern schon Vorkenntnisse vorhanden und die Ängste hielten sich in Grenzen. Wobei die Akrobatik am schwebenden Tuch in luftiger Höhe so manche Mutter Nerven gekostet haben dürfte. „Ich hatte aber gar keine Angst“, sagte die neunjährige Emma.

Vermutlich unterscheidet sich jeder Zirkus im Programm von Konkurrenten. Aber Clowns sind immer dabei. Das war auch in der Grundschule so. Hier kamen die Clowns auf clevere Lösungen. Wie kann man eine 1000 Kilo schwere Kiste bewegen? Man streicht die Nullen weg!
Auch wilde Raubkatzen durften im Programm nicht fehlen. Die waren zwar durchaus niedlich, zeigten aber auch mal die Krallen und sprangen durch einen echten Feuerreifen. Bewunderung erntete auch die Zaubernummer, wo ein Kind in einer Kiste mit durchgesteckten Schwertern in Stücke geteilt wurde. Irgendwie war aber doch ein Trick dabei, denn der elfjährige Nicolas kletterte unversehrt wieder aus der Kiste heraus. „Da habe ich zwei Tage geübt, dass das auch richtig klappt“, erzählte er.
Fast schon professionell bewegten sich die Kinder auf den Einrädern. „Das machen wie sonst auch und mit der Zeit ist das nicht mehr schwer“, erklärte die neunjährige Ira. Dann gab es noch eine Nummer, die die Eltern zu Hause bestimmt verbieten würden: das Spiel mit dem Feuer. Die Kinder schluckten das Feuer, jonglierten mit brennenden Fackeln, fassten das Feuer mit den Händen an – und es gab keinerlei Brandblasen. „Das ist alles Übungssache“, erklärte Christoph Eichler.
Er hatte auch das nötige Equipment mitgebracht und war bereits zum zweiten Mal in Wintersulgen. Er erkenne, wo es Grenzen für Kinder gebe, wisse aber auch, dass in kleinen Artisten eine ganze Menge Potenzial stecke. Das konnte man auch bei der Piraten sehen, die am Trapez eine tolle Vorstellung boten. Schulleiterin Gabriele Heidenreich war begeistert: „So eine Motivation würde ich mir für immer wünschen“, stellte sie fest. Die war auch bei den Eltern da, denn sie hatten kräftig bei der Ausstattung mitgeholfen.
„Die Kinder wachsen über sich hinaus“

Christoph EichlerChristoph ist Zirkuspädagoge beim Hamburger Projekt Mixtura Unica.
Was bringt eine Zirkuswoche den Kindern?
Es ist eine Mischung aus Spaß und Herausforderung. Es gibt sowohl klare Vorgaben als auch freie Experimentierräume. Die Kinder können ohne Leistungsdruck Fähigkeiten entfalten, die man manchmal sonst gar nicht entdecken würde.
Gibt es eigentlich Kinder, die sich zurückhalten und auf das Zuschauen beschränken?
Das ist eher selten. Es gibt welche, die brauchen eine Weile und beobachten zunächst. Aber in der Regel kommen dann alle voll rein und wachsen im Laufe der Zeit über sich hinaus.
Wie sieht es mit der Sicherheit aus?
Es kann nichts passieren. Die Erfahrung lehrt, was man machen kann und was nicht. Das gilt auch für die Feuershow.
Hier sind 80 Kinder in der Schule. Ist das die richtige Größe für so ein Projekt?
Auf die Größe kommt es nicht an. Wir machen das auch in großen Schulen mit 500 Kindern. Dann kommen natürlich noch Kollegen mit.