Frau Fast, Sie haben das Wohnzimmer des Mehrgenerationenhauses (MGH) als Treffpunkt unseres Kaffeegesprächs vorgeschlagen. Sicher kein Zufall oder?
Nein, das war bewusst, denn wenn es um mich geht, geht es auch viel ums MGH, weil ich hier oft zu sehen bin. Zudem ist es hier sehr gemütlich, wenn auch oft trubelig (lacht).
Wie sind Sie beim MGH "gelandet"?
Vor knapp sechs Jahren sind wir nach Markdorf umgezogen. Ich habe Anknüpfungspunkte gesucht und mein ältester Sohn war damals gerade alt genug für die Spiel- und Waldgruppe. Mit dem zweiten Kind bin ich dann in die Krabbelgruppe, habe alle Angebote für meine Lebenswelt aktiv genutzt. Ich kam einfach in der richtigen Phase der Familiengründung hierher. Es wird einem in Markdorf aber auch leicht gemacht anzukommen. Wenn man dann oft im MGH ist, entsteht einfach der Kontakt zu den Menschen, die hier arbeiten. Irgendwann hat mich Renate Hold gefragt, ob ich nicht im Planungsteam des Familienforums mitarbeiten möchte. Das habe ich gerne gemacht und bin hängen geblieben. Inzwischen ist mein größter Sohn acht Jahre, meine jüngste Tochter knapp vier und ich habe nicht das Gefühl, dass ich bald weg bin. Nur der Fokus hat sich verändert. Erst habe ich die Dienstleistung in Anspruch genommen, jetzt bringe ich mich selbst ein und bin Teil davon.
Seit 2015 sind Sie sogar erste Vorsitzende des Familienforums Markdorf. Was sind Ihre Aufgaben dabei?
Ich leite beispielsweise die Planungsteamtreffen, habe Personalverantwortung. Aber dank dem tollen Team ist es nicht viel Arbeit, der Gesamtvorstand trägt die Entscheidungen gemeinsam. Es gibt so viele Menschen, die sich schon ganz lange engagieren. Ich habe jede Menge Unterstützung.Sie leiten zwei Deutsch-Kurse für Frauen. Wie erleben Sie dieses Arbeiten und Zusammensein?
Wir sind eine ganz bunt gemischte Gruppe, es sind Frauen aus Polen oder Kroatien dabei aber auch einige Flüchtlinge. In unseren zwei Stunden Kurs machen wir erst Deutschunterricht, dann kommen aber oft noch ganz andere Themen auf. Manchmal geht es um Fragen zu Anträgen und Formularen, oft aber auch um ganz alltägliche oder frauenspezifische Dinge. Platz für eigene Themen soll sein, damit die Frauen in vertrauensvollem Rahmen darüber sprechen können. Dabei merke ich immer wieder, dass die Lebensrealität eine ganz andere ist. Neulich waren wir mit der Gruppe im Café. Für drei Frauen aus Afghanistan und Syrien war es das erste Mal in ihrem Leben. Was für uns ganz normal ist, ist für sie eine richtige Hürde. Es ist eine große Leistung in eine andere Kultur zu kommen und sich dort einzufinden.
Wie erleben Sie den Unterschied in der Arbeit mit Kindern und Erwachsenen?
Ich finde es toll, dass ich jetzt gerade die Chance habe, auch etwas für Erwachsene anzubieten. Es ist spannend und eine ganz andere Unterrichtserfahrung. Die Frauen sind freiwillig hier und wer kommt, kommt regelmäßig, weil es ein wichtiger Teil des Lebens hier für sie ist. Die Erwachsenen wissen, warum sie da sind und wofür sie die Sprache brauchen. Das Unterrichten macht extrem Spaß und ich bin stolz, wenn mir jemand außerhalb des Kurses begegnet und mir auf Deutsch etwas berichtet.Das klingt, als würden sie viel von den Menschen erfahren
Wenn ich etwas mache, dann will ich es gut machen. Ich will, dass die Menschen sich wohl fühlen und ihnen zeigen, dass ich sie ernst nehme. Ich versuche einen vertrauensvollen Rahmen zu schaffen. So teilt man tatsächlich einige Geschichten, hört von vielen Schicksalen und sieht die Menschen dahinter.
Nehmen Sie aus den Kursen und Begegnungen persönlich etwas für sich mit?
Klar, man macht das ja nie nur für die anderen. Es gibt mir selbst total viel, dass die Leute gerne kommen und ich etwas bewirken kann. Man kommt auf den Boden zurück, wird gut "geerdet", die eigenen Probleme werden kleiner. Das macht gelassener. Ich bin dankbar für das, was ich habe und lerne es mehr wert zu schätzen. Ich bin demütig geworden, was die Menschen alles erleben, aushalten und meistern. Nicht nur Flüchtlinge, auch beispielsweise Alleinerziehende. Und ich merke, wie schnell wir über andere urteilen. Egal um was es geht, man sollte wohlwollend auf alle schauen.
Sie engagieren sich zudem noch im Freundeskreis Flucht und Asyl, als Elternbeirat und sind Helferin im Kinderturnen. Wo nehmen Sie die Zeit und Energie her?
Ach das klingt immer so viel, aber es sind gar nicht so viele Treffen. Und die Termine lassen sich oft mit meinem eigenen Leben vereinbaren, etwa wenn der Elternbeirat das St. Martinsfest organisiert. Ich bringe mich einfach gerne ein und habe den Luxus, gerade nicht zu arbeiten und die Zeit so nutzen zu können. Und wenn sich die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt kann jeder sich einbringen, wie es ihm zeitlich möglich ist.
Wie erleben Sie die Angebote für Familien mit Kindern und für Flüchtlinge in Markdorf?
Egal ob Kinder oder Erwachsene, ob Einheimische oder Flüchtlinge, es ist schön zu sehen was hier passiert. Es gibt viele und gute Angebote vom MGH, der Stadt, den Kirchen, der Tafel, den Vereinen. Ich fühle mich pudelwohl in Markdorf, hier wimmelt es vor netten und hilfsbereiten Menschen. So viele Menschen engagieren sich, ich bin nur eine von vielen.
Zur Person:
Eva Fast ist 38 Jahre alt, verheiratet und Mutter von drei Kindern im Alter von drei, sechs und acht Jahren. Geboren und aufgewachsen ist sie in Offenburg. In Karlsruhe hat sie Lehramt für Grund- und Hauptschule mit den Fächern Mathematik, Englisch und Hauswirtschaft studiert und anschließend auch dort gearbeitet. Seit 2011 lebt die Familie nun in Markdorf. Eva Fast singt im Kirchenchor und spielt beim Skiclub Markdorf Korbball. Mit dem Hund und ihren Kindern ist sie gerne draußen in der Natur. (nbu)