Die Pläne für ein neues Wohnbaugebiet im Bereich Griviten im Westen der Stadt am Ortsausgang Richtung Bermatingen haben sich am Dienstagabend wohl endgültig zerschlagen. Die Fläche Siechenwiesen, teils eine landwirtschaftlich genutzte Fläche, teils ein Feuchtbiotop, die an die Konrad-Adenauer-Straße angrenzt, ist wie bereits vermutet, aus naturschutzrechtlicher Sicht zu hochwertig, um darauf eine Wohnbebauung zu realisieren. Dies ist das Fazit des Berichts der von der Stadt beauftragten Gutachterin Bernadette Siemensmeyer vom Überlinger Landschaftsarchitekturbüro 365° freiraum + umwelt, den sie den Mitgliedern des Technischen Ausschusses vorstellte. Der Ausschuss hatte keinen Beschluss zu fällen, sondern den Bericht lediglich zur Kenntnis zu nehmen. In der anschließenden Diskussion hielten sich Zustimmung und Kritik über die nun auch belegten Erkenntnisse in der Waage.
Zehn geschützte Vogelarten
Verschiedene Gutachter und Experten hatten übers Jahr 2017 für das Überlinger Büro die Biotopfläche eingehend auf die dort vorkommenden Arten untersucht, erfasst wurden unter anderem Vögel, Fledermäuse, Heuschrecken, Amphibien, Reptilien, Schnecken und auch die Bachmuschel. Ende 2017, Anfang 2018, so Siemensmeyer hätten die Ergebnisse vorgelegen. Ein knappes Jahr lang dauerte dann die intensive Auswertung und vor allem Bewertung. Und letztere fällt laut Siemensmeyer eindeutig aus.

Von den 52 erfassten Vogelarten sind zehn auf der Roten Liste, darunter der Kuckuck, der Bluthänfling und der Feldschwirl. Vermutet wird außerdem, dass die Senke Brutgebiet für den extrem seltenen Wachtelkönig ist. Fledermäuse sowie die geschützten Gelbbauchunke, Zauneidechse und Laubfrosch kommen ebenfalls vor, ebenso zwei Heuschreckenarten, die auf der Roten Liste stehen. "Es summiert sich hier einiges auf", fasste es Siemensmeyer zusammen.
Die Empfehlung des Büros ist daher eindeutig: Eine weitere bauliche Entwicklung in Richtung Bermatingen sei naturschutzrechtlich kaum realisierbar und wenn, dann mit extrem hohem Aufwand und Kosten verbunden. Arten müssten umgesiedelt werden, Schutzbereiche ausgespart und der extrem nasse und moorige Boden für eine Bebauung aufwändig trockengelegt und begründet werden.
Statt Bauen weitere Aufwertung
Nun soll die Fläche auf Vorschlag des Büros stattdessen weiter biologisch aufgewertet werden, durch Pflegemaßnahmen und mithlife der bestehenden landwirtschaftlichen Verpachtung, die durch die Mahd der unkontrollierten Verbuschung entgegenwirkt. Wird die Fläche weiter aufgewertet, kann die Stadt damit ihr prinzipiell bereits vorbildlich gefülltes Ökokonto um weitere Punkte aufstocken. Die wiederum können für Ausgleichsmaßnahmen bei etwaigen anderen Baugebietsausweisungen verwendet werden. Bürgermeister Georg Riedmann zeigte sich von dieser Perspektive angetan: Dies sei noch eine "halbwegs gute Nachricht".
Während die UWG-Räte Christiane Oßwald und Roland Hepting die Ergebnisse des Gutachtens uneingeschränkt positiv sahen, wiesen die CDU-Räte Martina Koners-Kannegießer und Alfons Viellieber sowie SPD-Chef Uwe Achilles auf die zwiespältige Folge hin, dass sich damit das Markdorfer Wohnbauproblem weiter verschärft.

In Zeiten des Insektensterbens sei es "toll, dass wir hier noch solch ein Gebiet haben", sagte Oßwald. Hepting plädierte dafür, die Fläche großzügig weiter aufzuwerten und sie eher noch an den Rändern auszuweiten. Dort wird aktuell unter anderem noch Mais angebaut.
Pendler-Parkplatz keine Option
"Wenn es ums Thema bezahlbarer Wohnraum geht, ist das nicht nur Grund zur Freude", sagte hingegen Achilles. Nun bliebe der Stadt nur noch die kleinere Fläche Klosteröschle als künftiges Wohnbaugebiet. Viellieber wiederum regte an, zu prüfen, ob an den Randzonen, die durch Maisanbau genutzt werden, nicht doch eine kleinere Wohnbebauung möglich wäre.
Geprüft, aber verworfen wurde von dem Büro die Option eines Pendlerparkplatzes zwischen der L 205 und dem Biotop. Zu viele Störfaktoren sprechen dagegen: Nächtliches Scheinwerferlicht, Lärm von Fahrzeugen und Personen, Bewegungen. "Von Verwaltungsseite aus werden wir dieses Thema aktuell nicht mehr weiterverfolgen", sagte Riedmann.
Die Baupläne
Die Stadt hatte ursprünglich vor, für Siechenwiesen den Flächennutzungsplan ändern zu lassen. Dafür musste die Fläche aber natur- und artenschutzrechtlich geprüft werden. Geplant war ein neues Wohnbaugebiet mit 4,7 Hektar für sozialen Wohnungsbau und eventuell auch eine Flüchtlingsunterkunft. Dagegen formierte sich vor drei Jahren Widerstand in der Anwohnerschaft. Nun kann die Stadt noch in Riedheim die Flächen Klosteröschle mit 2,7 Hektar und Tobelhölzle mit 0,4 Hektar zu Wohnbaugebieten entwickeln.
.So berichteten wir vor einem Jahr über die Siechenwiesen-Pläne:
http://www.sk.de/9591589