Günther Wieth, Leiter der Markdorfer Tafel, kann ein Lied davon singen, dass es für ihn und Helfer immer beschwerlicher wird, als Ehrenamtlicher Vorschriften zu erfüllen, damit Bedürftige weiterhin mit gespendeten überschüssigen Lebensmitteln unterstützt werden können.
Von Auflagen genervt
"Was wir an Auflagen haben, ist häufig nervig." Er nennt einige Beispiele: "Wir müssen der gesamten Lebensmittelgesetzgebung genügen." Daher brauche die Tafel mit derzeit 75 Helfern einen Lebensmittelsicherheitsbeauftragten. "Drei unserer Mitglieder mussten ausgebildet werden. Jedes Mal bei Lebensmittelausgaben ist eines dieser Mitglieder zu Kontrollzwecken dabei." Zudem müssen jährlich alle Helfer zur Infektionsschutzbelehrung – zwecks Lebensmittelhygiene.
Lange Liste zu beachten
Die Markdorfer Tafel müsse auch einen Arbeitssicherheitsbeauftragten haben. Wieth: "Es muss eine lange Liste zur Arbeitssicherheit beachtet werden, das sind weit mehr als 20 Punkte." Dahinter stecke ein Vertrag mit dem TÜV Rheinland, der mit dem Bundesverband Deutsche Tafel abgeschlossen werden musste und den auch der Markdorfer Verein zu unterzeichnen hatte.
Fahrer müssen zu Schulungen
Das zwölfköpfige Fahrerteam muss eine Ausbildung in Ladungssicherheit absolvieren – "da sind pro Person 40 Euro fällig", erzählt Wieth. Ein Hauptverantwortlicher aus dem Fahrerteam manage das Ganze, auch dass die Transporter aus Hygienegründen regelmäßig gereinigt werden. Wieth: "Wir werden wie ein Lebensmittelhändler behandelt, es gibt unangekündigte Kontrollen durch Behörden."
Mehraufwand wegen Datenschutz
Des Weiteren hat die Datenschutzgrundverordnung der Markdorfer Tafel weiteren Aufwand beschert: "Unser Beauftragter musste beispielsweise an drei Veranstaltungen teilnehmen, um herauszufinden, was wir als Verein alles einzuhalten haben – davon zwei Veranstaltungen mit Hotelaufenthalt und entsprechenden Reisekosten."
Hohe Kosten durch Versicherungen
Wieth berichtet von weiteren kostenträchtigen Faktoren: Weil rein theoretisch immer etwas passieren könne, brauche die Tafel juristische Unterstützung und Versicherungen. Letztere schlagen laut Wieth mit 1100 Euro jährlich zu Buche. Ja und allein für die Vollkaskoversicherungen für zwei Kühlfahrzeuge sind 3300 Euro zu berappen.
Sorgenvoller Blick in Zukunft
Martin Binder, Vorsitzender der Nachbarschaftshilfe der Seelsorgeeinheit Krauchenwies, Kreis Sigmaringen, blickt sorgenvoll in die Zukunft. Früher seien Helfer beitragsfrei von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) unfallversichert worden. Dies solle nur noch für Ehrenamtliche gelten, wobei unklar sei, wer als Ehrenamtlicher einzustufen ist. Binder: "Unsere derzeit 80 Helfer erhalten eine stundenweise gezahlte Aufwandsentschädigung innerhalb der Grenzen der Übungsleiterpauschale von 2400 Euro pro Jahr. Wir können keine pauschale Aufwandsentschädigung gewähren, da die Helfer und auch die Klienten den tatsächlichen Aufwand berechnet haben wollen."
Verein befürchtet Defizit
Die Höhe der stundenweisen Aufwandsentschädigung für die Helfer liegt laut Binder im Bereich des Mindestlohns bei 9 Euro, zudem bekommen sie zusätzliche Leistungen wie Fahrtkostenerstattung nach Kilometern.

"Da die BGW nun voraussetzt, das bei der Abrechnung nach Stunden eine freiberufliche beziehungsweise selbständige Tätigkeit anzusetzen ist, würden unserem Verein pro Helfer und Jahr 270 Euro berechnet werden. Dies sind bei unseren derzeit 80 Helfern 21 600 Euro pro Jahr." Die BGW verweise darauf, dass der Verein diese Kosten ja auf die Abrechnungsstunden der Klienten mit 1 Euro pro Stunde umlegen könne. Binders Gegenrechnung: "Wir haben 6800 Einsatzstunden abzurechnen, das macht 6800 Euro – somit entstünde uns ein Defizit von 14 800 Euro."
Die Haltung der BGW
Sprecher Michael Muth legt die Haltung der BGW dar: "Wenn die Nachbarschaftshilfe ehrenamtlich erfolgt, muss sich das in der Aufwandsentschädigung widerspiegeln. Infrage kommen entsprechend geringe Stundensätze oder eine pauschal gewährte Aufwandsentschädigung ohne Honorarcharakter." Selbstständige Tätigkeiten seien unabhängig vom Umfang gesetzlich pflichtversichert. Bei einer ganzjährig ausgeübten selbstständigen Tätigkeit betrage der Versicherungsbeitrag derzeit etwa 270 Euro pro Jahr. Laut Muth können "Nachbarschaftsorganisationen erwerbsmäßig tätige Helfer beispielsweise als Mini-Jobber beschäftigten". Dann hänge der zu entrichtende Unfallversicherungsbeitrag vom jeweiligen Arbeitsentgelt ab und liege je beschäftigter Person pro Jahr im zweistelligen Bereich.