Die Trockenheit der vergangenen Wochen hat die Fichtenbestände in Markdorf und Umgebung anfällig für den Borkenkäfer gemacht. Inzwischen hat sich eine dritte Generation des Schädlings entwickelt und das Wetter begünstigt eine vierte Generation. Um weiteren Schaden abzuwenden, werden betroffene Bäume gefällt, damit sich die Käfer-Populationen nicht weiter ausbreiten.
Baumfällarbeiten auch von Hand
Peter Ummenhofer brüllt aus Leibeskräften. Er warnt vor einer fallenden Fichte. Zuletzt hatte der Markdorfer Forst-Angestellte dem 30-Meter-Baum ein paar kräftige Hammerschläge versetzt. Sodass der angekeilte Stamm sich über die mit der Motorsäge zugefügte Kerbe in Richtung Harvester legt. "Harvester", zu Deutsch "Ernter" heißt das 19-Tonnen-Ungetüm, das Patrick Großmann, Glashütte am Höchsten, ein Stück weit in die "Rückegasse" hineingelenkt hat. In regelmäßigen Abständen gibt es solche Schneisen im Wald, auf denen gefällte Stämme herausgezogen werden können. Nur auf den Rückegassen rangiert schweres Gerät. Dazwischen soll der Boden nicht durch die breiten Reifen der Fahrzeuge verdichtet werden.

Larven verdeutlichen Schädlingsbefall
"Da sind sie", weist Peter Ummenhofer mit dem Finger auf ein paar Larven. Sie liegen in den Gängen, die sich wie die Zeilen einer aufgeschlagenen Buchseite auf der Innenfläche eines Stücks Baumrinde zeigen. "Die wären demnächst ausgeflogen", erklärt Ummenhofer, " um die nächsten Bäume zu befallen". Die sind im Schatten der eben gefällten Fichte gewachsen. Es handele sich um eine Verjüngung, erläutert der Forstmitarbeiter. Neue, kleinere Nadelbäume überwiegend, aber auch Ahorn und Buche. Alles Bäume, die sich durch Wind oder Vogel-Dung herbeigebrachten Samen gebildet haben.
Maschine schafft bis zu 150 Festmeter pro Tag
Solche natürlich gewachsenen Bereiche sind es, die Peter Ummenhofer und seine Kollegen derzeit doch noch ein wenig Hoffnung hegen lassen – und Zuversicht vermitteln für die Zukunft des Waldes. Trotz der in diesen Wochen zu erledigenden überaus unerfreulichen Arbeit. "Spaß macht das ja gar nicht", erklärt Patrick Großmann. Eben hat sein Harvester den 30-Meter-Stamm binnen weniger Sekunden entastet und in je fünf Meter lange Segmente zerschnitten, die nun darauf warten, aus der Rückegasse herausgezogen und gestapelt zu werden. Bis zu 150 Festmeter schafft Großmanns Maschine am Tag. 150 Festmeter Fichtenholz, dass geschlagen werden muss, weil die Stämme vom Borkenkäfer befallen sind. "Wir kommen nicht mehr nach", erklärt er.

Viele weitere Harvester-Aufträge in der Region
Die nächsten Aufträge stehen schon an – bei Überlingen und im Deggenhausertal. Überall "brennt es zurzeit". In der gesamten Region breitet sich der Borkenkäfer aus. Rund 1000 Festmeter Käferholz werden in diesen Tagen allein im Markdorfer Wald geschlagen – im Stadtwald und in Privatwald-Stücken. Weitere 1000 Festmeter Käferholz mussten vor wenigen Wochen geschlagen werden. Und wie es aussieht, wird es in wenigen Wochen einen weiteren Durchgang geben.
Betroffene Fichten schnellstmöglich fällen
Die "Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg" in Freiburg hat jüngst angekündigt, dass die "aktuelle Hitzesituation" aller Voraussicht dazu führen werde, dass sich die Buchdrucker rascher entwickeln. Und dass deshalb mit einer vierten Käfergeneration zu rechnen sei. Dringender Rat der Freiburger Waldschützer ist es, befallene "Fichtenstämme so schnell sie möglich aufzuarbeiten und Borkenkäfer unschädlich zu machen". Der Waldschutz rechtfertige als "letztes Mittel" sogar den Einsatz zugelassener Pflanzenschutzmittel.

Preise auf Holzmarkt im Keller
Das Käferholz liegt, zu übermannshohen Stapeln getürmt, abholbereit am Wegesrand. De Einschlag war notwendig. Wirtschaftlich ist er nicht. Denn das Eschentriebsterben und der Borkenkäfer verderben derzeit die Preise auf dem Holzmarkt. Die Säge-Industrie, ohnehin kaum in der Lage, die für den Sommer untypisch hohen Mengen zu verarbeiten, spekuliert mit den Preisen. Es herrscht ein Überangebot an Holz. Das senkt die Stimmung bei den Waldbesitzern.

Notsituation folgt auf Notsituation
Im Keller ist die Stimmung auch bei den Forstmitarbeitern. Nicht zuletzt, weil die sich wie Getriebene fühlen. Eine Notsituation folgt der nächsten. Die taktischen Notwendigkeiten im Kampf gegen die drängenden Probleme, gegen Schädlinge und gegen Baumkrankheiten, verhindern das Erarbeiten einer Strategie, wie der Wald weiter entwickelt werden soll. Absehbar ist, dass sich das gesamte Ökosystem nachhaltig verändert. "Die Forstwirtschaft spielt da verschiedene Modelle des Wandels durch", erklärt Stadtförster Jörn Burger. Bei einer erwarteten Erwärmung von 1,5 oder von 2,5 oder von bis zu 4 Grad Celsius in den nächsten Jahrzehnten. "Welches dieser Modelle greift, wissen wir noch nicht – aber wir spüren jetzt schon, dass sich was verändert, und zwar gründlich", erklärt Burger.
1200 Hektar Forst muss gesichtet werden
Der Stadtförster und seine Mitarbeiter verspüren diesen Wandel am eigenen Leib. Bei größter Hitze stapfen sie mit schwerem Werkzeug durch den Wald. Dies in ihrer dicken Schutzkleidung, massiven Stiefeln und Helm. Und waren die Sommermonate früher für die Forstmitarbeiter eher ruhig, so jagt unterdessen ein Krisenfall den nächsten. 1200 Hektar haben die Markdorfer Forstleute auf Käferbefall zu sichten. Und dabei reicht es nicht, die Waldwege abzuschreiten und von dort aus in die Kronen zu blicken. Unbedingt geht es durchs Unterholz und durchs Dickicht. Denn die braun gewordenen Fichten-Wipfel finden sich auch im Waldesinnern. Auch dort drohen die Käfer-Populationen, sich auf den umstehenden Bäume niederzulassen.

Schädling vernichtet so manches Lebenswerk
"Das Schlimme ist", so erläutert Peter Ummenhofer, "das Schlimme ist, dass man heute durchgeht und morgen beim Fällen schon den nächsten Baum entdeckt." Der dann ebenfalls gefällt werden muss. Was seine Leute schmerze, erklärt Stadtförster Burger. Insbesondere die älteren Mitarbeiter, die ihre vor Jahren gepflanzten Bäume nun vor der Zeit fällen müssen. Die somit ansehen, "wie ihr Lebenswerk dem Käfer zum Opfer fällt", sagt Burger.
Das müssen Waldbesitzer tun
Fragen und Anworten zur derzeitigen Borkenkäfer-Plage in Markdorf:
Woran ist der Befall durch den Fichten-Borkenkäfer zu erkennen?
Betroffene Bäume verfärben sich in ihren Kronen von unten nach oben hin braun – Rinde fällt ab – am Boden finden sich grüne oder braune Nadeln – bei Trockenheit liegt Bohrmehl am Stammfuß.
Was müssen Waldbesitzer tun?
Sie haben ihre Fichtenbestände regelmäßig zu kontrollieren. Befallene Bäume sind umstandslos zu schlagen und aufzuarbeiten. Die Stämme sind zu entrinden und müssen in ausreichendem Abstand, 500 Meter, vom nächstgelegenen Fichtenwald gelagert werden. Nur im Notfall ist der Einsatz von Chemie erlaubt.
Ist mit finanziellen Einbußen zu rechnen?
Ja. Der starke Anfall von Käferholz senkt die Holzpreise auf ein niedriges Niveau
Ist bei Käferholz mit Qualitätseinbußen zu rechnen?
Seine statischen Eigenschaften behält es. Die Beeinträchtigung ist ästhetischer Art – es gibt eine Blau-Verfärbung
Sind auch Gartenbesitzer betroffen?
Wenn sie in Waldrand-Nähe wohnen, sollten auch sie ihre Fichten auf die Befalls-Symptome hin kontrollieren. Und sich gegebenenfalls an das Forstamt wenden. (büj)