Die Baustelle am Stadtgraben gegenüber der Metzgerei Seitz entwickelt sich zu einem Endlosthema: Seit Juni vergangenen Jahres ragt der riesige Baukran in die Straße und das Nadelöhr mitten in der Innenstadt nervt Autofahrer wie Fußgänger gleichermaßen. Daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Denn eventuell wird sich die Baustelle noch bis Mai hinziehen. Dann wäre das Jahr fast voll – und die Bauarbeiten hätten am Ende doppelt so lange gedauert wie geplant.
Dass sich die Baustelle so massiv weiter verzögern wird, war bis vor Kurzem noch nicht abzusehen. Vor wenigen Tagen jedoch hatte der Bauherr einen erneuten Antrag auf Verlängerung der Ausnahmegenehmigung samt teilweiser Fahrbahnsperrung gestellt, den dritten inzwischen. Denn die aktuelle Verlängerung lief am vergangenen Freitag, 31. Januar, aus.
Verärgerung im Rathaus

Im Rathaus ist man verärgert, aber eine Handhabe gegenüber dem Bauherren hat man kaum. „Wir sind natürlich alles andere als begeistert“, sagt Ordnungsamtsleiter Jürgen Hess auf Anfrage der Redaktion. Auch Bürgermeister Georg Riedmann sei „ziemlich entsetzt“.
Kleinerer Kran keine Alternative
Die Begründungen in den Anträgen seien stets ähnlich lautend. Die enge innerstädtische Bausituation, die Komplexität der Baustelle, die Anforderungen an unterschiedliche Konstruktionen: All dies würde die Arbeiten schwierig gestalten. Deshalb würde auch der große Baukran, der in die Straße hineinragt, noch gebraucht werden. Eine Anfrage der Stadt, ob die Arbeiten auch mit einem kleineren Kran fortgesetzt werden könnten, sei abgewiesen worden. Dies sei nur für einige Wochen möglich, bis Ende März, habe es geheißen. „Aber das würde uns nichts bringen“, sagt Hess. Zudem werde der große Kran aktuell noch genutzt.

Die Bauherrschaft hat laut Hess nun eine Verlängerung bis Ende Mai, Anfang Juni beantragt. Ein ungewöhnlich langer Zeitraum, den man in der Verwaltung sehr kritisch sieht. „Normalerweise sprechen wir Verlängerungen grundsätzlich nur um höchstens drei Monate aus“, sagt Hess. Andererseits gelte es, die Interessen des Bauherren mit denen der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen. „In der Regel wiegt dann aber das Interesse des Bauherren schwerer, weshalb man das letzten Endes meistens genehmigen muss“, weiß der Amtsleiter.
Bauherr nimmt Stellung
Als Bauherr wird auf dem Baufreigabeschein, der am Baustellenzaun hängt, Faruk Murat genannt. Murat ist Architekt und Inhaber des Büros Studio FM in Stuttgart – und damit Bauherr und Architekt in Personalunion. Er habe großes Verständnis für den Ärger, den die Dauerbaustelle bei Anwohnern und Verkehrsteilnehmern verursache, sagt Murat auf Anfrage der Redaktion. Für die Verzögerungen gebe es jedoch eine Erklärung: Mitten in den Arbeiten habe er den Zimmerer wechseln müssen, nachdem der von ihm beauftragte Holzbaubetrieb plötzlich abgesprungen sei. Nun setze der Überlinger Betrieb Hahn die Holzbauarbeiten fort, eine mehrwöchige Verzögerung sei dadurch aber dennoch eingetreten.

Außerdem zeige sich die Kombination von Holz- und Massivbauweise der neuen Häuser angesichts der engen Situation herausfordernder als gedacht, sagt Murat. Aufgrund der Innenstadtlage und der dichten Nachbarbebauung seien zudem sehr komplexe Vorgaben zum Brandschutz zu erfüllen. „Wir versuchen trotzdem, das Projekt so schnell wie möglich durchzuziehen“, betont er. Auch er selbst habe nicht zuletzt aus Kostengründen ein Interesse an einer möglichst baldigen Fertigstellung. „Vom Ablauf her ist die Baustelle aber sehr kompliziert, sehr viel komplizierter als wir gedacht hatten“, räumt er ein.
An dem großen Kran führe jedoch kein Weg vorbei, sagt der Bauherr. Denn die Holzbauelemente hätten ein Gewicht von bis zu drei Tonnen. Mit einem kleineren Kran seien die nicht zu heben. Die Zimmerei habe ihm rückgemeldet, sie könne die Arbeiten bis Mai fertigstellen. „Ich hoffe jedenfalls auf ein Richtfest noch im Mai“, sagt Murat.
Stadt erteilt Genehmigung für weitere drei Monate
Ende vergangener Woche hat die Stadt nun einer Verlängerung der Baustelle inklusive Nutzung der städtischen Straßenfläche für weitere drei Monate zugestimmt, also bis Ende April. „Mit der Auflage, dass die Bauarbeiten jetzt zügig abzuwickeln sind“, sagt Hess. Zugestimmt hat parallel dazu auch das Landratsamt, und zwar der Verkehrsabsicherung an der Baustelle. Dafür ist eine sogenannte verkehrsrechtliche Anordnung nötig. Die hat die Kreisbehörde inzwischen auch erteilt, wie die Stadt ebenfalls bis Ende April.
Das wiederum heißt: Das Nadelöhr in der Innenstadt bleibt für mindestens ein weiteres Vierteljahr bestehen. Anwohner, Autofahrer und Fußgänger werden am Stadtgraben auch in den kommenden Monaten noch einen dicken Geduldsfaden brauchen.